Dienstag, 11. Mai 2010

politisch verdrossen, Erster Akt

Rein pädagogisch kann man zwischen Lern-Unfähigkeit und Lern-Unwilligkeit unterscheiden. Rein politisch dagegen muss man langsam Zweifel haben, welches von beiden unter erwachsenen Politikern dominiert, oder ob wir es hier eventuell mit einem völlig anderen Phänomen zu tun haben.
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41% der Wahlberechtigten blieben bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am letzten Sonntag lieber zu Hause. Mit welcher Begründung? „Ist doch egal, wer regiert. Es ändert sich doch sowieso nichts“. So oder ähnlich klangen ein paar Kommentare bei einer kleinen Umfrage in der Duisburger Innenstadt. Das nennt man wohl „Politikverdrossenheit“. Wie sie zustande gekommen ist, und warum sie weiterhin herrschen wird, lässt sich nun auch im Rahmen dieser Landtagswahl beispielhaft erfahren.
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Noch am Abend des Wahlsonntags meinte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der gegenüber 2005 satte 10% weniger Stimmen bekam: „Ich trage die Verantwortung. Und ich will sie auch tragen“. Aha. Und wie sieht das genau aus? Rüttgers tritt von allen Ämtern zurück. So wurde das jedenfalls allgemein interpretiert. Jedoch: im Gegenteil.„Seit gestern Abend wissen wir, dass die CDU die stärkste politische Partei im Land ist. Auch wenn es nur 6200 Stimmen sind, auch das ist eine Mehrheit. Ich werde mich dieser Verantwortung stellen sowohl als Ministerpräsident und als Landesvorsitzender“.
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So sieht das aus, wenn ein Politiker davon spricht, Verantwortung zu tragen. Einem 10%-igen Stimmenverlust und dem schlechtesten Wahlergebnis, das er für seine Partei bislang in Nordrhein-Westfalen eingefahren hat, zum Trotz.
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Und die SPD? Auch diese Partei ihrerseits mit dem historisch schlechtesten Ergebnis, dass sie jemals in Nordrhein-Westfalen erreicht hat. Jedoch: es wurde gejubelt! „SPD außer Rand und Band“ hieß es in einer Überschrift. Mehr noch: auch Hannelore Kraft, die hierfür verantwortlich ist, pocht auf dem Führungsanspruch und will nun bitte die Ministerpräsidentin werden. Wie es scheint: egal wie, irgendwie wird sich das schon machen lassen, auch wenn der amtliche Wahlsieger die CDU ist.
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Und die FDP? Fünf Jahre als Juniorpartner an der Seite der CDU signalisiert man heute, gerade zwei Tage nach der Wahl, die Bereitschaft zur Teilnahme an einer SPD-geführten „Ampel“-Koalition. Zu einem solch wendigen Umdenken sind Politiker offenbar nur kurz nach Wahlen in der Lage. Und da wird die FDP, die fünf Jahre lang die Politik einer CDU mitgeführt hat, und bei entsprechendem Wahlausgang auch weitere fünf Jahre die Politik einer CDU mitgetragen hätte, nun eben eine andere Politik neben SPD und Grünen mitführen. Was soll’s? Es sei denn: das ist tatsächlich im Grunde schnurz, weil die Unterschiede unerheblich sind.
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Man fühlt sich unweigerlich in possenhafte Zeiten von Schröder und Ypsilanti zurückversetzt. Unter Politikern scheint man daraus nichts gelernt zu haben. Der politikverdrossene Bürger dagegen lernt jedes Mal aufs Neue, warum er mit seiner Politikverdrossenheit völlig richtig liegt.
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