Montag, 27. Dezember 2010

rasend verweihnachtet.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, doch ich fühle mich ziemlich verweihnachtet: irgendwie durch Weihnachten hindurch geschleudert und durch Weihnachten hindurch gequetscht. Ruhe und Besinnlichkeit, das war früher. Heute müsste man sich dafür Zeit nehmen, die man nicht zu haben scheint oder auch nicht haben will.
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Der geneigte Leser wird zum Verständnis meines heutigen Blog-Eintrages eventuell berücksichtigen müssen, dass ich Jahrgang 1970 bin. Wie es oft heißt und sogar wissenschaftlich erklärbar ist, hat man mit zunehmendem Lebensalter den subjektiven Eindruck, dass die Zeit schneller vergeht. Und wie mir scheint: insbesondere die Weihnachts-Zeit. Ein paar Indizien sprechen allerdings dafür, dass (auch) andere Einflüsse diesen Eindruck verstärken.
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Im Gegensatz zum letzten Jahr startete der Verkauf der typischen Weihnachtssüßwaren nicht am 30. August, sondern am 1. September. Nach geschlagenen 4 ½ Monaten, die man in jedem Supermarkt optisch damit erschlagen wird, tritt irgendwann das ein, was man fachlich „Sensorische Sättigung“ nennt: man kann es kaum noch sehen, was mitunter zu einer solchen Alltags-Beliebigkeit führt, dass Nikoläuse und Marzipanbrote so selbstverständlich dazugehören, wie Käse und Joghurt in der Abteilung Molkereiprodukte.
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So fällt es dann auch nicht weiter ins Gewicht, wenn exact eine Woche, also sieben Tage vor Heiligabend das Angebot an Weihnachtsleckereien auf – maximal – einen knappen halben Meter reduziert wird, damit ausreichend Platz für die ersten Silvester-Utensilien, für Luftschlangen, Knallfrösche und Kartoffelchips vorhanden ist. Auch auf die Gefahr hin, dass man meinen könnte, Weihnachten glatt verpasst zu haben.
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Verlässlich dagegen spricht dann jedoch das Radioprogramm, das uns mit den im stündlichen Abstand ausgesendeten, immergleichen Weihnachts-Popsongs die Gewissheit gibt, was wir noch immer zu feiern haben, bis es endlich überstanden ist – und dem entsprechend am Nachmittag des zweiten Feiertages der „Weihnachts-Endspurt“ angekündigt wird, um die unerträgliche Ruhe und träge Besinnlichkeit im Sprinttempo hinter uns zu lassen.
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Getoppt werden konnte das Ganze wirklich nur noch durch ein persönliches Erlebnis am Morgen des zweiten Feiertages an einer Tankstelle: Eine Busladung voller junger Menschen, etwa um Mitte Zwanzig herum, ausnahmslos jede und jeder davon ein grün-glitzerndes Hütchen in hippem Tannenbaum-Look tragend, ausnahmslos jede und jeder davon irgendeine Flasche Alkohol kaufend. Wie aus der Menge herauszuhören war, deckte man sich mit letztem Proviant ein, um die Restfahrstrecke zur „Xmas-Party“ so fröhlich zu überleben, wie man es ohne Alkohol offenbar nicht könnte.
Heute scheint nichts mehr davor sicher zu sein, um nicht als Party im Gegröhlie zu enden, noch nicht einmal mehr das Weihnachtsfest, weshalb man es wohl auch „Xmas“ nennen muss. Nur auf diese Weise kann man schließlich bis Silvester durchfeiern und sich anschließend gleich auf Karneval freuen. Ruhe- und besinnungslos.
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Dienstag, 7. Dezember 2010

mittig bemessen.

Na, endlich. Die neueste „PISA“-Studie ist da. Während man sich im Vorfeld der Veröffentlichung der Studienergebnisse schon freute, dass die deutschen Schüler diesmal besser als in den Vorjahren abschneiden würden, ist seit heute dagegen bekannt: es reicht immer noch nur zum „internationalen Mittelmaß“. Womöglich deshalb, weil keiner so genau weiß, worum es eigentlich geht.
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Grundsätzlich geht es in den „PISA“-Studien jedenfalls um die vermeintliche Ermittlung der „alltags- und berufsrelevanten Kenntnisse und Fähigkeiten“ von 15-jährigen Schülern, und zwar durch einen Vergleichstest in den drei Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz. So weit. So gut.
Nun ist es in den Abteilungen Mathematik und Naturwissenschaften noch relativ einfach, Testaufgaben zu basteln, abzuprüfen, zu bewerten und zu vergleichen: es gibt schließlich (Natur-)Gesetze, Regeln und Formeln, es gibt „richtig“ und „falsch“.
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Bedeutend kniffliger wird das Ganze jedoch im Bereich der „Lesekompetenz“. Da wird dann die Prozedur des Vorlesens eines Textes ziemlich willkürlich als „gut vorgelesen“ oder als „nicht ganz so gut vorgelesen“ bewertet.
Wobei es jedoch nicht bleibt: zur Lesekompetenz gehört auch das Leseverständnis mit dazu, nämlich die Frage, ob und wie viel ein Schüler von dem gelesenen Text überhaupt verstanden hat. Und das meint man tatsächlich durch Befragung prüfen und bewerten und vergleichen zu können – als ob das nicht wesentlich von dem jeweils vorgesetzten Text abhängen würde.
Manch ein „PISA“-Prüfer dürfte leichte Probleme im Leseverständnis einer Bedienungsanleitung haben, selbst wenn sie bebildert ist, und würde im Testfall an einem Fahrscheinautomaten für Bahntickets genauso kläglich scheitern, wie an der Inhaltsangabe eines Joghurtbechers – was mitunter durchaus „alltags- und berufsrelevant“ sein kann.
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So darf man sicherlich vermuten, dass deutschen Schülern kaum die selben Texte vorgelegt wurden, wie den Kindern in Korea und Finnland, die in „Lesekompetenz“ angeblich führend und u.a. deutschen Schülern damit weit voraus seien. Wer jedoch welche Texte anhand welcher Kriterien für diese Studien ausgesucht hat, bleibt ein Geheimnis, das uns nicht zu interessieren hat.
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Dumm nur, dass in diesem Jahr der Schwerpunkt der „PISA“-Studie ausgerechnet auf diese „Lesekompetenz“ gelegt wurde und die geprüften deutschen 15-jährigen wahrscheinlich nur deshalb wieder einmal nur mittelmäßig abschnitten, weil sie schwerpunktmäßig auf Mathematik und Naturwissenschaften vorbereitet wurden.
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Warum und von wem das so geschwerpunktet wurde, darf man übrigens genauso wenig erfahren, wie die Kriterien und Verfahrensweise der Beurteilung und Bewertung der gesamten Angelegenheit. Uns als Informationskonsumenten geht offenbar nur das auf geheimnisvolle Weise er- und berechnete Endergebnis etwas an. So dass sich vortrefflich darüber diskutieren lässt, ob bei einem Mittel-Maß das Glas nun halb voll oder halb leer ist.
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Freitag, 5. November 2010

erschreckend gefügig.

Wenn Sie mich fragen, ist es schon schlimm genug, dass alle möglichen Traditionen und Ereignisse heute bis zum Anschlag kommerzialisiert sind. Doch wenn eine nicht vorhandene Tradition zu einer gemacht wird, aus rein gar nichts anderem als aus purem Profitinteresse, dann sollte das Verständnis langsam aufhören und das Nachdenken anfangen. Wenn Sie mich fragen.
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Natürlich: Es gibt so etwas wie eine Kultur mit all ihren Ritualen, Bräuchen und Traditionen, die sich nun einmal im Laufe der Geschichte ergeben haben. Kulturgüter eben. Zum Beispiel das Ritual, sich im Dezember einen Baum ins Wohnzimmer zu stellen. Selbst wenn einem recht großen Bevölkerungsanteil sicherlich völlig unklar ist, warum man sich zur Weihnachtszeit ausgerechnet einen Baum ins Haus holt und nicht irgend etwas anderes.
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Rituale, Bräuche, Traditionen und Kulturgüter. So ungefähr wie zu Ostern, auch an Karneval, das Oktoberfest und Muttertag noch mit dazu. In Ordnung. Und in unserer heutigen Zeit muss man wohl auch hinnehmen, dass alles das entsprechend vermarktet wird. Unternehmen machen Gewinne, das stärkt das Wachstum und sichert Arbeitsplätze und so weiter, und so weiter.
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Es gibt allerdings mindestens eine schwerwiegende Ausnahme, die im Jahr 1991 ihren eigentlichen Ursprung hat: Seinerzeit fand im Irak der erste Golf-Krieg statt und hierzulande wurde aus allgemeiner Mitbetroffenheit der Karneval bundesweit abgesagt. Den Kostumherstellern entging ihr ansonsten einträgliches Millionengeschäft und machten ersatzweise knapp ein halbes Jahr später erstmals „Halloween“ bekannt(er), das die Deutschen bis dahin allenfalls aus US-Spielfilmen kannten. Seither wurde das Ganze Jahr für Jahr werblich weiter aufgepeppt, auch Spiel- und Süßwarenhersteller sprangen auf diesen Zug auf, während sich die Kostümhersteller seit dem über das Zusatzgeschäft von rund 30 Millionen Euro freuen, eben: zusätzlich zum Karneval.
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So lässt sich eine Gesellschaft völlig widerstandslos ein künstliches „Kulturgut“ aufdrücken, das – hierzulande – nichts weiter ist als eine Geschäftsidee. Man kostümiert sich, veranstaltet Parties, man dekoriert mit Kürbissen und verhält sich insgesamt absonderlich, nicht, weil das ein gewachsenes kulturelles Brauchtum wäre, sondern weil eine Wirtschaftsbranche das so installiert hat, um damit Millionenumsätze zu machen. Das provoziert zwangsläufig die Frage, was eine solche Gesellschaft sonst noch so alles gefügig mit sich machen lässt(?).
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Und wenn in diversen „Integrationsdebatten“ darauf gepocht wird, dass Menschen aus anderen Kulturbereichen sich bitteschön an unsere großartige, abendländische, deutsche Kultur anzupassen hätten, während gleichzeitig auf diese Kultur gepfiffen wird, sobald handfeste ökonomische Interessen dahinter stehen, darf man sich noch ein paar zusätzliche Fragen stellen.
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Dienstag, 26. Oktober 2010

Pokern gegen den Hunger.

Was hat ein Kartenspiel mit dem Hunger in der Welt zu tun? Diese Frage kann womöglich nur ich beantworten, weil womöglich nur mir passiert ist, was mir gestern Abend passiert ist.
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Ich sitze nur vergleichsweise selten vor dem Fernseher, selbst wenn ich mehr Zeit hätte: es ist mir in der Regel einfach zu ärgerlich. Gestern am späten Abend schaltete ich aus Interesse an einer Dokumentation das Gerät ein. Doch das hätte ich besser lassen sollen. Oder auch nicht. Je nach dem.
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Irgendwann um kurz vor elf sollte gestern Abend die Dokumentation „Hunger“ im Ersten Fernsehprogramm beginnen, auf die mich jemand aufmerksam gemacht hatte und die ich mir ansehen wollte. Fahrlässigerweise jedoch schaltete ich den Apparat bereits etwas früher ein und zappte mich durch verschiedene Kanäle, um mir einen einblickhaften Überblick zu verschaffen.
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Auf einem Nebenkanal wurde in einer als „Promi“-Sendung deklarierten Ausstrahlung eine Frau vorgestellt, die überaus erfolgreich beruflich Karten spielt, und zwar nämlich Poker. Bei Preisgeldern um die 400.000 Dollar aufwärts hat sich diese Frau inzwischen ein prima Vermögen zusammengepokert, lebt in einer 2,5-Millionen-Dollar Villa, in der u.a. eine 15.000-Dollar-Couch im Wohnzimmer herumsteht, sowie ein 25.000-Dollar-Pokertisch, extra aus Italien in die USA verschifft. Ein Frau mit einem enorm außergewöhnlichen Hobby: sie sammelt Schuhe, insgesamt bereits um die 1.200 Paar, vorzugsweise Stöckelschuhe, zu Preisen zwischen 1.000 und 5.000 Dollar. Um modisch ganz sicher zu gehen, kauft diese Frau ihre Schuhe nur in Begleitung ihres persönlichen Stil-Beraters. Das alles, wie erwähnt, auf der Basis beruflichen Pokerspielens, dargestellt als der erstrebenswerte Lebensstil eines „Stars“ und „Promis“.
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Wieder einmal einigermaßen erschrocken darüber, mit welchem Unfug die Öffentlichkeit medial fehlgeleitet wird, war es höchste Zeit zum Umschalten: Dokumentation „Hunger“. Zu sehen sind ausgemergelte Menschen und Kleinkinder, die zu schwach sind, um einen Schluck Wasser zu trinken. Zu sehen sind Dorfgemeinschaften, die darüber diskutieren, ob aufgrund des akuten Wassermangels ein Brunnen gebaut werden soll, der allerdings das Grundwasser absenken und die paar übrig gebliebenen Felder unfruchtbar machen würde. Zu sehen ist, wie sich ausländische Investoren in Afrika eine mehrfach goldene Nase verdienen, auf Kosten der hungernden Bevölkerung.
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Welch ein Kontrast. Und wie nicht anders zu erwarten, wurde zwischendurch eher beiläufig erwähnt, dass gerade die hungernden Kinder für eine bessere Zukunft vor allem eines bräuchten: Bildung. Welche Bildung genau, das wurde nicht erwähnt. Vielleicht sollten es Poker-Regeln sein.
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Freitag, 15. Oktober 2010

massenweise Systemfehler.

Heute ist der „Welternährungstag“. Die Welthungerhilfe hat passend dazu darauf aufmerksam gemacht, dass u.a. in Deutschland jedes Jahr 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Hausmüll landen, während 1 Milliarde Menschen auf unserem Planeten Hunger leiden. Doch das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht in knallig-bunten Farben zu lesen: „2 kaufen, nur 1 zahlen“.
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Es ist nicht zuletzt die Nahrungsmittelindustrie ( ein Begriff, den ich schon an sich für abscheulich halte ), die dafür sorgt und sorgen muss, dass die Leute kaufen, kaufen, kaufen, und zwar so viel wie möglich, selbst wenn von dem Gekauften die Hälfte im Müll landet. Den Herstellern geht es genau so wie dem Handel um Absatz und Umsatz, nicht um langweilige moralische Fragen. Das ist Betriebswirtschaft. Und: das ist Volkswirtschaft ( siehe auch meinen letzten Blog-Eintrag ), zum Wohle des Wirtschaftswachstums, zum Erhalt von Arbeitsplätzen, „für unser aller Wohlstand“.
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Eine glasklare Macke der Massenproduktion, die Nahrungsmittelindustrie davon natürlich nicht ausgenommen; warum sollte sie. Um das an einem trivialen Beispiel zu sagen: Alleine bei „Haribo“ werden täglich(!) 100 Millionen(!) Gummibärchen produziert. Eine horrende Menge, die nicht etwa produziert wird, weil sie der Nachfrage entspricht, sondern weil die Produktion es ermöglicht und es ineffizient wäre, weniger zu produzieren. Eine horrende Menge, die abgesetzt und verkauft werden muss; wie auch immer. Und es ist ein- und dasselbe bei sämtlichen Herstellern, die irgendetwas in Massen produzieren; was auch immer.
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Damit das funktioniert, wird – beispielsweise – Rotkohl in einer kleinen Dose mit sinnvoller Inhaltsmenge zum Preis von 1Euro19 verkauft, ein übergroßes Glas Rotkohl dagegen mit der dreifachen Inhaltsmenge dagegen für schlappe 49 Cent. Die sparsamen Konsumenten greifen zum preiswerten Rotkohl, auch wenn sie wissen, dass sie zwei Drittel davon in den Müll werfen werden: „Warum mehr bezahlen als nötig?“. Und genau so ist das auch gedacht: die Produzenten müssen schließlich ihre Unmengen an Rotkohl irgendwie loswerden.
In die gleiche Richtung gehen „Verkaufsförderungsaktionen“ wie „2 kaufen, nur 1 bezahlen“, was inzwischen bis zu einem „5 kaufen, nur 4 bezahlen“ ausgeufert ist, bei allem möglichen Produkten.
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Da greifen nicht nur „Sparfüchse“ zu, sondern erst recht Menschen in finanziellen Engpässen, Rentner, Arbeitslose, „HartzIV“-Empfänger, die schlicht und einfach dazu gezwungen sind, die billigeren Großmengen zu kaufen und eine ganze Menge davon in die Mülltonne zu werfen. Das Ganze hat System.
Doch diesen Menschen, denen gern vorgeworfen wird, sie würden „zu viel Geld vom Staat kassieren“, auch noch eine Mitschuld am Hunger in der Welt attestieren zu müssen, ist zynisch, wenn die Welthungerhilfe fordert „Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen“ und „bewusster damit umzugehen“.
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Angebracht wäre das dagegen sicherlich bei so genannten „XXL“-Speisen: von „XXL-Hamburgern“ mit einem Durchmesser von 30cm bis „XXL-Schnitzeln“ von mehr als 2 Kilo, genau so, wie bei einem Preis von gerade einmal 1 Euro für einen Standard-Fast-Food-Hamburger. Wenn eine „Ökosteuer“ angebracht ist, dann hier: als Aufschlag auf Produkte, für die Tiere glatt verramscht werden.
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Montag, 11. Oktober 2010

kranker Wohlstand.

Es geschehen doch noch Zeichen und kleine Wunder: Vergangene Woche fand in Berlin - von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt - ein Kongress erlesener Ökonomen und höchstwichtiger Wirtschaftsvertreter statt, um auszudiskutieren, wie sich „die Wirtschaft“ vielleicht doch ein wenig menschlicher gestalten lassen könnte ( was etwas platt formuliert ist, denn offiziell stand das so genannte „BIP“, das „Bruttoinlandsprodukt“ auf der Agenda ).
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Tatsächlich haben nämlich auch Ökonomen und Wirtschaftspraktiker inzwischen erkannt, dass das Wirtschaftssystem einige Macken hat. Zum Beispiel, dass der Begriff „Lebensstandard“ einzig und allein am materiellen Konsum einer Gesellschaft festgemacht wird – ob sich die Menschen dabei wohlfühlen, ob sie glücklich und zufrieden sind, oder sich aus Verzweiflung reihenweise vor einen Zug werfen, spielt keinerlei Rolle, wenn es darum geht, den „Wohlstand“ einer Nation zu beurteilen.
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Solche Begriffe wie „Wirtschaftswachstum“, „Wohlstand“ und „Reichtum“ werden also u.a. anhand des „Bruttoinlandsproduktes“ beurteilt. Also: an der Menge der Geldbewegungen. Also beispielsweise: Zahlungen im Rahmen von Rechtstreits (Anwalts- und Gerichtskosten, Bußgelder, etc) genauso, wie Zahlungen im Rahmen ärztlicher und klinischer Behandlungen. Das heißt: je mehr Zank und Streit und Gewalt unter den Menschen, und je kranker die Menschen sind, desto größer das Bruttoinlandsprodukt und das Wirtschaftswachstum und desto höher unser „Lebensstandard“.
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Diesen „ganz normalen“ blanken Unsinn wollten Experten auf ihrem Kongress in Berlin nun ausdiskutieren. Herausgekommen ist – wie zu erwarten war – nicht besonders viel. Man sieht sich mit dem scheinbar unlösbaren Problem konfrontiert, dass Begriffe wie „Lebensqualität“, „Zufriedenheit“, „Glück“, etc eben rein subjektive Ansichten sind, die sich nicht in „objektive, messbare“ Zahlen fassen lassen. Für diese Einsicht, die nichts weiter als eine Portion gesunden Menschenverstand erfordert, haben Experten nun eine Woche lang debattiert. Womöglich kam es dabei auch eher darauf an, dass jeder Fachmann seinen eminent wichtigen Vortrag halten konnte.
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Vorerst und zumindest bis zum nächsten Kongress dieser Art wird es also dabei bleiben, dass (u.a.) jede Depression, jeder Arztbesuch, jede Operation, jedes verkaufte Arzneimittel das Bruttoinlandsprodukt steigert, das Wirtschaftswachstum fördert und unserem allgemeinen Wohlstand dient: je kranker wir alle, desto besser.
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Übrigens: auf dem „Kongress der Zukunftswirtschaft“ im April in Berlin sprach Kanzlerin Angela Merkel davon, beim aktuellen wirtschaftlichen Aufschwung verstärkt auf die Gesundheitsbranche zu setzen. Gesundheitsminister Philip Rösler meinte auf der selben Veranstaltung, im Gesundheitssektor seien bereits rund 4,6 Millionen Menschen tätig und mit über 260 Milliarden Euro Umsatz sei die Gesundheitswirtschaft einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren: „Die Gesundheitswirtschaft wird weiter wachsen und als Jobmotor noch wichtiger“, sagte Rösler wortwörtlich, öffentlich und ungestraft.
Siehe oben: je kranker wir alle, desto besser. Und unsere Regierung möchte, dass das nicht nur so bleibt, sondern dass wir möglichst noch etwas kränker werden, dem Wachstum und dem „Jobmotor“ zuliebe.

Keine weiteren Fragen.
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Montag, 27. September 2010

Wachstumslogik für Einsteiger.

Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute rechnen in diesem Jahr 2010 mit einem Wirtschaftswachstum von rund 3,5 Prozent: das stärkste Wachstum seit 20 Jahren und damit quasi ein wahrer Konjunkturboom.
Dennoch wird man in Politik und Wirtschaft einfach nicht müde uns darauf hinzuweisen, dass „die Krise noch längst nicht überwunden“ sei – weshalb die Angestellten laut Arbeitgeberverbände bitteschön auf zwei Wochen ihres Jahresurlaubes verzichten sollten, damit „das Wachstum nicht gefährdet wird“, Konjunkturboom hin oder her.

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Das heißt: die Angestellten, die mit ihrer Arbeit und trotz der horrenden Unmenge an Urlaubstagen für das stärkste Wirtschaftswachstum seit 20 Jahren gesorgt haben, stellen eine Gefahr für dieses Wachstum dar, wenn sie so weiterarbeiten. Das ist ökonomische Wachstumslogik. Eine Logik, die wahrscheinlich auf der Annahme basiert, dass nicht Arbeiter und Angestellte für den Konjunkturboom verantwortlich sind, sondern die Manager in den Chefetagen. Und so ist es dann ebenso völlig logisch, wenn Arbeitnehmer sich bitte bescheiden und einschränken sollen, während sich Manager fürstlich entlohnen lassen, mit Bonuszahlungen in Millionenhöhe.
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Und diese Logik führt sogar noch weiter. Demnach ist es auch überhaupt nicht notwendig, die Arbeitnehmer am aktuellen Wirtschaftswachstum sonderlich teilhaben zu lassen, denn die „Reallöhne“ sind im letzten Quartal ohnehin „kräftig gestiegen“, wie es heißt. In zahlreichen Betrieben nämlich ist nun die Kurzarbeit ausgelaufen, weshalb dadurch, rechnerisch umgelegt auf sämtliche Arbeitnehmer, die „Reallöhne“ um 3,4 Prozent gestiegen sind, während die Verbraucherpreise lediglich um 1,1 Prozent anstiegen. Das macht dann unter dem Statistikstrich einen „kräftigen Reallohn-Anstieg“ von 2,3 Prozent – selbst wenn kein einziger Angestellter auch nur einen Cent mehr verdient als bisher.
Und noch viel logischer: Dieser errechnete „kräftige Reallohn-Anstieg“ bezieht sich auf den Vergleich der „Reallöhne“ von 2009 gegenüber denen von 2010. Dabei wird sehr elegant unterschlagen, dass die „Reallöhne“ seit 1990 über zwanzig Jahre hinweg um bis zu 50 Prozent gesunken sind.
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In diese ganze Wirtschaftswachstumslogik passt es dann auch wunderbar, dass die Bürger weiterhin nicht damit rechnen können, von der Politik finanziell-steuerlich entlastet zu werden, sonder eher im Gegenteil, und Angestellte weiterhin nicht damit rechnen können, am Konjunkturboom teilzuhaben, weil schließlich „die Krise noch längst nicht überwunden ist“, …während die Zahl der Vermögensmillionäre auf wundersame Weise in diesem Jahr auf eine neue Rekordzahl gestiegen ist – womöglich nicht trotz dieser scheinbar enorm hartnäckigen Krise, sondern gerade dadurch.
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berechnete Existenzsicherung.

Wieder einmal ist „HartzIV“ gerade wieder vorübergehend mediales Thema. Der Grund: Arbeitsministerin von der Leyen hat übers Wochenende am Regelsatz herumgerechnet, wie Anfang des Jahres vom Bundesverfassungsgericht verlangt. Herausgekommen dabei ist nun: Der Regelsatz wird um 5 Euro erhöht. Manchmal fragt man sich, ob unsere Volksvertreter nun „das Volk“ vertreten oder nur bestimmte Teile davon.
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Laut einer Umfrage ist die Hälfte „der Deutschen“ angeblich ohnehin dagegen, dass Bedürftige auch nur einen einzigen Euro mehr Geld bekommen sollten. Diese scheinbar rigorose Missgunst ist weniger verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass zwei/drei Tage lang ausgiebig medial Stimmung damit gemacht wurde, dass der bisherige Regelsatz u.a. auch kalkulatorische 7Euro52 monatlich für Alkohol- und 11Euro58 für Tabak-Konsum beinhaltete.
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Also: 19Euro10 für das hemmungslose Paffen und Saufen auf Staatskosten? So einfach lässt sich Stimmung machen. Mit derselben Fragwürdigkeit könnte man allerdings auch nun sämtliche „HartzIV“-Empfänger an den Pranger stellen, die weder rauchen noch Alkohol trinken, und trotzdem bisher den vollen Regelsatz kassiert haben, inklusive der 19Euro10, von denen sie eigentlich Bier und Zigaretten hätten kaufen sollten, und dieses Geld Monat für Monat für etwas ganz anderes verprasst haben. Ist das nicht glatter Sozialbetrug?
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Man hätte statt dieser Thematisierung natürlich auch diskutieren können, dass der bisherige Regelsatz auch 0,61 Euro, also 61 Cent(!), als monatlichen „Ansparbetrag“ für ein Kinderfahrrad beinhaltete. Mitsamt der Frage, was ein Kinderfahrrad eigentlich (selbst gebraucht bei „eBay“) denn so kostet, wie lange man dafür 61 Cent pro Monat „ansparen“ muss, nämlich ungefähr so lange, bis ein Kind inzwischen zum Jugendlichen geworden ist, und könnte dann nochmals eine Umfrage unter „den Deutschen“ starten.
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Andererseits: es geht ja schließlich um die bloße „Existenzsicherung“, wie gern hingewiesen wurde und wird. Und zur Sicherung der nackten Existenz sind wohl weder Alkohol und Tabak zwingend notwendig, erst recht kein Kinderfahrrad.
Dafür wird in Zukunft ein Internetanschluss anteilig vom Staat mitbezahlt ( auch für Bedürftige, die keinen Computer besitzen ) und kommt auf diese Weise dann doch eine kleine Erhöhung des Regelsatzes zustande.
Achja: und der Konsum von nicht-alkoholischen Getränken ist in dieser 5-Euro-Erhöhung auch noch berücksichtigt. Wie Ursula von der Leyen heute meinte: „HartzIV“-Empfänger können ja mehr Mineralwasser trinken statt teurem Orangensaft. Das stimmt. Und Toilettenpapier lässt sich schießlich auch mehrfach und beidseitig verwenden.
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Mittwoch, 18. August 2010

grundsätzlich ungebildet.

Und noch eine weitere Plastikkarte, die unsere digital-verchipte Welt bereichert: Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen lässt sich nicht davon abbringen, im kommenden Jahr eine elektronische „Bildungskarte“ einzuführen, zunächst ausschließlich für Kinder von Eltern, die „HartzIV“-Sozialleistungen beziehen.
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Wie meinte von der Leyen wörtlich: „Wir wollen mittelfristig bedürftigen Kindern eine elektronische Bildungs-Card mit einem persönlichen Bildungsguthaben geben“. Das heißt nicht nur durch die Blume, sondern (für eine Politikerin) ziemlich direkt: So, wie im Überwachungszeitalter jeder Bürger als potenzieller Krimineller dasteht, sind Kinder von Eltern, die Sozialleistungen beziehen, allesamt grundsätzlich potenziell ungebildet – ansonsten bedürften schließlich nicht allesamt grundsätzlich und ungeprüft eines „persönlichen Bildungsguthabens“.
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In einem so genannten „Bildungspaket“ sollen Kinder, deren Eltern „HartzIV“ beziehen, dann kostenfrei Lernförderung, Schulmaterial und Mittagessen in Schulkantinen bekommen, sowie die Möglichkeit, kostenfrei Musikschulen oder Sportvereine zu besuchen. Das geht dann alles „auf Karte“. Man könnte den Kindern natürlich auch gleich ein Schild um den Hals hängen: „Meine Eltern sind ‚HartzIV’-Bezieher und ich bin – deshalb – ungebildet“.
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Genau so dürfte das auch gedacht sein: Statt nämlich den Eltern etwas mehr Geld zu überweisen, wird den Kindern eine Chipkarte in die Hand gedrückt, und damit gleichzeitig eine Hemmschwelle installiert, die den Sozialetat nicht be-, sondern entlastet. Fraglos nämlich dürften sowohl Eltern wie auch Kinder ein gewisses Hemmnis haben, sich durch das Vorzeigen einer Karte als bedürftig, sogar als „bildungsbedürftig“ zu outen. Das „Bildungsguthaben“ wird also kaum von allen, denen man es zur Verfügung stellt, tatsächlich genutzt werden – und das wird dem Staat eine ganze Menge Geld sparen. Rein ökonomisch eine glänzende Idee.
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Der nächste Schritt ist gedanklich nicht weit entfernt: nachdem das „Bildungsguthaben“ auf der Karte aufgebraucht ist, muss der Chip schließlich wieder aufgeladen werden. Das soll durch die Sachbearbeiter in den Ämtern erfolgen, die ohnehin nichts anderes zu tun haben und sich über den Zulauf freuen werden. Dadurch wird allerdings überprüfbar, ob und wie oft ein Kind das gesetzlich verordnete Bildungsangebot in Anspruch nimmt – schließlich spricht Ursula von der Leyen von einem „persönlichen(!) Bildungsguthaben“. Und so könnte man den Eltern ganz persönlich eine Vernachlässigung vorwerfen, wenn zwei/drei Monate lang keine Aufladung des Kartenchips beantragt wird. Doch das ist natürlich nur blanke Theorie.
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Und wenn wir das weitergedacht haben, können wir uns der Frage zuwenden, warum eigentlich die Arbeitsministerin eine „Bildungs-Card“ mitsamt eines „Bildungspaketes“ einführt, und von der für Bildung zuständigen Bundesministerin Annette Schavan kein Sterbenswörtchen zu hören ist.
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Samstag, 31. Juli 2010

verdünnte Meinungsbildung. ( löchriger Sommer, Teil Eins )

Kurz bevor unsere Parlamentarier in ihren verdienten Sommerurlaub abreisten, haben sie uns noch einen kleinen thematischen Knabberimbiss dagelassen. Wie seit Monaten kaum anders zu erwarten, handelt es sich wieder einmal um eine kreative Idee zur Einsparung von Kosten: homöopathische Behandlungen sollen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen werden.
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Natürlich: wer davon ausgeht, dass jede homöopathische Behandlung nichts weiter ist als Lug und – vor allem – Trug, dessen Wirkung einzig und allein auf reiner Einbildung der Patienten beruht und das Ganze schließlich gar keine „richtige Medizin“ sei, der wird folglich auch zu der Ansicht neigen, dieser Schwindel solle keinen Tag länger von der Solidargemeinschaft finanziert werden. Eine ganz klare Angelegenheit. Deutlich weniger klar ist den meisten dagegen, warum sie überhaupt diese Meinung vertreten.
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Das wiederum wird etwas klarer, wenn man sich ansieht, wie in meinungsbildenden Massenmedien über Homöopathie berichtet wird. Wenn beispielsweise ein zwielichtiger Heiler mit schwebender Kristallkugel auf Titelblätter gedruckt und das Titelthema als „Die große Illusion“ deklariert wird, sodass man das Heft gar nicht erst kaufen muss, um sich – wortwörtlich: „im Vorbeigehen“ – eine dem entsprechende Meinung bilden zu können.
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Wagt man allerdings einen Blick in dieses seriöse Magazin, darf man erfahren, dass Homöopathie a) „auf dem Grundprinzip der Verdünnung“ basiere und b) auf der Annahme, dass Wasser ein Gedächtnis habe, was mit journalistischer Sorgfalt nicht besonders viel zu tun hat – außer natürlich, es wird sehr sorgfältig auf eine ganz bestimmte Meinungsbildung hingearbeitet.
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Mit einer ähnlich fragwürdigen Qualität könnte man so auch feststellen, dass jedes Thermometer nichts weiter ist als Humbug, Lug und Trug: Zeigt es dreißig Grad an und legt man es in den Kühlschrank, erwärmt sich der Kühlschrank nicht um ein einziges Grädchen. Das Quecksilber ist also völlig wirkungslos und reines Placebo.
Und wer das als Homöopathie-Kritiker nun so überhaupt nicht versteht, darf das als Anregung betrachten,sich vielleicht doch etwas kundiger zu machen, worum es dabei tatsächlich geht.
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einsamer Schaden. ( löchriger Sommer, Teil Zwo )

Die Wissenschaft hat uns zu einer weiteren gesicherten Erkenntnis verholfen: Einsamkeit wirkt sich ganz exact genau so schädlich aus, wie rauchen. Der Mensch als soziales Wesen ist auf zwischenmenschlichen Kontakt, auf Zuwendung, Freundschaft und Gemeinschaft angewiesen. Sonst wird er krank. Schwerkrank. Todkrank.
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Menschen, die an Vereinsamung und fehlenden sozialen Kontakten leiden, haben laut einer Studie von Forschern an der Brigham Young University im US-Bundesstaat Utah ein vergleichbar großes Krankheitsrisiko, als ob sie alkoholsüchtig wären. Einsamkeit ist demnach schädlicher als keinen Sport zu treiben, und doppelt so schädlich wie Fettsucht, und mindestens so schädlich wie der Konsum von 15 Zigaretten pro Tag.
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Und: was nun? Werden Fernsehgeräte ab sofort nur noch mit aufgeklebten Warnhinweisen „TV-Konsum kann zum Tod führen“ verkauft? Ist ein Volksbegehren zum „Vereinsamungschutz“ in Bayern zu erwarten, das Einzelpersonen den freien Zugang zu Gaststätten und öffentlichen Veranstaltungen verbietet?
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Und… was ist eigentlich mit einsamen Menschen, die keinen Sport treiben, fettsüchtig sind, Alkohol trinken und 15 Zigaretten pro Tag rauchen?
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Donnerstag, 24. Juni 2010

kopflos pauschali(si)ert.

Nach politischen Chaostagen und –wochen unserer Chaosregierung herrscht weiterhin Chaos. Diesmal herrscht es zwischen den Regierenden bei dem x-ten Versuch, das Gesundheitssystem doch noch irgendwie zu retten.
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Ende Januar verkündete Gesundheitsminister Rösler (FDP) drohend, er würde von der Einführung einer „Gesundheitsprämie“ von 20 oder 30 Euro pro versichertem Kopf (daher so genannt: „Kopfpauschale“) seine politische Zukunft abhängig machen – als würde ihn tatsächlich jemand auf diesem Posten vermissen.
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Im April (also: zufällig kurz vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen) dementierte Rösler, eine solche „Kopfpauschale“ einführen zu wollen, sondern es sei vielmehr die Einführung einer „einkommensunabhängigen Prämie“ geplant. Aha. Sowohl das eine wie auch das andere lehnte CSU-Chef Seehofer jedoch kategorisch ab. Zunächst erstaunlicherweise, da die EInführung einer „Kopfpauschale“ schließlich im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, doch inzwischen weniger erstaunlich, weil zwischenzeitlich auch im Falle umfassender Steuersenkungen auf den Koalitionsvertrag fröhlich gepfiffen wurde.
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Nach nunmehr also 8 Monaten regierungs-interner Verhandlungen zwischen FDP und CDU/CSU stehen mittlerweile sieben Krankenkassen vor der Pleite und droht im Gesundheitssystem ein Defizit von 11 Milliarden Euro im Jahr 2011.
Als Ergebnis dieser Verhandlungen kam am Wochenende heraus, dass der Bund wieder einmal 2 Milliarden Euro in das marode System pumpt, weitere 4 Milliarden sollen irgendwie (wie genau, das weiß man noch nicht) bei Pharmaindustrie, Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern eingespart werden, während der Rest von 5 Milliarden Euro – selbstverständlich – die Versicherten zahlen sollen.
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Das bedeutet, dass rein durchschnittlich jedes Kassenmitglied zusätzliche 8 Euro zahlen muss. Allerdings stehen einige Krankenkassen wirtschaftlich so gut da, dass sie darauf locker verzichten können. Während andere Kassen so miserabel dastehen, dass sie weit mehr als 8 Euro, nämlich bis zu 37,50 Euro, von ihren Versicherten fordern müssen, die sich daraufhin erwartungsgemäß woanders versichern und die betroffenen Kassen so noch weiter in Schieflage geraten werden.
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Also wieder einmal eine grandiose Leistung der regierend Verantwortlichen. Doch damit längst nicht genug. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das so genannte „Bürgerentlastungsgesetz“ in Kraft, wonach die Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung steuerlich voll absetzbar sind.
Das heißt: Auch die Zusatzbeiträge von zwischen 8 und 37.50 Euro, die die Versicherten zunächst einmal zur Rettung des Gesundheitssystems zahlen, kosten letztlich dem Staat die entsprechenden Steuereinnahmen in Höhe von geschätzten 600 Millionen Euro. Welch eine Logik. Und so kann dann auch im nächsten Jahr mit großem Erstaunen und Entsetzen festgestellt werden, dass das Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht und im Staatshaushalt Milliarden fehlen.
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Montag, 7. Juni 2010

frisch gestrichen.

Wenn es um Sparmaßnahmen geht, könnten sich vielleicht an erster Stelle einige Volksvertreter einige ihrer Stellungnahmen sparen – gerade bei Themen, von denen sie ganz offensichtlich weitaus weniger als die Hälfte verstehen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall und herausgekommen ist dabei „das größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik“. Einen Tusch bitte.
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Frisch gestrichen werden sollen also bei „HartzIV“-Empfängern etwa „Leistungen, die nicht dazu dienen, die Menschen wieder in Arbeit zu bringen“. Das ist eine interessante Angelegenheit. Denn Menschen, denen das Existenzminimum zugestanden wird, erhalten vom Staat – das sagt der Begriff deutlich aus – das Minimum zur Existenzsicherung. Was sind bei einem Minimum dann Leistungen, die nicht dazu dienen, arbeitslose Menschen wieder in Arbeit zu bringen? Die Miete vielleicht? Na, sicher: Was trägt der staatliche Mietzuschuss bitteschön dazu bei, dass Arbeitslose wieder Arbeit finden? Eben. Also: streichen. Oder wie ist das gemeint?
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Und wie ist das eigentlich bei Senioren, deren Rente nicht ausreicht, um den Monat finanziell zu überleben und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind? Wie ist das bei krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Menschen? Wie ist das bei der eine Million Über-50-jährigen, die auf diesem Arbeitsmarkt kaum Chancen haben und bei den rund 700.000 alleinerziehenden Müttern, die Kanzlerin Merkel explizit hervorgehoben hat? Leistungen kürzen! Rigoros. Alles pauschal streichen, was nicht dazu dient, diese Menschen wieder in Arbeit zu bringen, selbst wenn das in den meisten dieser Fälle kaum möglich sein dürfte, und bei mitbetroffenen Rentnern völlig sinnlos ist.
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Im Gegenteil werden auch solche Leistungen eingespart, die hilfreich wären, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Ein paar zusätzliche Euro etwa, um Passfotos für Bewerbungen machen lassen zu können, vielleicht auch für einen monatlichen Frisörbesuch, um auf den Passfotos einen ordentlichen Eindruck zu machen, vielleicht auch für Briefmarken, um die (ggf.: etlichen) Bewerbungen denn auch abschicken zu können. Auch das wird (weiterhin) eingespart und werden Arbeitsuchende von ihrem nochmals gekürzten Existenzminimum abknapsen müssen. Irgendwie.
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Parallel zu diesem großartigen „Sparpaket“ soll das Gesundheitssystem, das pathologisch am Rande des Kollaps steht, demnächst durch eine zusätzliche „Kopfpauschale“ von zwanzig oder dreißig Euro finanziert werden – ein Betrag, den „HartzIV“-Empfänger von ihrem mutmaßlich nochmals gekürzten Existenzminimum dann erst recht nicht aufbringen können werden, und der deshalb in Milliardenhöhe vom Staat gezahlt werden wird.
Das gleicht sich wunderbar damit aus, auf alleinerziehende Mütter einen obligatorischen Arbeitszwang auszuüben, und ihnen dafür die notwendige Kinderbetreuung staatlich finanzieren müssen.
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Was für eine bestechende Logik. So sieht der von der Regierung selbstbejubelte „Kraftakt“ aus, als Ergebnis einer fast elfstündigen Nachtsitzung. Wobei Angela Merkel am Sonntag noch vorsorglich verkündete, es hätte niemand vor, an der „Sozialen Marktwirtschaft“ zu rütteln. Womöglich jedoch wäre genau das angebracht: zumindest ein wenig daran zu rütteln, um mit einer anderen Logik auf andere Ideen zu kommen, die ausnahmsweise echte Lösungen ermöglichen.
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Und ansonsten? Was ist das Signal, das von höchster Stelle ausgeht? Wir müssen „sparen, sparen, sparen“. Wenn das noch ein paar Mal wiederholt wird, bis es auch der Letzte gehört hat, dann kann in Kürze über die „Kaufzurückhaltung“ der Konsumenten gejammert werden, die den Konjunkturmotor lahmlegt, die Steuereinnahmen wegbrechen lässt und ein neues Sparpaket erfordert.
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Dienstag, 1. Juni 2010

wie geölt.

Der britische Ölkonzern BP ist auch mit dem x-ten Versuch gescheitert, die auf dem Meeresgrund sprudelnde Ölquelle abzudichten. Noch nicht einmal geschredderte Golfbälle, die man in das defekte Steigrohr pumpte, haben geholfen. Das Öl läuft, und läuft und läuft. Bislang angeblich mindestens 75 Millionen Liter, die sich seit dem 20. April mittlerweile im Golf von Mexiko verteilen, Tiere töten und Vegetation zerstören. Ein Ende ist nicht absehbar.
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Ein Sprecher von BP meinte gestern Abend gegenüber dem US-amerikanischen Nachrichtensender CNN: „Wir kämpfen pausenlos gegen das Öl und werden nicht ruhen, bis wir die Katastrophe in den Griff bekommen haben“. So etwas nennt man „agentic shift“: eine rhetorische Verschiebung der ursächlichen Kraft. Das Leck, das durch eine Ölbohrung entstanden ist, eine Katastrophe, für die Menschen verantwortlich sind, wird sprachlich unauffällig gleichgesetzt mit einer Art „Naturgewalt“, der man ausgeliefert sei, mit einem Hurrikan, einem Tsunami, einem Vulkanausbruch – und BP kämpft als unbeugsamer Streiter dagegen an. Da fehlt nur noch, dass sich BP selbst als Weltretter hinstellen wird, wenn das Leck irgendwann abgedichtet sein wird.
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Wie heute zu erfahren war, hat BP das Ganze inzwischen rund 1 Milliarde Dollar gekostet. Schön zu wissen, dass man die Zerstörung der Welt auch aus abgehobener, rein ökonomischer Sicht betrachten kann. Wirtschaftswissenschaftler werden diese glänzende Gelegenheit sicher nutzen, um daraus hochzurechnen, wie viel Geld es kosten würde, den gesamten Planeten zu zerstören, und welche Steuern dafür erhöht werden müssten.
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eingelullt in schwarz-rot-gold.

Denken Sie einmal 4 Jahre zurück: Gesundheitsministerin Ulla Schmid präsentierte ihr Konzept für die Große Gesundheitsreform. Und zwar am Tag des Eröffnungsspiels der Fußball-WM 2006. Zwei Tage später stellte Finanzminister Peer Steinbrück die Eckpunkte der Unternehmenssteuerreform vor, in deren Rahmen große Kapitalgesellschaften bis zu 12% weniger Steuern zahlen sollten, finanziert durch eine Anhebung der Gewerbesteuer, zu Lasten von Kleinbetrieben. In den Folgetagen wurde verkündet, dass die Förderalismusreform, durch die der Bund einige Milliarden Euro einsparen wollte, leider gescheitert sei. Alles das hatte damals kaum jemand bemerkt, weil ganz Deutschland im Trubel des „Sommermärchens“ damit beschäftigt war, in bester Feierlaune Fähnchen zu schwenken.
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In 10 Tagen ist es wieder so weit: vier Wochen lang Fußball-WM. Vier Wochen lang Zeit für die Politik, vergleichsweise unauffällig zu agieren – zumindest jedoch, so lange das deutsche Team mitspielen darf.
Diesmal allerdings hat die heiße Phase etwas früher begonnen, weil nach 28 Jahren wieder eine Deutsche den europäischen Liedermacherwettbewerb gewonnen und dadurch eine kleine nationale Euphoriewelle ausgelöst hat. Eine Euphoriewelle, die noch nicht einmal künstlich bis zum WM-Start am 11. Juni gestreckt und gedehnt werden musste, wie zu befürchten war.
Denn gestern quetschte sich der bisherige Bundespräsident mit seinem Rücktritt in die Schlagzeilen und drängte damit sehr abrupt und sehr frühzeitig die „Lenamania“ in die Niederungen der Rand- und Nebenmeldungen.
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Termingerecht zum Abschluss der Achtelfinalspiele der Fußball-WM am 29. Juni wird einen Tag später das neue Staatsoberhaupt gewählt und werden wir bis dahin mit zwei brandheißen Themen parallel dauerbeschäftigt. Mindestens bis dahin lohnt es sich, das Treiben der Regierenden etwas genauer zu beobachten, das in dieser Zeit nur am Rande erwähnt werden wird; womöglich nur im Videotext auf Seite 172.
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Montag, 31. Mai 2010

gedanklich auf Sparflamme.

Finanzminister Schäuble sieht angesichts der prekären Bundeshaushaltslage „Belastungen auf alle Bürger zukommen“, wie es heißt, und meinte kürzlich: „Von der Sanierung der Staatsfinanzen profitieren alle, wenn wir das vernünftig machen. Deshalb werden auch alle Bürger in einem für sie zumutbaren Maße dazu beitragen müssen“. Aha. Wenn also alle Bürger belastet werden, dann hat jeder etwas davon. Eine Feststellung, die die Logik der aktuellen Politik nahezu perfekt widerspiegelt.
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Schäuble ist auf der Suche nach Einsparpotenzial und hat welches gefunden: wie üblich und kaum anders zu erwarten bei Bevölkerungsgruppen mit wenig oder gar keiner Lobby, bei Rentnern und „Hartz IV“-Empfängern. Wo auch sonst?
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„Sonst“ könnte man beispielsweise irgendwo in den eigenen Reihen danach suchen – und finden. Vor der Bundestagswahl nämlich sprachen Unionsparteien und FDP nicht nur von Steuersenkungen, sondern auch von einem Bürokratieabbau (die FDP in ihrem „liberalen Sparbuch“), um unnötige Kosten einzusparen. Wie auch bei den Steuersenkungen passierte allerdings auch hierbei das glatte Gegenteil:
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Zunächst einmal hat Guido Westerwelle die Budget-Position „Bezüge des Bundesministers und der Staatssekretäre“ in seinem Auswärtigen Amt um € 32.000,- angehoben. Im gleichen Handstreich haben die Regierungsparteien etliche neue Abteilungen und Referate eingerichtet: Der Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel etwa sah die zwingende Notwendigkeit, eine neue „Stabsstelle für die Reform der Entwicklungsorganisation“ einzurichten. Arbeitsministerien Ursula von der Leyen veredelte ein paar so genannte „Leitungsstäbe“ zu „Leitungsabteilungen“, wodurch die darin tätigen Beamten eine Besoldungsstufe aufsteigen und richtete dazu noch eine Unterabteilung „Kollektives Arbeitsrecht“ ein. Auch Umweltminister Röttgen hat in zwei neuen Leitungsstäben ein paar neue Stellen geschaffen, Verkehrsminister Ramsauer schuf 9 Abteilungen, erhöhte die Zahl der Unterabteilungen auf 23 und erfand 9 zusätzliche Referate, von denen eines, nämlich das „Referat für ländliche Infrastruktur“, völlig überflüssig ist, weil die Zuständigkeit dafür komplett bei den Kommunen liegt.
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Laut dem Bund für Steuerzahler läge übrigens das Einsparpotenzial des Bundes in den Verwaltungskosten bei rund 1,7 Milliarden Euro. Dafür sollte eine Sparvorschrift sorgen, die im Jahr 1998 von der damaligen Regierung erlassen wurde, und wonach die Personal- und Verwaltungskosten jedes Jahr um 0,6% gesenkt werden sollten. Doch diese Sparvorschrift wurde von der aktuellen Regierung kurzerhand außer Kraft gesetzt.
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Wie meinte Schäuble: zur Sanierung der Staatsfinanzen werden „alle Bürger in einem für sie zumutbaren Maße beitragen müssen“. Alle Bürger. In einem zumutbarem Maße. Angefangen wird allerdings erst einmal bei Rentnern und Empfängern des Existenzminimums und dann wird –für alle – der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7% abgeschafft und werden rund 50 Produktgruppen demnächst – für alle – um 12% teurer. Über Leitungsabteilungen, Unterabteilungen, Stabsstellen und Referate wird dann später irgendwann gesprochen. Laut Schäuble: nächstes Jahr.
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Donnerstag, 20. Mai 2010

verkochte Verhältnisse.

Roland Koch. Mit diesen beiden Worten ist eigentlich schon alles gesagt. Was jedoch nicht ausschließt, dass es sich nicht noch erweitern ließe. Der eigentlich-abgewählte-und-dann-doch-wieder-Ministerpräsident von Hessen lässt dafür jedenfalls kaum eine Gelegenheit aus.
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Angesichts der bekannten Finanzlöcher im Bundeshaushalt müsse laut Koch noch ein bisschen mehr gespart werden. Zum Beispiel beim Ausbau von Kinderkrippen und bei Investitionen in Hochschulen und in der Forschung. Sogleich wurde er von seiner Parteichefin Merkel gerüffelt und zurechtgewiesen, die Bildungspolitik sei dafür zu wichtig, um auch hier noch zu sparen.
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Roland Koch jedoch fühlte sich unverstanden und legte deshalb noch ein wenig nach. Womöglich, weil er aus persönlicher Erfahrung weiß, wie man auch mit etwas weniger Bildung im Leben etwas erreichen kann. Und so forderte Koch in einem „SPIEGEL“-Interview „Sparmaßnahmen in gewaltiger Größenordnung“, denn „Wir leben in dramatischer Weise über unsere Verhältnisse“.
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Aha. „Wir“ also. Wer genau „Wir“ ist, bleibt in einer solchen Feststellung und in einem solchen Interview meist ebenso ungeklärt, wie die Frage, was genau eigentlich „die Verhältnisse“ sind(?), geschweige, was und wo dieses „Darüber“ ist.
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Womöglich meinte Roland Koch mit „unseren Verhältnissen“ auch den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, der von zwei Dritteln unserer Bundestagsabgeordneten beschlossen und für den Baukosten in Höhe von 480 Millionen Euro aus der Staatskasse bewilligt wurden.
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Dummerweise wird dieses Projekt nun etwas teurer. Die zwingend notwendige Kuppel auf dem Schloss wird mit zusätzlichen 15 Millionen veranschlagt, weitere 25 Millionen für Portale und Treppenhäuser. Bundesbauminister Ramsauer will deshalb nun eventuell „vorerst“ gänzlich auf die Fassade verzichten, die man schließlich irgendwann später stückchenweise nacharbeiten könne, je nach Finanzlage. So lange hätte man eben mitten in Berlin einen „Betonklotz“ stehen, wie das vom CDU-Bundestagsabgeordneten Dirk Fischer genannt wurde.
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Ein Betonklotz für 480 Millionen Euro, der irgendwann ein neues Berliner Stadtschloss werden soll. So viel zu der Frage, was „die Verhältnisse“ sind, in denen „wir“ leben. Dafür muss man eben in anderen Bereichen „Sparmaßnahmen in gewaltigen Größenordnungen“ treffen. Bei Kinderkrippenplätzen, bei Hochschulen und in der Forschung. In jedem Fall: dadurch schafft man andere Verhältnisse. Ganz sicher, Herr Koch.
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Dienstag, 11. Mai 2010

politisch verdrossen, Erster Akt

Rein pädagogisch kann man zwischen Lern-Unfähigkeit und Lern-Unwilligkeit unterscheiden. Rein politisch dagegen muss man langsam Zweifel haben, welches von beiden unter erwachsenen Politikern dominiert, oder ob wir es hier eventuell mit einem völlig anderen Phänomen zu tun haben.
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41% der Wahlberechtigten blieben bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am letzten Sonntag lieber zu Hause. Mit welcher Begründung? „Ist doch egal, wer regiert. Es ändert sich doch sowieso nichts“. So oder ähnlich klangen ein paar Kommentare bei einer kleinen Umfrage in der Duisburger Innenstadt. Das nennt man wohl „Politikverdrossenheit“. Wie sie zustande gekommen ist, und warum sie weiterhin herrschen wird, lässt sich nun auch im Rahmen dieser Landtagswahl beispielhaft erfahren.
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Noch am Abend des Wahlsonntags meinte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der gegenüber 2005 satte 10% weniger Stimmen bekam: „Ich trage die Verantwortung. Und ich will sie auch tragen“. Aha. Und wie sieht das genau aus? Rüttgers tritt von allen Ämtern zurück. So wurde das jedenfalls allgemein interpretiert. Jedoch: im Gegenteil.„Seit gestern Abend wissen wir, dass die CDU die stärkste politische Partei im Land ist. Auch wenn es nur 6200 Stimmen sind, auch das ist eine Mehrheit. Ich werde mich dieser Verantwortung stellen sowohl als Ministerpräsident und als Landesvorsitzender“.
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So sieht das aus, wenn ein Politiker davon spricht, Verantwortung zu tragen. Einem 10%-igen Stimmenverlust und dem schlechtesten Wahlergebnis, das er für seine Partei bislang in Nordrhein-Westfalen eingefahren hat, zum Trotz.
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Und die SPD? Auch diese Partei ihrerseits mit dem historisch schlechtesten Ergebnis, dass sie jemals in Nordrhein-Westfalen erreicht hat. Jedoch: es wurde gejubelt! „SPD außer Rand und Band“ hieß es in einer Überschrift. Mehr noch: auch Hannelore Kraft, die hierfür verantwortlich ist, pocht auf dem Führungsanspruch und will nun bitte die Ministerpräsidentin werden. Wie es scheint: egal wie, irgendwie wird sich das schon machen lassen, auch wenn der amtliche Wahlsieger die CDU ist.
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Und die FDP? Fünf Jahre als Juniorpartner an der Seite der CDU signalisiert man heute, gerade zwei Tage nach der Wahl, die Bereitschaft zur Teilnahme an einer SPD-geführten „Ampel“-Koalition. Zu einem solch wendigen Umdenken sind Politiker offenbar nur kurz nach Wahlen in der Lage. Und da wird die FDP, die fünf Jahre lang die Politik einer CDU mitgeführt hat, und bei entsprechendem Wahlausgang auch weitere fünf Jahre die Politik einer CDU mitgetragen hätte, nun eben eine andere Politik neben SPD und Grünen mitführen. Was soll’s? Es sei denn: das ist tatsächlich im Grunde schnurz, weil die Unterschiede unerheblich sind.
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Man fühlt sich unweigerlich in possenhafte Zeiten von Schröder und Ypsilanti zurückversetzt. Unter Politikern scheint man daraus nichts gelernt zu haben. Der politikverdrossene Bürger dagegen lernt jedes Mal aufs Neue, warum er mit seiner Politikverdrossenheit völlig richtig liegt.
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politisch verdrossen, Zweiter Akt

Gestern, am Montag nach dem „Wahldebakel“ der CDU in Nordrhein-Westfalen, erklärte Kanzlerin Merkel im Rahmen einer CDU-Präsidiumssitzung, Steuersenkungen seien „auf absehbare Zeit nicht umzusetzen“. Auf Nachfrage meinte Merkel, Steuererleichterungen sind zumindest für zwei Jahre, „für die Haushalte 2011 und 2012“ nicht machbar. Und, so Merkel weiter:„Das, was ich gesagt habe, weiß auch Herr Westerwelle. Wir haben darüber gesprochen, wie ich die Dinge sehe“. Einigkeit darüber herrsche auch mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer.
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So, so.
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Medienmeldung vom 26.10.2009
FDP pocht auf Einhaltung des Koalitionsvertrags
"Das ist keine Wunschliste. Es ist ein Vertrag", sagte die neue Fraktionschefin Birgit Homburger zu der Kritik an den Steuersenkungsplänen. "Wir werden das genauso umsetzen."

Medienmeldungen vom 22.09.2009
Seehofer: Keine Koalition ohne Steuersenkung
Der Chef der bayrischen CSU, Horst Seehofer, hat eine Senkung der Einkommensteuer schon im Jahr 2011 angekündigt. Über das Volumen werde noch diskutiert, sagte Seehofer am Montag in München. Dennoch stehe bereits fest: "Eine Senkung der Einkommensteuer wird stattfinden.".
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CSU-Chef Seehofer nennt "verbindliche Steuersenkungen" als Bedingung für Schwarz-Gelb.
"Ich werde keine Koalitionsvereinbarung unterschreiben, die keine Steuersenkung beinhaltet. Als Termine dafür stehen 2011 und 2012“.
Auf Nachfragen fügte der bayerische Ministerpräsident nach einer CSU-Vorstandssitzung hinzu, "dass das Jahr 2011 in jedem Fall mit einer Steuerentlastung dabei ist. Es wird kein Wortbruch stattfinden", betonte Seehofer.
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Dienstag, 4. Mai 2010

elektrisch aufs Eis gelegt.

Bis zum Jahr 2020 sollen etwa 1 Million Elektroautos in Deutschland herumfahren. Das ist nicht nur das enorm ehrgeizige Ziel der „Initiative Elektromobilität“ der Bundesregierung, sondern das beschwörte Kanzlerin Angela Merkel auch noch einmal am Wochenende beim ersten so genannten „E-Mobil-Gipfel“ in Berlin.
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Etwas dumm allerdings, dass man auch bei noch so angestrengter Vision nicht in die Zukunft sehen kann. Hätte unsere Regierung schon etwas früher gewusst, dass sie die nächsten paar Jahre um die 25 Milliarden Euro jährlich nach Athen überweisen müssen wird, hätte man die „Initiative Elektromobilität“ vielleicht gar nicht erst gestartet und auch diesen „Ersten E-Mobil-Gipfel“ noch rechtzeitig absagen können.
So jedoch waren die hochkarätigen Vertreter der Automobilindustrie, die Vorstandsvorsitzenden von BMW, Daimler und Volkswagen plus zahlreicher Vorstandsmitglieder, sowie Lobby-Vertreter der Industrie bereits eingeladen und ZDF-Nachrichtensprecher Steffen Seibert bereits als Moderator der Veranstaltung engagiert, und außerdem wollte wahrscheinlich niemand auf das Festbankett am Ende des Abends in elitärer Runde verzichten.
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Ansonsten nämlich sieht es fast so aus, als ob dieser erste „E-Mobil-Gipfel“ auch der letzte gewesen sein könnte. Ansonsten nämlich – außer dass einige wichtige Menschen öffentlichkeitswirksam nett miteinander plauderten – wurde (von Merkel am Rande erwähnt) so einiges eingestampft. Zum Beispiel staatliche Fördermittel für die Autobauer in Höhe von 500 Millionen Euro und eine Kaufprämie von je 5.000 Euro für jeden Bürger, der sich ein Elektroauto zulegt. Beides auf Eis gelegt, weil das Geld dafür nach Griechenland fließt.
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Ein ganz anderes Problem, das der vorgeplanten Vision etwas im Weg stehen könnte, dürften die zwangsläufigen Verwicklungen im Straßenverkehr sein, wenn eine Million Elektroautos durch die Städte fahren, und jedes sein Verlängerungskabel hinter sich her zieht. Denn so innovativ der (Fort-?) Schritt vom Ottomotor zum Elektromobil vielleicht auch scheinen mag, das Kernproblem verlagert sich nur und das Folgeproblem ist dasselbe: Geht in den nächsten paar Jahren das Erdöl als Rohstoff für Benzin zur Neige, so wird für die Batterien von Elektromotoren Lithium benötigt, ein ebenfalls endlicher Rohstoff. Vom Erdöl zum Lithium, vom Regen in die Traufe.
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Eine noch ganz andere Idee ist, dass das Ganze ohnehin nur zum Schein stattfindet und niemals tatsächlich wirklich beabsichtigt war, verbrennungsmotorisierte Fahrzeuge jemals durch Elektroautos zu ersetzen, weil in Fachkreisen längst bekannt ist, dass das gar nicht nötig ist, weil in Fachkreisen längst bekannt ist, dass uns das Erdöl gar nicht ausgehen wird, weder in zwanzig Jahren noch in fünfzig oder einhundert.
Wenn das so wäre, dann bliebe von der ganzen elektromobilen Diskussion nur noch der Klimaschutz als Argument für eine neue Antriebstechnologie übrig. Andererseits werden schließlich auch die Zweifel an der gängigen „Klimawandel“-Theorie immer lauter.
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Freitag, 30. April 2010

Schlagloch oder Shanghai.

Vielleicht erinnern Sie sich noch grob: knapp drei Wochen ist die große Aufregung her, dass die ohnehin am Rande der Pleite stehenden Kommunen mit „gigantischem Kostenaufwand“ alte gegen neue Verkehrsschilder austauschen sollten. Ein paar Tage später wurde diese Diskussion recht unauffällig ausgeweitet auf Schlaglöcher. Inzwischen ist weder das eine noch das andere mehr ein Thema.
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Wie war das also noch: vor knapp drei Wochen begannen die Kommunen Verkehrsschilder auszutauschen. Alte Schilder gegen neue Schilder. Wobei der Unterschied zwischen alt und neu nicht für jeden offen(-)sichtlich war. Zum Teil ging es um alte Schilder, auf denen scheinbar eindeutig männliche Figuren (mit Hut) und scheinbar eindeutig weibliche Figuren (mit Rock, mit Zopf) abgebildet sind.
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Beispielsweise ist auf dem alten Verkehrsschild, das auf einen Zebrastreifen hinweist, ein stilisierter Mensch mit Hut abgebildet. Im Zeitalter der Gleichberechtigung birgt ein solches Schild natürlich die Gefahr des Missverständnisses, dass ein Überqueren der Straße nur Männern erlaubt sei, also eine potenzielle Verkehrsgefährdung. Das ist etwas weniger amüsant als es vielleicht klingt. Denn tatsächlich erklärte eine „Gleichstellungsbeauftragte“ gegenüber „SPIEGEL-TV“, das alte Schild „Vorsicht, Kinder!“, auf dem eine Person mit Zopf (also: augenscheinlich eine Frau) abgebildet ist, sei „in der heutigen Zeit nicht mehr tragbar. Es könne ja auch einmal ein Mann mit Kind unterwegs sein und nicht nur die Frau“. Auch bei diesem Schild besteht also akute Verkehrsgefährdung und Handlungsbedarf.
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Das darauf folgende mediale Getöse um die unnötigen Kosten von einigen Millionen Euro, die der Schilderaustausch produziert, sorgte dafür, dass Bundesverkehrsminister Ramsauer die Aktion als doch nicht ganz so dringlich einstufte. Viel wichtiger sei es, dass die Kommunen dieses Geld für die Ausbesserung von Schlaglöchern verwenden könnten.
Man möge sich bei Gelegenheit einmal bewusst machen: So weit ist es schon gekommen, dass entweder Verkehrsschilder ausgetauscht oder Schlaglöcher ausgebessert werden können. Also: Entweder, Oder. Beides ist für Kommunen heute unmöglich finanzierbar.
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Was das nun mit Shanghai zu tun hat? Ab dem 1. Mai bis zum 31. Oktober findet in Shanghai die „EXPO“ Weltausstellung statt. Der Stand, an dem sich Deutschland der Welt präsentiert, hat 50 Millionen Euro gekostet. Man muss eben Prioritäten setzen. Und um in Shanghai einen guten Eindruck zu machen, nimmt man doch gern schon einmal ein paar Schlaglöcher und Stoßdämpferschäden in Kauf. Oder?
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P.S.: achso... und die staatliche Lottogesellschaft Rheinland-Pfalz will sich übrigens mit 3 Millionen Euro daran beteiligen, dass der Fußballer Miroslav Klose von Bayern München zum pfälzischen FC Kaiserslautern wechselt. Aber das lässt sich aufgrund der vergleichsweisen "Peanuts"-Summe wohl vernachlässigen. Das entspräche schließlich gerade einmal 20.000 Verkehrsschildern oder 20.000 ausgebesserten Schlaglöchern.
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Donnerstag, 29. April 2010

Murmeltier-Tag.

Kaum scheint die globale Finanzkrise überwunden und alles wieder gut zu werden, breitet sich eine globale Finanzkrise aus, in der alles wieder schlechter wird. „Guten Morgen! Es ist Murmeltier-Tag“.
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Einige Banken haben griechische Staatsanleihen gekauft und dem in die Staatspleite stolpernden Griechenland eine Menge frisches Geld in die Haushaltskasse gespült. Positiv formuliert. Derselbe Sachverhalt lässt sich auch negativ formulieren: Banken haben dafür gesorgt, dass sich Griechenland dadurch noch höher verschuldet, und noch höher und noch ein bisschen höher.
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Die selben Banken, die Griechenland auf diese Weise dem Staatsruin entgegen schubsen, wetten an der Börse darauf, dass Griechenland über kurz oder lang Pleite sein wird. So etwas nennt man ein „todsicheres Geschäft“. Und damit das Ganze etwas schneller geht, streut man entsprechende Gerüchte über eine drohende Staatspleite Griechenlands, sodass immer mehr Spekulanten darauf wetten, Griechenland daraufhin den letzten Rest an Kreditvertrauen verliert, sich daraufhin auch die letzten paar Geldgeber zurückziehen und Hellas schließlich tatsächlich vor dem Ruin steht.
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Eine kapitalistische Meisterleistung, die offenbar so wunderbar funktioniert hat, dass exact dasselbe nun mit Portugal und Spanien getrieben wird. Immerhin meint der Chef-Volkswirt der Commerzbank in diesem Zusammenhang: „Fair ist das nicht“.
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Und nun?
Wo sich doch kürzlich noch die regierende Mehrheit im Bundestag freute, dass die globale Finanzkrise fast schon überwunden ist, dass der Aufschwung praktisch an der nächsten Ecke wartet und schon freundlich winkt, wird Deutschland zur wirtschaftlichen Rettung Griechenlands angeblich um die 25 Milliarden Euro beisteuern müssen. Jährlich. Mindestens.
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Und dann?
Dann stellt sich die Frage, wie Deutschland eigentlich mit seiner noch vor kurzem lang und breit diskutierten Rekordverschuldung diese Milliarden auftreiben wird. Man könnte sich dieses Geld natürlich bei Banken leihen, die dann an der Börse wetten, wie schnell Deutschland in die Pleite schlittert, siehe oben.
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Da wird man jedoch wohl eher (oder: zusätzlich) dem deutschen Steuerzahler auf irgendeine Weise plausibel erklären, warum er für die Rettung Griechenlands aufkommen muss, und wie bei der letzten Finanzkrise ein weiteres Mal für den Schaden zahlen wird, den Banken und Spekulanten angerichtet haben.
Eine Woche später, wenn dem deutschen Steuerzahler das plausibel erklärt wurde, stellt sich Guido Westerwelle vor die Presse und macht die „HartzIV“-Empfänger dafür verantwortlich, weil sie einen „anstrengungslosen Wohlstand“ genießen: „Guten Morgen! Es ist Murmeltier-Tag“.


Samstag, 24. April 2010

keine Rosen aus Kenia.

Nun hat sich das allgemeine Getöse um den Ausbruch des Eyjafjallajökull-Vulkans auf Island wieder beruhigt. Und so kann man mit beruhigendem Abstand feststellen, was hier eigentlich passiert ist, wie ein vergleichsweise kleines Vulkänchen für ein vergleichsweise ziemlich großes Durcheinander gesorgt hat – in hochtechnisierten Gesellschaften, die ansonsten meinen, alles unter Kontrolle zu haben.
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Wie war das noch im August 2002, beim damaligen „Jahrhundert-Hochwasser“, als der damalige Kanzler Schröder die Ärmel und Hosenbeine hochkrempelte, und sich in Gummistiefeln stapfend die verwässerte Lage vor Ort ansah.
Die aktuelle Kanzlerin Merkel dagegen musste auf ihrem Rückflug aus den USA in Lissabon landen und per Zug und Auto quer durch Europa gondeln. Die Medien vergnügten sich an Merkels „Irrfahrt“: eine verirrte Regierungschefin mitten in der Katastrophenlage - tagelang gab es keine Rosen aus Kenia zu kaufen, keine Mangos aus Thailand, keine Ananas aus Costa Rica.
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Aber nein. Diese Ironie ist unzulässig. Schließlich gibt es eminente Unterschiede zwischen einer Flutkatastrophe mitten im eigenen Land und einem Vulkanausbruch in Island, der uns lediglich insoweit und nur so lange interessiert, wie er unser gewohntes Leben durcheinander bringt: 5 Tage lang herrschte absolutes oder weitgehendes Flugverbot, weil der Wind die Aschewolken des Vulkans über halb Europa ziehen ließ.
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Und was ist das einzige Thema? Die Kosten. Die Fluggesellschaften sprechen von einem Verlust von rund 1,5 Milliarden Euro durch die Flugverbotstage. Dabei wäre es nicht nur korrekter, von „entgangenem Gewinn“ statt „Verlust“ zu sprechen, sondern es würde auch einsichtiger machen, was abgesehen von irgendwelchen Kosten hier stattgefunden hat.
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Die Fluggesellschaften nämlich haben weder betriebswirtschaftlich noch überhaupt damit kalkuliert, aus irgendwelchen Gründen 5 Tage lang keinen Gewinn zu machen. Natürlich: „Passieren kann immer etwas“, wie man so schön sagt, Unfälle, Unwetter, Katastrophen, Terroranschläge, alles mögliche, aber es rechnet(!) letztlich doch niemand damit – im doppelten Sinne des Wortes. Das ist eine hochinteressante Angelegenheit.
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Und das betrifft auch den einzelnen Geschäftsreisenden und Urlauber, der nicht auf direktem Flugweg nach Deutschland zurückkehren konnte. Wie es heißt, musste jemand von Bangkok aus die Heimreise auf eigene Faust antreten, was ihn ungeplante € 3.000,- kostete – und der nun überlegt, wer ihm diese Kosten erstattet. Vielleicht sollte man einfach einmal nachsehen, wem dieser Vulkan eigentlich gehört, um so etwas wie „Besitzhaftung“ geltend zu machen. Mit einem guten Anwalt kann man dem Staat Island sicherlich zumindest eine Fahrlässigkeit und Mitschuld ankreiden.


Donnerstag, 1. April 2010

testweise im Bilde.

Wir haben uns alle daran gewöhnt: ein Fernsehprogramm rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche und 365 Tagen im Jahr, pausenlos auf unzähligen Kanälen. Das ZDF jedoch will ab heute (im wahrsten Sinne) ein Zeichen setzen und sendet ab sofort jeweils ab Mitternacht wieder das traditionelle Testbild, unterlegt mit Waldgeräuschen.
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Als öffentlich-rechtlicher Fernsehsender, der schließlich auch einen Bildungsauftrag und eine sozial-gesellschaftliche Verantwortung habe, will man beim ZDF das Nachtprogramm komplett streichen, statt mit TV-Seifenopern und Wiederholungen zwanghaft ein Rund-um-die-Uhr-Fernsehen zu füllen - und das gute, alte Testbild wieder aufleben zu lassen. Der in früheren Jahren parallel ausgesendete Dauer-Piepton soll dagegen "zeitgemäß" durch Waldgeräusche ersetzt werden.
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Das ZDF sieht hierin auch ein neues Alleinstellungsmerkmal gegenüber Konkurrenzsendern: der nächtliche Fernsehkonsument könne sich nun der Dauerberieselung auf anderen Kanälen gezielt entziehen, und die vom ZDF angebotene Entspannungsmöglichkeit nutzen, heißt es in einer Pressemitteilung.
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Dabei soll es sich allerdings zunächst um eine 6-monatige Testphase handeln, in der die Einschaltquoten darüber Ausschlag geben, ob nicht nur  das Nachtprogramm dem Testbild dauerhaft weichen soll: Das ZDF denkt darüber nach, ggf. dann auch das Vormittagsprogramm zu streichen, was gegenüber nächtlichen Sendungen erhebliche Einsparungen ermöglichen würde.
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bezahlte Katastrophen.

Erst gestern (siehe gestrigen Blog-Eintrag) einigte sich das deutsche Bundeskabinett auf die Einführung der Zwangsabgabe für Banken. Das scheint Bundesinnenminister Thomas de Maiziere nun zu der grandiosen Idee animiert zu haben, einige ähnliche Zwangsabgaben auch für den Bürger einzuführen: zugunsten eines „Katastrophenfonds“.
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Laut de Maiziere sei es „nicht nur für den Kapitalmarkt und die Finanzwirtschaft sinnvoll, für den Krisenfall einen vorsorglichen Topf gebildet zu haben, aus dem Folgekosten finanziert werden“, sondern es müsse „darüber nachgedacht werden, inwieweit sich dieses Konzept eignet, auch auf andere Krisen- und Bedrohungslagen angewendet zu werden“, wie zum Beispiel bei Kernschmelzen in Atomkraftwerken, Flutkatastrophen oder Terroranschlägen.
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Ein passendes Beispiel hat de Maiziere dafür auch zu bieten: der Fall der Schweinegrippe hätte gezeigt, wie unvermittelt es zu einer akuten Bedrohung kommen könne, die eine schnelle Reaktion erfordern würde, nämlich zum damaligen Zeitpunkt die Entwicklung eines Impfstoffes für jeden einzelnen Bürger. Die Kosten in mehrfacher Millionenhöhe seien zwar noch aus Steuermitteln finanzierbar gewesen, man müsse jedoch immer damit rechnen, dass im Laufe eines Jahres mehrere Bedrohungen für die innere Sicherheit entstehen könnten; und für die sei er nun einmal zuständig.
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In Zeiten leerer Staatskassen müsse deshalb nachgedacht werden, solche Kosten aus einem „Katastrophenfonds“ finanzieren zu können, in den jeder Bundesbürger vorsorglich einzahlt, einkommensabhängig zwischen € 50,- und € 350,- monatlich.
So muss dann der Bürger demnächst wohl auf zahlreiche Katastrophen hoffen, damit sich seine vorsorglichen Einzahlungen auch „lohnen“. Ob man sich dadurch auch das Recht erkauft, entsprechend (z.B. als Opfer an einem Terroranschlag) beteiligt zu werden, ist noch nicht geklärt.
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Mittwoch, 31. März 2010

erzwungenerweise profitabel.

Die deutschen Banken werden also in Zukunft in einen Fonds einzahlen, aus dem die Schäden der nächsten zu erwartenden Finanz- und Wirtschaftskrisen bezahlt werden sollen. Um die 1,2 Milliarden Euro sollen jährlich durch die nun gesetzlich verordnete Bankenabgabe in diesen „Rettungsfonds“ fließen. Eine tolle Sache - wie kaum anders zu erwarten: vor allem für die Banken.

Die ausgängliche Idee in Regierungskreisen war angeblich: die Kosten einer potenziellen, zukünftigen Finanzkrise sollen demnächst nicht mehr die Steuerzahler aufbringen müssen, sondern sollen die Banken bitteschön selbst tragen, indem sie eine Zwangsabgabe leisten.

Wirtschaftsexperten und Otto Normalbürger sind allerdings überzeugt, dass die Banken diese Zwangsabgabe über Gebührenerhöhungen auf den Kunden abwälzen werden. Eben ganz so, wie man das betriebswirtschaftlich nun einmal macht. Und das heißt: letztlich bezahlt die Banken-Zwangsabgabe und die Kosten der nächsten Finanzkrise dann doch wieder… der Steuerzahler – über den eleganten Umweg vergleichsweise unauffälliger Gebühren. Übrigens: damit zahlt als Kontoinhaber dann diesmal sogar auch jeder Nicht-Steuerzahler und „HartzIV“-Empfänger für die nächste Bankenrettung im globalen Finanzkrisenfall.

Es kommt allerdings noch besser: laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ dürfen Banken diese Zwangsabgabe als „Aufwand“ teilweise steuerlich geltend machen, also: von der Steuer absetzen, und zwar rund 300 Millionen der 1,2 Milliarden, und haben mit der Zwangsabgabe eine prima Möglichkeit, ihre zukünftigen Gewinne zu erhöhen – durch Steuergelder, über den Steuerzahler und mit Hilfe von "HartzIV"-Empfängern.

Dienstag, 2. März 2010

widrig verholfen.

Und schon wieder hat das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz bemäkelt: Nachdem kürzlich die „HartzIV“-Regelungen als „verfassungswidrig“ beurteilt wurden, fiel heute die „Vorratsdatenspeicherung“ durch die höchstrichterliche Prüfung. Wie kann so etwas passieren? Kennen unsere Abgeordneten etwa das Grundgesetz nicht, auf das sie ihren Amtseid geschworen haben?
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Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. ( ggf.: So wahr mir Gott helfe )“. Das ist der Amtseid, den u.a. Bundesminister und Abgeordnete des Bundestages leisten. Dennoch werden zuweilen Gesetze beschlossen und vollstreckt, die verfassungswidrig sind. Eigentlich kaum zu glauben(?).
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Etwas einfacher zu glauben wird es, wenn man weiß, dass sich unsere Politiker zuweilen bei der Formulierung von Gesetzestexten helfen lassen. Natürlich. Denn Recht und Gesetz können eine knifflige Sache sein, mit der sogar diplomierte Juristen manchmal Probleme haben. Das deutsche Steuerrecht, zum Beispiel, ist in weiten Teilen unlogisch und paradox. Sagen Experten. Doch so lange es nicht verfassungswidrig ist, muss man sich wohl damit abfinden.
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Die Problematik könnte auch daraus resultieren, dass Gesetze eben nicht nur teilweise von „externen Beratern“ mitformuliert werden, sondern oftmals zur Gänze und komplett. Und das auch noch von helfenden Beratern, deren Interesse potenziell nur wenig bis gar nicht dem Grundgesetz gilt.
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Zum Beispiel, wenn Mitarbeiter der „Deutsche Börse AG“ als „externe Berater“ des Bundesfinanzministeriums neue Gesetze für den Kapitalmarkt schreiben dürfen.
Zum Beispiel, wenn Mitarbeiter der „Lufthansa“ und der „FraPort AG“ (Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens) im Bundesverkehrsministerium an Gesetzen helfend-mitformulieren, die den Fluglärm regeln und die Genehmigung von Ausnahmen des Nachtflugverbotes betreffen.
Zum Beispiel, wenn Mitarbeiter von Stromkonzernen als „externe Berater“ helfen, ein neues Gesetz für die „Stromdurchleitung“ zu formulieren, wobei für den Laien wissenswert ist, dass die „Stromdurchleitung“ etwa 30% des Strompreises für den Endverbraucher ausmacht.
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In solchen Fällen kann es dann sicherlich schon einmal passieren, dass das eine oder andere Gesetz vielleicht nicht ganz verfassungskonform ist. Doch wenn das der Arbeitsentlastung unserer Abgeordneten dient, müssen wir da einfach ein Auge zudrücken.
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Mittwoch, 17. Februar 2010

symptomatisch verarmt.

11 Millionen Deutsche leben unter der finanziellen Armutsschwelle. Also: nicht knapp darüber und nicht irgendwie an dieser Schwelle entlang, sondern definitiv darunter. Das jedenfalls ist das Resultat einer heute vom Wirtschaftsinstitut „DIW“ veröffentlichten Studie zur Einkommensverteilung in Deutschland.
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Etwas plastischer ausgedrückt sind es 11 Millionen Deutsche, die als Alleinstehende mit weniger als € 925,- pro Monat auskommen müssen, oder beispielsweise Ehepaare mit einem Kind, die weniger als € 1.665,- monatlich zur Verfügung haben – das sind insgesamt 14% der Gesamtbevölkerung und über 30% mehr Menschen als noch vor 10 Jahren.
Oder um es in Guido Westerwelles Worten zu sagen, der sich in den letzten Tagen über „HartzIV“-Empfänger ereiferte: 11 Millionen „Sozialfälle“, die sich es in ihrem „anstrengungslosen Wohlstand“ auf Kosten des Steuerzahlers gutgehen lassen.
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In der Tat – Armut hin oder her – rät auch Joachim R. Frick, Co-Autor der „Armutsstudie“ und mutmaßlicher Westerwelle-Sympathisant, von einer etwaigen Erhöhung der „HartzIV“-Regelsätze als (wörtlich) „Symptombekämpfung und keine echte Lösung“ ab. Sehr viel nützlicher seien dagegen laut Frick „Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen und in die Verbesserung der Erwerbschancen für alleinerziehende Mütter“.
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So müssen nun mindestens 11 Millionen Deutsche inklusive deren Kinder erfahren, dass sie sich bitte weiterhin finanziell irgendwie über die Runden schleppen und am Monatsende ggf. ans Ende der Schlange der örtlichen „Tafel“ stellen sollen, weil ein paar Euro mehr schließlich „keine Lösung“, sondern nur „Symptombekämpfung“ sei.
Und so ziemlich jeder dieser 11 Millionen betroffenen Erwachsenen und Kinder wird einsehen, dass groß angelegte Investitionsmaßnahmen da weitaus „nützlicher“ sind – natürlich auf längere und lange Sicht gesehen, vorausgesetzt, dass das in Berlin ausdiskutiert, verkonsenst, beschlossen und umgesetzt wird. Irgendwann. Man muss eben etwas Geduld haben.
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Und, so Frick weiter: „Transferleistungen sind wirkungsvoller, wenn sie zielgerichtet und nicht breit gestreut sind“. Natürlich: 11 Millionen Deutsche unterhalb der „Armutsschwelle“, 14% der Bevölkerung, da sollte kein einziger Euro unwirksam „breit gestreut“ werden. Warten wir vielleicht noch ein paar Jahre ab, bis nicht nur breit, sondern flächendeckend „gestreut“ werden muss.
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In jedem Fall zu spät kommen wird sowohl jede unnütze „Symptombekämpfung“ als auch jede „nützlichere“ Großinvestition für 14 obdachlose Menschen, die unterhalb der „Armutsschelle“ bislang in diesem Winter erfroren sind. So viele, wie seit 10 Jahren nicht mehr. Mitten in Deutschland, Herr Frick. Mitten im „anstrengungslosen Wohlstand“, Herr Westerwelle.
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siehe auch: http://wirkung.blogspot.com/search?q=irgendwie+%C3%A4rmlich
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Montag, 15. Februar 2010

noch viel Platz nach oben.

Guido Westerwelle hat mit seinem Ablenkungsmanöver der "HartzIV"-Thematik am Wochenende noch einen drauf gesetzt. Das ist keine große Kunst, denn nach oben ist eben immer viel, viel Platz. Außerdem erspart es einem, in die Tiefe gehen zu müssen.
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Wie war das also diesmal wieder im westerwellschen Originalton: "Wir dürfen nicht zulassen, dass der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt". Das stimmt natürlich. Dem arbeitenden Menschen bleibt immer weniger, weil u.a. die Kommunen flächendeckend zahlungsunfähig sind und alle möglichen Gebühren anheben müssen, vom Kindergartenplatz über Schwimmbad und Stadtbibliothek bis zu Müllgebühren und Grundsteuer. Aber das hat Westerwelle offenbar nicht gemeint, denn das hat er nicht angesprochen - ansonsten müsste er dazu am Ende noch Stellung nehmen und erklären, wie er die Finanzlage der Kommunen zu ändern gedenkt.
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Gemeint hat Westerwelle vielmehr nun zum wiederholten Mal "die Sozialausgaben" des Staates: "45 Prozent des Bundeshaushaltes würden für Soziales ausgegeben, zusammen mit Zinsen für Schulden sogar 60 Prozent". Und das müsse ein Ende haben, weil - so Westerwelle - ansonsten "bald der Steuerzahler zum Sozialfall wird".
Sieht man sich "das Soziale" und "die Sozialausgaben" einmal etwas näher an - also: die Menschen, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen und deshalb nach der Definition des Vize-Bundeskanzlers ein "Sozialfall" sind, dann fallen darunter u.a. auch knapp 1 Million Studenten, die BAFöG beziehen, rund 1,5 Millionen Pensionäre, rund 1,8 Millionen Menschen, die Leistungen aus einer Unfallversicherung beziehen, weil sie aufgrund eines schweren Unfalls erwerbsunfähig sind, rund 1,8 Millionen Pflegebedürftige und rund 20 Millionen Rentner.
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Und laut Westerwelle ist der Steuerzahler "der Dumme", der alle diese "Sozialfälle" mit seinen Steuerzahlungen mitfinanzieren muss.
Dazu gehören übrigens auch Kosten für "Kinder- und Jugendhilfe", u.a. für Kinder, die zum Opfer von elterlicher Vernachlässigung wurden, von Misshandlung oder sexuellem Missbrauch wurden. Kosten für Fälle, die allein von 2007 bis 2008, also innerhalb eines(!) Jahres, um 23% (!) gestiegen sind, mitsamt der dazugehörigen Steigerung der Folgekosten um 118 Millionen Euro, auf insgesamt 24,6 Milliarden Euro - wohlgemerkt: allein für solche... "Sozialfälle".
Jedoch: auch das hat Westerwelle natürlich nicht gemeint. Am Ende müsste er auch dazu noch Stellung nehmen und auch hierzu erklären, wie er das zu ändern gedenkt.
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Nein, Westerwelle erklärt(e) schließlich: "Wir wollen den Bedürftigen helfen, aber nicht den Findigen". Neben den Fragen, welche "Sozialausgaben" und welche "Sozialfälle" er eigentlich genau meint, stellt sich hier gleich die nächste: was ist "bedürftig" und was ist "findig"? Ist ein jugendlicher Ausreißer, der das Leben auf der Straße dem Leben im Elternhaus vorzieht, nun bedürftig oder nur findig? Jedoch: siehe oben, das hat Westerwelle natürlich nicht gemeint, denn Kinder haben eine Lobby - selbst wenn die Beantwortung dieser Frage womöglich einige Millionen Euro für "Kinder- und Jugendhilfe" einsparen und den arbeitenden Steuerzahler - wenn auch nicht moralisch, doch zumindest finanziell - "entlasten" würde.
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Übermorgen, am 17. Februar, wird die "Arbeitsgruppe Finanzen" der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa" (OECD) in Abu Dhabi einen Bericht veröffentlichen, wonach Deutschland ein "großes Geldwäsche-Land" sei, das "zu wenig gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug vorgeht". Bei insgesamt 49 Prüfkriterien fällt Deutschland in 22 Punkten durch, 17-mal mit der Beurteilung "teilweise ungenügend", 5-mal mit "ungenügend".
Doch auch das... hat Westerwelle nicht gemeint, selbst wenn dem deutschen Staat hierdurch über 100 Milliarden (!) Euro jährlich verloren gehen. Denn es geht ja gerade darum, dass "der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt" - und so wird manch einer von diesen Dummen eben geradezu gezwungen und genötigt, das Bisschen, das ihm bleibt, sehr findig auf einem Konto in der Schweiz in Sicherheit zu bringen - in Sicherheit vor "HartzIV"-Empfängern, vor Rentnern, Pensionären, Pflegebedürftigen, Studenten und Kindern. Zum Beispiel.
Und so wissen wir inzwischen eine ganze Menge von dem, was Westerwelle nicht meint. Womöglich erfahren wir irgendwann etwas von dem, was er denn eigentlich meint.
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Freitag, 12. Februar 2010

verhaderthauerte Fortsetzung.

Da hat Guido Westerwelle aber Aufmerksamkeit erregt (siehe gestriger Blog-Eintrag) und von einigen Seiten einigen Gegenwind bekommen. Dennoch will Westerwelle davon "keine Silbe zurücknehmen". Das kann man nun konsequent nennen. Oder uneinsichtig. Wie so oft jedoch, kann man auch diesem Trauerspiel etwas Positives abgewinnen: Guido Westerwelle informiert uns gerade, wie er - wohlgemerkt: nicht nur als gewählter Volksvertreter, sondern zudem als Vize-Kanzler - über eine Vielzahl von Menschen denkt, die er mitregiert.
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Guido Westerwelle also heute in Reaktion auf die Kritik, die er losgetreten hat: "Wenn man in Deutschland schon dafür angegriffen wird, wenn man sagt, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus". Vielleicht mag das nach liberaler Einschätzung tatsächlich so sein, doch vor allem ist es eines: das Recht auf freie Meinungsäußerung, das auch Westerwelle genießen darf. Und wenn er dieses Recht für verbale Angriffe auf Teile des Volkes nutzt, das er vertritt, dann darf er das sogar tun. Er lebt in einem Land, in dem das erlaubt ist.
Allerdings ist es eben gleichfalls "erlaubt", dass Menschen, die kein eigenes finanzielles Einkommen (mehr) haben, zum Beispiel, weil sie zu den Opfern der Rekordpleitewelle des Jahres 2009 zählen, vom Staat ein Existenzminimum in Anspruch nehmen dürfen. Das ist: "soziale Marktwirtschaft". Das ist das Land, in dem wir leben. Guido Westerwelle noch immer eingeschlossen.
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Frau Christine Haderthauer hat es heute geschafft, auf diesem Niveau ihren eigenen Blindflug zu starten. Frau Haderthauer nämlich regte zum Nachdenken an: "Wir sollten nun auch überlegen, ob für das zweite und dritte Kind der gleiche Bedarf besteht, wie für das erste Kind". Denn: "Es gibt Kosten, die nicht für jedes weitere Kind in vollem Umfang neu entstehen, wie Fläschchenwärmer, Kinderwagen oder Autositz. Die Kleidung der größeren Kinder kann durchaus weitergegeben werden, so wie es in Familien üblich ist.". Aha. 
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Doch leider: "Thema verfehlt. Note: 6. Setzen". Weder Fläschchenwärmer noch Kinderwagen oder Autositze sind Anschaffungen, auf die "HartzIV"-Empfänger auch nur den Hauch eines Anspruches hätten. Kein "HartzIV"-Empfänger kann zum Amt gehen und um zusätzliches Geld für einen Fläschchenwärmer bitten. Weder in Erwartung des ersten Kindes, noch wenn dieses Gerät im Laufe der Jahre, beim zweiten oder dritten Kind sein technisches Leben aushaucht. Solche Anschaffungen hat ein "HartzIV"-Empfänger von dem einheitlichen Regelsatz zu finanzieren, also - wie auch immer - ...anzusparen - allerdings jedenfalls nicht in Verwendung des Kindergeldes, denn das wird mit dem Regelsatz "verrechnet". Man könnte auch sagen: "ersatzlos gestrichen".
Es gibt allerdings einen interessanten Unterschied zum liberalen Westerwelle: Frau Haderthauer ist Sozialministerin des Freistaates Bayern, also jemand, der sich eigentlich auskennen sollte. Und: Frau Haderthauer ist keine "Liberale", sondern Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU). Keine weiteren Fragen.
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Kleine Anmerkung zum Abschluss: wie der "Bund der Steuerzahler" kürzlich anprangerte, haben sich im November letzten Jahres 115 Bundestagsabgeordnete für insgesamt € 68.800,- vergoldete Füllfederhalter der Marke "montblanc" zugelegt - auf Kosten des Steuerzahlers. Es war hier offenbar nicht möglich, handelsübliche Kugelschreiber aus Plastik von einem Großhandel zu besorgen und zu verwenden. Abgesehen davon, ob vergoldete Füllfederhalter nicht doch ein wenig dekadent sein könnten, müssen finanzschwache Familien da einfach Verständnis haben, wenn aus dem selben Steueraufkommen nicht auch noch Fläschchenwärmer finanziert werden können.

Donnerstag, 11. Februar 2010

westergewellte Dekadenz.

Nachdem unser neuer Außenminister Guido Westerwelle in seinen ersten 100 Tagen in Amt und Würden viel gereist ist, in die Vereinigten Staaten, nach Polen, Israel, Saudi-Arabien, China, Japan, Russland, Tschechien, Afghanistan, in die Türkei, die Niederlande und die Schweiz, nach Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden, werfen ihm Parteifreunde inzwischen vor, sich kaum noch um das politische Tagesgeschäft zu kümmern. Doch zumindest das hat Westerwelle jetzt beendet.
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In einem Gastbeitrag für "Die Welt" ließ sich Westerwelle u.a. mit dem Satz "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein" dazu hinreißen, die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zu verurteilen, wonach die "HartzIV"-Regelsätze bis zum Ende dieses Jahre neu (bzw. für Kinder: überhaupt erst einmal) berechnet werden müssten.
Nach Westerwelles Ansicht - schriftlich in der "Welt" geäußert zwischen zwei Staatsbanketten - ist also das zugestandene Existenzminimum ein "anstrengungsloser Wohlstand", in dem es sich auch die betroffenen Kinder auf dekadente Weise bequem machen.
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Kurzer Rückblick auf den 27. September 2009, auf den Abend der Bundestagswahl, auf Guido Westerwelle als Wahlsieger und designierter Vize-Kanzler: "Wir sind bereit, diese Verantwortung zu übernehmen", erklärte er der Öffentlichkeit. Allerdings erklärte er - zugegeben - nicht mit dazu, ab wann das geschehen soll. Es wird allmählich Zeit.
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Apropos: Am selben Abend der Bundestagswahl, am 27.09.2009, sprach die alte und neue Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ich möchte die Bundeskanzlerin aller Deutschen sein". Da dürfen wir gespannt sein, wann sie ihren Stellvertreter und Außenminister ordentlich vor's Schienbein treten und sich öffentlich schützend vor "HartzIV"-Empfänger stellen wird. Ganz sicher ist das nur noch nicht passiert, weil sie noch an der Formulierung feilt.
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Mittwoch, 3. Februar 2010

Tatort Bundesregierung.

Wenn Sie bislang dachten, Sie würden in einem demokratischen Rechtsstaat leben, der sich ganz selbstverständlich an genau die Regeln und Gesetze hält, die er seinen Bürgern auferlegt, dann haben Sie spätestens seit Freitag die Möglichkeit, ihre Überzeugung zu überprüfen und sich ggf. eine andere zuzulegen.
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Am Freitag nämlich wurde bekannt, dass der deutschen Bundesregierung das hochinteressante Angebot gemacht wurde, eine CD-ROM käuflich zu erwerben, auf der sich die Daten einiger Hundert mutmaßlicher Steuerhinterzieher befinden sollen. Nach diversen Expertenmeinungen, die sich auf eine vom Anbieter zur Verfügung gestellte Stichprobe von 5 Datensätzen stützen, ließen sich durch das Enttarnen und Aufdecken dieser Fälle um die 100 Millionen Euro für die deutsche Staatskasse einsammeln.
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Der kleine Haken an dieser Sache: der Anbieter, teilweise auch als "Informant" bezeichnet, und als Monsieur Hervé Falciani, ein 37-jähriger Angestellter der Genfer HSBC Private Bank sogar namentlich bekannt, möchte für seine CD-ROM mit 2,5 Millionen Euro entlohnt werden. Das ist zwar in Relation zum spekulierten Wert der brisanten Daten ein echter "Klacks", doch abgesehen von dieser Relation ist es vor allem eines: kriminell. Und man möchte meinen, dass die Bundesregierung einen solchen "Deal" deshalb empört zurückweisen würde. Jedoch: weit gefehlt.
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Dabei gibt es tatsächlich nicht nur Politiker, die dieses "Geschäft" ernsthaft in Erwägung ziehen und "prüfen" wollen. Sondern es gibt welche, die komplett bedenkenlos sogar darauf bestehen, wie etwa der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, mit der Begründung: "Es ist skandalös, dass hier jeder Parksünder verfolgt wird, aber nicht die Leute, die bis zu 200 Millionen Euro Steuern hinterziehen".
Abgesehen davon, dass eine "Parksünde" eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit Bußgeld geahndet wird, während Steuerhinterziehung dem gegenüber eine Straftat ist, auf die Gefängnis steht, bedient sich der Staat keiner Krimineller, um falschparkende Verkehrsteilnehmer aufzuspüren - es sei denn natürlich, das ist die eigentliche Überlegung hinter Gabriels Äußerung.
Also: einmal abgesehen davon war einer der Vorgänger im Amt des SPD-Vorsitzenden Helmut Schmidt, der in seiner Zeit als Bundeskanzler die Ermordung von Hanns Martin Schleyer durch die "Rote Armee Fraktion" (RAF) verantworten musste. Entweder die Zeiten haben sich derart geändert, dass der Staat inzwischen doch erpressbar ist. Oder die Erpessbarkeit hängt davon ab, ob es um ein Menschenleben geht oder um Geld..

Die "Grüne"-Faktionschefin Renate Künast wiederum meinte "Wer Krokodilstränen darüber vergießt, dass der Staat sich mit Kriminellen auf einen Handel einläßt, dem geht es in Wahrheit nur darum, Rücksicht auf seine Wählerklientel zu nehmen".
Das jedoch ist so nicht ganz korrekt, denn was mich persönlich angeht, habe ich keine Wählerklientel, auf die ich mit meiner Meinung Rücksicht nehmen müsste. Meine "Krokodilstränen" basieren eher auf der Überlegung, dass dieselben Politiker, die irgendwelchen Managern vorwerfen, sie würden für Geld jede Moral über Bord werfen, offenbar exact dasselbe Denken und Handeln an den Tag legen: diese Frage nach der Moral wird gar nicht erst gestellt, sondern es wird ausschließlich "geprüft", wie sich das Gesetz juristisch-clever so interpretieren lässt, dass das Ganze am Ende völlig legal über die Bühne geht.
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Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei wiederum sieht hier rein überhaupt keinerlei Bedenken irgendeiner Art und schließt jeden geringsten Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Angelegenheit aus: "An bestimmte Delikte ist ohne Mithilfe Krimineller kaum heranzukommen", verweist dabei u.a. auf die Kronzeugenregelung und Lockkäufe bei Drogengeschäften, und schlägt dem Otto Normalbürger damit ganz nebenbei das Werteverständnis um die Ohren, mit dem er versucht, seine Kinder zu guten Menschen zu erziehen. Also: die Kinder, die gerade eben mitbekommen, dass man als Krimineller sehr leicht zum Millionär werden kann, und das auch noch von der Kanzlerin bis zum Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei als völlig legitim abgesegnet wird.
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Wobei sich mir als unbedarftem Otto Normalbürger die Frage stellt: Wenn doch dieser "Informant" namentlich bekannt ist, und durchaus unstrittig scheint, dass dieser Mensch auf kriminelle Weise gegen das Gesetz verstößt... warum, bitte sehr, nimmt man ihn nicht per Haftbefehl fest und bringt sich per Durchsuchungsbeschluss in den Besitz der CD-ROM, auf ganz ordentliche, rechtmäßige Weise?