Montag, 14. April 2008

frei(-)willig willenlos

Der kritische Leser wird mir auch diesen Beitrag nachsehen müssen. Er hat keine andere Wahl, weil auch ich keine habe. Ich schreibe diesen Beitrag ohne eigenen freien Willen, sondern weil mein Gehirn das so für mich entschieden hat. Quasi: über meinen bewussten Willen hinweg und irgendwie eigenmächtig. Und das im wörtlichen Sinne. Denn wenn "mein Gehirn" irgendetwas entscheidet und "nicht ich", dann hat mein Gehirn offenbar nicht viel mit mir selbst zu tun.
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Ich spreche hier übrigens von einer heutigen Meldung, wonach wieder einmal irgendein Forscherteam ungehindert mit Probanden und einem Kernspintomographen experimentieren durfte, und mit den Versuchsergebnissen angeblich nun nachdrücklich untermauert, was frühere Experimente bereits nahelegten: der Mensch hat keinen freien Willen, sondern "sein Gehirn trifft Entscheidungen". Genauer: Exact 6 Sekunden, bevor ein Mensch glaubt, sich für oder gegen etwas entschieden zu haben, hat das bereits sein Gehirn für ihn erledigt.
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Der Leiter des Forscherteams am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, John-Dylan Haynes, hält es auf Grund der Versuchsergebnisse "für unplausibel", dass der Mensch mit freiem Willen entscheidet - womit einerseits der Begriff "frei(-)willig" eine ganz neue Bedeutung erhalten würde.
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Andererseits müsste Herr Haynes, wenn er das tatsächlich als wissenschaftliche Theorie verstanden haben möchte, diese seine Theorie - nach Karl R. Popper - zudem auch falsifizieren können. Also: Er müsste ebenso nachweisen können, wie genau sich seine Theorie als falsch erweisen lässt. Er müsste einen Weg zeigen, wie man herausfindet, dass es entgegen seiner Theorie dennoch ein freier Wille ist, mit dem der Mensch entscheidet. Das dürfte schwierig werden. Und schon alleine deshalb haben wir es hier wieder einmal mit sehr dubioser, purer Spekulation zu tun.
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Es geht alllerdings auch noch einfacher: Herr Haynes müsste lediglich erklären können, warum er ganz ohne eigenen freien Willen überhaupt berufsmäßig an Gehirnen herumforscht und warum sein Gehirn nicht etwa entschieden hat, dass er als Fischer durch irgendwelche Fjorde schippert. Mir würde es schon genügen, wenn er mir erklärt, warum mir mein Gehirn "befohlen" hat, diesen Beitrag schreiben, statt im Wald Holzfällen zu gehen. Und sodann müssten sämtliche Straftäter auf der Stelle aus den Gefängnissen entlassen werden, weil es nach Herrn Haynes "nicht plausibel" ist, dass sie für ihre Taten selbst verantwortlich sind.

P.S.: Wer noch etwas weiter lesen möchte... "Gehirnforschung: Dem Gehirn ausgeliefert - willenloser Mensch?"

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