Donnerstag, 10. Januar 2008

gewaltige Meinungsbildung

"Sollen jugendliche Gewalttäter härter bestraft werden?". Das Thema ist noch immer eines. Von all denen, die hierzu etwas zu sagen haben, sagt leider niemand, wo eigentlich die Gewalt genau beginnt, die härter bestraft werden soll. Wie relativ das nämlich ist, war am Mittwochabend im ersten Fernsehprogramm in "Hart aber fair" zu sehen:
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In einem der beliebten "Praxistests" des Investigativjournalismus sollten zwei jugendliche Schauspielschüler mehrmals in verschiedenen U-Bahnen etwas Radau machen. Die Reaktionen der Mitfahrenden wurden mit versteckter Kamera gefilmt. Dieser Radau übrigens bestand darin, dass diese beiden Jugendlichen sich überdurchschnittlich laut unterhalten, über ihr Mobiltelefon etwas lautere Musik abspielen und zwischendurch die Füße auf einem Sitz abstellen.
Wobei nicht geklärt wurde, ob das nun bereits als "Gewalt" verstanden werden soll, die "härter bestraft" werden müsse(?). Jedenfalls lautete ein Begleitkommentar: "Unsere beiden Jugendlichen terrorisieren die Menschen" und "In 8 (Anm.: von 10) Fällen haben die Menschen den Terror kommentarlos über sich ergehen lassen". Demnach war der Radau nicht nur Gewaltausübung, sondern sogar Terror. Es sei denn, man nimmt es nicht so genau, wenn es um Straftaten und Bestrafungen geht.
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Einige der betroffenen Mitfahrenden wurden im Anschluss an den Praxistest persönlich befragt. Zwei ältere Damen etwa mit der Frage "Hatten Sie Angst?". Deren Antwort: "Ein bisschen schon". Gegenfrage: "Warum haben Sie denn nichts gesagt?". Antwort: "Na, warum wohl nicht? Da hätte ich ja auf jeden Fall eine mitgekriegt".
Ein anderer, älterer Mitfahrender wurde gefragt: "Wie war das denn gerade für Sie?". Seine Antwort: "Nicht gerade angenehm. Aber man sagt ja nichts mehr. Man sieht das ja Fernsehen. Und um da nichts auf die Nase zu kriegen, da ist man lieber still".
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Eben: "Man sieht das ja im Fernsehen". Nicht wahr. Zum Beispiel in Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie "Hart aber fair", die einen Bildungsauftrag haben, und Radau mehrfach als "Terror" bezeichnen. Es lebe die freie, unabhängige Meinungsbildung und der gut informierte Bürger. Mit Ausnahme natürlich der Jugendlichen, die in Zukunft aufpassen müssen, wie laut sie sich unterhalten, um nicht als Terroristen eingesperrt zu werden.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ganz großes Kino dieser Artikel! Ich sah die Sendung ebenfalls aber mir fiel das nicht so auf wie Sie es präzise beobachteten! Kompliment!

GerdHBy hat gesagt…

Ich pers. empfinde besonders wichtig den Hinweis auf den Bildungsauftrag der öff-rechtl. Anstalten. Doch die haben auch einen Unterhaltungsauftrag. Vielleicht kommt das manchmal durcheinander, wenn die Sendungen geplant werden.

Anonym hat gesagt…

Das ist ja immer das schlimme wenn so getan wird als ob die Grunde bzw. Lösungen alle einfach wären. Ich frage mich immer wenn die Leute alle gegen Gewalt sind, wer hat die Kinder dann bloß so erzogen?

Teufel100 hat gesagt…

Hi,

auch wenn ich die Sendung nicht gesehen habe, gefällt mir ihr Kommentar dazu. Viel zu oft werden inzwischen Tests und Umfragen gemacht die eigentlich nichts weiter sind als Panikmache und mit Meinungsbildung überhaupt nichts mehr zu tun haben.

viele grüße

sven

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