Montag, 7. Dezember 2009

Toleranzbereich: 0

Genau 1.298.746. Das ist die Anzahl der bayerischen Bürgerinnen und Bürger, die zwischen dem 19.11. und 02.12. in den Rathäusern ihre Unterschrift geleistet haben, um dadurch einen Volksentscheid, eine Volksabstimmung, ein Volksbegehren durchzusetzen - rund 300.000 Unterschriften mehr als nötig gewesen wäre. Und zwar gegen das in Bayern vor den Landtagswahlen aufgeweichte "Nichtraucherschutzgesetz", wonach das Rauchen in (z.B.) Gaststätten unter bestimmten örtlichen Voraussetzungen wieder erlaubt wurde, also im Gegenteil für die Wiedereinführung des ursprünglichen, strikten, rigorosen Rauchverbots.
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Was bewegt Menschen, die in aller Regel noch nicht einmal zu Fuß zum nächsten Briefkasten gehen, sich entgegen jeder sonstigen Bequemlichkeit zum Rathaus aufzumachen, nur um dort eine Unterschrift zu leisten? Es ist das Thema, das bewegt: Nichtraucher gegen Raucher. Und das wird ausgefochten. Vor allem von Nichtrauchern. In einer Art und Weise, wie es seinerzeit von einem George W. Bush im Kampf gegen den Terrorismus formuliert wurde: "Zero Tolerance" - "Null Toleranz". Im ansonsten recht kirchlich geprägten Bayern gibt es hierbei keine Gnade und ist es nicht einmal tolerierbar, wenn Raucher in einen eigenen Raucherraum isoliert weggesperrt werden. Alleine der Gedanke daran, dass sich irgendwo in der Gaststätte Raucher gegenseitig ein- und zuqualmen, scheint mindestens 1.298.746 Bayern unerträglich zu sein. Erstaunlich.
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Erstaunlich ist ebenso - wie in anderen Themenbereichen auch immer wieder - wie eine vornehmlich emotional motivierte Diskussion künstlich mit Argumenten verrationalisiert wird. Nur wenige Nichtraucher, die eingestehen, dass es vor allem der stinkende Qualm ist, der sie stört - was wäre das schließlich für ein "Argument", wo man kaum einfach alles per Gesetz abschaffen kann, was Menschen als störend empfinden: schlechtes Wetter, zum Beispiel, oder Verkehrsstaus. Oder: Alkoholausschank aller Art in Gaststätten, weil sich Menschen - auch Raucher - durchaus von gröhlenden Angetrunkenen gestört fühlen können. Da müssen irgendwelche rationalen Argumente her. In diesem Fall gibt es allerdings nur ein einziges: die vermeintliche Gesundheitsschädigung durch das "Mitrauchen", eleganter ausgedrückt "Passivrauchen".
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Die Begründung jedoch, dass man als zum "Passivrauchen" genötigter Nichtraucher durch rauchende Mitmenschen potenziell gesundheitlich geschädigt wird, relativiert sich in genau dem Moment, wenn diese Nichtraucher jeden Mitmenschen - ob Raucher oder Nichtraucher, vom Baby bis zum Rentner - potenziell gesundheitlich schädigen, sobald sie den Ottomotor ihres Wagens anwerfen. Konsequenterweise müsste also jeder der 1.298.746 Menschen, die ein rigides Rauchverbot durchgesetzt haben wollen, zunächst erst einmal sein Auto abmelden:
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Ein Kraftfahrzeug pustet Stickstoffoxide in die Umgebung, und damit in unser aller Atemluft: schon kleinste eingeatmete Mengen können - vor allem bei Kindern - Atemwegserkrankungen und Infektionen auslösen. Stickstoffoxide sind für außerdem für den sog. "Sauren Regen" und das Ozonloch in der Erdatmosphäre mitverantwortlich, was... uns alle betrifft.
Ein Kraftfahrzeug pustet zudem Kohlenstoffdioxid in die Umgebung, ist zwar in kleinen Mengen ungiftig, sorgt jedoch für den allseits bekannten "Treibhauseffekt", der... uns alle betrifft.
Ein Dieselfahrzeug pustet Schwefeldioxid in die Umgebung, und damit in unser aller Atemluft: ein Gas, das stark lungenreizend auf die Atemwege wirkt, und in Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit Bauwerke aus Naturstein zerfrisst und für das Waldsterben mitverantwortlich ist, was allesamt gleichfalls... uns alle betrifft.
Der Abrieb von u.a. Reifen und Bremsbelägen belastet unser aller Atemluft mit Feinstaubpartikeln, die so klein sind, dass sie nicht in Nase und Rachen hängen bleiben, sondern ungehindert bis in - unser aller - Lungen durchdringen, mit den Folgen von Entzündungen, Wucherungen, Asthma, Bronchitis oder Krebs, woran jährlich ca. 60.000 Deutsche sterben.
Straßenverkehrslärm verursacht laut Umweltbundesamt jährlich 5.500 Fälle von Schwerhörigkeit. Motoren- und Reifengeräusche verursachen Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen des Herzens mit der Folge von rund 4.000 Herzinfarkten jährlich.

( Hinweis: dieser Beitrag soll weder ein Plädoyer für das Tabakrauchen sein, noch soll er die Sorge von Nichtrauchern um ihre Gesundheit abwerten. Dieser Beitrag soll auf etwas ganz anderes aufmerksam machen )

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