Donnerstag, 29. März 2007

Stolperei beim Wettlauf

Gestern Abend im ZDF: "Wettlauf um die Welt", Teil 1. Eine Dokumentation über die so genannte "Globalisierung". Wo steht Deutschland im globalen Wettbewerb? Was ist "Made in Germany" heute noch Wert? Und zwar eben: In weltweiter Konkurrenz vor allem mit den asiatischen Ländern, mit China und Indien.

Hochinteressant das Ganze. In erster Linie, dass Handel und Wirtschaft nicht nur als Wettlauf, sondern gleich als Wettlauf "um die Welt" gesehen wird. Eine Nummer größer ging es wohl nicht. Immerhin zeigt das sehr schön, was heute vornehmlich zählt: Verbrauch und Konsum und die Fähigkeit, mit dem Handel von Waren Geld zu verdienen. Alles andere ist ganz offensichtlich zweitrangig - wenn es "um die Welt" geht. Und damit auch: Wie gut oder schlecht es uns allen geht.

Dieser gedankliche Offenbarungseid wurde in dieser Dokumentation (sinngemäß) wie folgt auf den Punkt gebracht: Das Land der Dichter und Denker hinkt im globalen Wettbewerb hinterher. In asiatischen Ländern werden inzwischen deutlich mehr Ingenieure ausgebildet als in Deutschland. Der Rückschluss: Es hapere eben an unserem Bildungssystem.
Demnach wird unsere Welt wohl von Ingenieuren gerettet werden müssen. Jedenfalls entscheidet die Anzahl und Menge von Ingenieuren darüber, wie gebildet ein Volk ist und gut es diesem Volk geht. Materiell betrachtet. Konsumtechnisch. Denn um etwas anderes scheint es nun einmal nicht zu gehen.

Dabei ist das Wesentliche - wie so oft - zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören: Das "Land der Dichter und Denker" hinkt nur noch hinterher, weil es zu wenige Ingenieure hervorbringt. Das beinhaltet unterschwellig eine beträchtliche Wertigkeit und Werte-Vermittlung: "Dichter und Denker" haben "uns Deutschen" Ansehen in aller Welt verschafft. Aber das war eben leider gestern. Heute sind es Ingenieurkünste, die für Ruhm, Ehre und Stolz sorgen. Und zwar nicht irgendwelche Ingenieurkünste, sondern eben (ausschießlich) solche, die zum Florieren der Wirtschaft, zur Steigerung des Exports und des Bruttosozialproduktes beitragen.

Einmal ganz abgesehen davon, dass sich jeder einzelne Deutsche demnach selbst darauhin zu überprüfen hat, inwieweit er selbst seinen Teil dazu beiträgt. Und einmal abgesehen davon, dass Kenntnisse und Wissen über Goethe, Schiller, Beethoven und Wagner demnach keine wirklich wichtige Bildung zu sein scheinen, dass sich die Beschäftigung mit Kunst, Theater und Dichtung offenbar "nicht lohnt", unser Land und die Menschen nicht weiter bringt.
Also einmal abgesehen davon (und einigem anderen): Wenn das heute unter "Bildung" verstanden und durch Erziehung und Schule und Medien bereits den Kindern eingetrichtert wird, dann muss man sich über die achso so oft beklagte "soziale Kälte", "Moralverlust" und allgemeine Verblödung wirklich nicht mehr wundern. Eigentlich.

Link zur Dokumentation des ZDF:
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,1872,5258262,00.html

Mittwoch, 14. März 2007

Rosa Brille - rosa Zukunft.

In Deutschland ist neuerdings ganz schlecht Skifahren - so steil, wie es bergauf geht. Siehe eine Meldung von vorgestern, 12.03.:
"2007 soll Deutschlands Boom-Jahr werden
Für das laufende Jahr werde jetzt ein Wachstum von 2,8 Prozent prognostiziert, teilte das Institut für Weltwirtschaft (IfW) mit. Bisher hatten die Kieler Wirtschaftsforscher lediglich 2,1 Prozent erwartet. Im Jahr 2006 war die deutsche Wirtschaft noch um 2,7 Prozent gewachsen. "Der Aufschwung in Deutschland setzt sich kräftig fort", heißt es in der neuen Vorhersage".
Oder wie "der entsprechende Index" des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gestern, am 13.03. prognostizierte:
"Deutsche Wirtschaft wird Europas Wachstums-Lokomotive
Deutschlands Wirtschaft entpuppt sich als überraschend stark. Der wichtigste Konjunkturindex legt deutlich zu, Deutschland hat die Delle zu Jahresbeginn überwunden - die Wirtschaft dürfte nun sogar stärker wachsen als der gesamte Euro-Raum".

"Mehr Wachstum als 2006, nur noch 8,8 Prozent Arbeitslose - so rosig waren die Aussichten lange nicht mehr" laut dem IfW. Das stimmt! Schon satte 2 1/2 Wochen nicht mehr - wenn man sich an die Meldung vom 23.02. (siehe mein Notizblog-Eintrag) erinnert, wonach das vom Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) errechnete angeblich "wichtigste Stimmungsbarometer der deutschen Wirtschaft" noch düstere Zeiten weissagte.
Entweder hat sich in Deutschland seit dem 23.02. etwas radikal verändert, das mir entgangen sein muss. Oder das Ifo hat vor 2 1/2 Wochen ziemlich daneben gelegen. Oder man liegt mit den aktuellen Berechnungen daneben. Oder die ganze Herumrechnerei hat mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Oder auch von allem ein bisschen.

Oder ganz anders: Womöglich haben wir Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) den neuen Boom zu verdanken, als er am 08.03. meinte: "Bei Maßnahmen zum Klimaschutz handelt es sich um eine technologische Herausforderung, die wir nicht durch Verbote und Appelle zum Konsumverzicht bewältigen können“.
"Danke, Herr Minister" hat sich die Bevölkerung erleichtert gedacht. Weniger Auto fahren, weniger Energie verbrauchen, weniger Müll produzieren: Nein. Nicht nötig. Denn, wie Gabriel weiter: "Es kann nicht darum gehen, den Klimaschutz gewissermaßen zu privatisieren, indem wir ihn auf den Einzelnen abwälzen".

Also: Auf geht´s, lasst uns weiter fleißig konsumieren. Dem Klima schadet es nicht, und wenn doch, dann ist "der Einzelne" von jeder Schuld befreit - das haben wir schwarz-auf-weiß, nachlesbar, erklärt vom Umweltminister persönlich.
Und dass Sigmar Gabriel auch ansonsten ein sehr vernunft-orientierter Mensch ist, war zuletzt sogar im Fernsehen zu vernehmen: "Ich bin für First-things-first", sagte er zum Thema Einführung eines Tempolimits auf unseren Autobahnen. Auf deutsch: "Eins nach dem anderen". Statt eines Tempolimits (das wohl sehr schnell und quasi von heute auf morgen beschlossen und eingeführt werden könnte) solle besser die Forschung in Sachen Klimaschutz-Technologien forciert werden, etwa in Form der Entwicklung von Motoren, die weniger Sprit verbrauchen (was dagegen wohl ein paar Jahre dauern dürfte).

Also: Immer mit der Ruhe. Nur nichts überstürzen. Ich denke, bevor ein SPD-Politiker 40 Millionen wahlberechtigte Autofahrer gegen sich und seine Partei aufbringt, setzt er wohl er darauf, dass das Thema "Klimaschutz" erfahrungsgemäß in Kürze wieder aus dem Zentrum der Nachrichtenlage verschwinden wird.

Dienstag, 6. März 2007

Werte hin. Oder her.

Am 08. Mai 2002 (also: vor fast 5 Jahren) schrieb ich anlässlich des Amoklaufes an einer Schule in Erfurt unter anderem folgendes (siehe auch im "Archiv"):
"[...] In keiner Schule wird gelehrt, wie man sich seines Selbst bewusst wird und wie man mit seinen Mitmenschen umgehen sollte. Das, was in der Wirtschaft unter "Emotionaler Intelligenz" verstanden und überall dringendst gesucht wird, ist in der Schule kein Thema. Das, was das Zusammenleben von Menschen essenziell ausmacht, was Gerechtigkeit und Toleranz bedeuten, wird an keiner Schule gelehrt. [...]"
Heute wurde ich auf eine Meldung aufmerksam gemacht, dass an einem Gymnasium in Starnberg u.a. ein Schulprojekt "Wahlkurs Sozialkompetenz" gestartet wurde. Mit-Initiator ist die Bayerische Staatsregierung, die unter dem Motto "Werte machen stark" dafür sorgen will, dass "Werte-Erziehung" und Persönlichkeitsbildung "einen höheren Stellenwert" erhalten. Immerhin. Es tut sich etwas.
Edmund Stoiber, der die Initiative natürlich gleich stolz und medienwirksam mit einem Besuch an diesem Starnberger Gymnasium startete, meinte dazu: "Man kann unseren Kindern keinen größeren Gefallen tun, als ihnen Werte wie Respekt, Fleiß und Toleranz mitzugeben". Er hat Disziplin, Ordnung und Sauberkeit vergessen. Ob auf seine Rede ein allgemeines "Jawoll" zu hören war, ist mir nicht bekannt.

Montag, 5. März 2007

Politik nach Gefälligkeit

Langsam aber sicher dürfte es nicht mehr nur mir auffallen: In Berlin finden wieder einmal Mänoverübungen statt. Übungen von Ablenkungsmanövern. Selten, dass eine derartige Masse von Politikern sich in einer derartigen Aktivität befindet. Fast die komplette Regierung scheint aus dem Winterschlaf erwacht zu sein. Es hagelt Meldungen. In solchen Fällen sollte man besser gleich etwas aufmerksamer und misstrauischer werden als sonst.

Wie aus dem Nichts entstand zunächst eine hitzige Diskussion um den "Nichtraucher-Schutz" und passende gesetzliche Maßnahmen. Selbst ein allgemeines Rauchverbot in Kraftfahrzeugen war manch einem Politiker nicht zu dumm, um zu diesem Thema auch einmal interviewt zu werden. Zwischendurch war eine etwaige Begnadigung irgendeines rechtskräftig verurteilten Terroristen reges politisches Gesprächsthema, bevor jeder Mitregierende und jeder, der sich eigentlich dazu besser geeignet fühlt, plötzlich etwas zum Ausbau von Kindestagesstätten zu sagen hatte.

Während letztere Diskussion allmählich wieder droht abzuebben, wurde der "Klimaschutz" als Thema entdeckt und zum Thema gemacht. Und auch hier: Kaum ein Abgeordneter, der nicht mit einer eigenen Idee glänzt und sie dazu auch noch öffentlich verbreitet. Angefangen beim verordneten Austausch herkömmlicher Glüh- durch Energiesparlampen, über diverse Appelle, Fern- durch Deutschlandreisen zu ersetzen, bis hin zum nun angedachten Tempolimit auf Autobahnen.

Auffällig ist, dass laut einer Umfrage "9 von 10 Deutschen selbst etwas für das Klima tun" wollen. Auffällig ist, dass auch die sonstigen zuletzt massenhaft und laut aus Berlin zu vernehmenden Stimmen, von KiTa-Plätzen bis zum "Nichtraucher-Schutz" laut irgendwelcher Umfragen auf Zustimmung bei einer Mehrheit der Bevölkerung stoßen.

Man könnte fast auf den Gedanken kommen, hier wird nach Sympathiebekundungen gelechzt und werden deshalb die politischen Tagesthemen an Umfrage-Hitlisten ausgerichtet. Dass das anders ist, ziehe ich persönlich erst dann wieder in Erwägung, sobald sich dieselbe Masse von Politikern in derselben Lautstärke ausnahmsweise mal wieder zum Thema Arbeitslosigkeit äußert. Etwa zu Meldungen wie "Zigtausende Jobs weg trotz fetter Gewinne. Die Konjunktur zieht an, die Gewinne sprudeln - und trotzdem streichen Deutschlands Großkonzerne massenhaft Stellen. Einem Zeitungsbericht zufolge bauten die 30 größten Konzerne 2006 im Saldo 44.000 Stellen ab. Gewerkschafter sprechen vom 'Tod der sozialen Marktwirtschaft' ".