Freitag, 21. Januar 2011

Wohlstand: frisch abgeschlachtet.

„Wachstum, Wachstum, Wachstum“. Die Zauberformel dafür, dass es uns allen gut geht. Sogar die Zauberformel ganz generell für unser aller Zukunft. Fragen Sie unseren Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der sich ob des aktuellen Konjunkturbooms kaum noch halten kann, oder die Opposition, die sich für den eigentlichen Wachstumsschöpfer hält. Oder machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken.
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Vorgestern Abend landete ich beim Zappen durch die TV-Kanäle in einer Dokumentation über Eingeborene in Zentralafrika, die Gorillas jagen, erschießen und anschließend auf der Stelle mit der Machete in Einzelteile zerlegen: Arme ab, Beine ab, Kopf ab, den Brustkorb aufgeschlitzt und ganz frisch ausgenommen. Natürlich ist das verboten. Allerdings gilt das Gorillafleisch dort als Delikatesse und aufgrund des Jagdverbotes lässt es sich umso teurer an den Gourmet bringen, lässt sich also prima Geld damit verdienen. So etwas nennt man gern die „Gesetze des Marktes“.
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So erschreckend und grausam anzusehen das auch war: Diese Eingeborenen erschießen und zerlegen vielleicht zwei oder drei Gorillas am Tag. Alleine dagegen in Rheda-Wiedenbrück, im größten Schlachthof Europas, werden jeden Tag 20.000(!) Schweine getötet und zerlegt – am Fließband. So etwas nennt man „Effizienz durch Massenproduktion“ (siehe auch hier: >> Tiere als Produkt: Hauptsache es schmeckt").
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Was, wenn man mit den Eingeborenen aus Zentralafrika einen Rundgang durch diesen Schlachthof macht? Die sagen sich, dass das eine großartige Idee ist, und setzen das Ganze prompt, vielleicht in etwas kleinerem Maßstab, bei sich zuhause um, sagen wir mit 5.000 Gorillas am Tag, töten, schlachten, verpacken, am Fließband, das dann größere Fleischangebot lässt die Preise purzeln, Gorillafleisch wird für viele Menschen erschwinglicher und die Großproduktion schafft Arbeitsplätze. So etwas nennt man „Wachstum“.
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Aber halt! Das Ganze ist doch verboten? Allerdings könnte man in Zentralafrika die Gorillajagd zumindest stillschweigend dulden, das Verbot vielleicht aufweichen oder komplett aufheben, wo doch nicht nur so viele Menschen am neuen Wohlstand teilhaben können, sondern auch der jeweilige Staat von den dazugehörigen Steuereinnahmen profitiert, Straßen, Krankenhäuser und Schulen können davon gebaut werden, mit dem Sprung vom Entwicklungs- zum Schwellenland. So etwas nennt man „Steigerung des Wohlstands“.
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Nicht zuletzt hätten auch wir hier in Deutschland etwas davon, denn wie wir wissen, ist deutsches Knowhow weltweit gefragt, wäre es sicherlich auch beim Bau von Gorilla-Schlachthöfen in Zentralafrika, perfekt organisiert, effizient und hygienisch einwandfrei, das sichert auch in Deutschland Arbeitsplätze. So etwas nennt man „Globalisierung“ und „politischer Erfolg“.
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Vielleicht sollte ich einfach auch nur aufhören, durch das Fernsehprogramm zu zappen.
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