Freitag, 18. März 2011

informativ schiefgelegen.

Kommunikation hat ihre Tücken. Gerade dann, wenn es darum geht, „wichtige Informationen“ zu vermitteln, die man fein säuberlich von „unwichtigen“ trennen muss, weil man in wenig Zeit möglichst vieles Wichtige klären will. Dabei kann einiges schiefgehen. Selbst dort, wo man es eher weniger erwarten würde: im Ersten Deutschen Fernsehen, einem Sender mit deklariertem Bildungsauftrag.
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Vorgestern Abend, der neuerdings und vorläufig noch allabendliche „ARD-Brennpunkt“ gleich nach der „Tagesschau“ zum atomaren Desaster in Japan: In knapp 30 Minuten wird der Zuschauer über die neuesten Entwicklungen kompetent auf journalistisch recht hohem Niveau informiert. Sollte man im Ersten Programm meinen. Jedoch…

Gleich zu Beginn sollte ein dokumentarischer Einspieler den Status Quo erklären, u.a. mit folgenden Worten: „Für die Menschen hier eine Katastrophe, noch aber regional begrenzt. Gelingt es aber nicht, die Kernschmelze aufzuhalten, würde tödliche Strahlung frei, große Gebiete wären auf lange Zeit unbewohnbar, es käme zu einer Katastrophe, die niemand mehr steuern kann“.
Sieh an. Das hieße also, bisher war und ist die Erdbeben-, Tsunami- und Atomkatastrophe steuerbar. Das ist natürlich ziemlicher Unsinn und wird selbst bei der wohlwollenden Annahme nicht viel sinnvoller, dass eigentlich die Folgen gemeint gewesen sind.

Und weiter in diesem Einspieler: „Denn es kommt auch auf das Wetter an: Im Moment treibt der Wind eine radioaktive Wolke auf das Meer. Doch das muss nicht so bleiben, am Freitag könnte sich das Wetter ändern: dreht der Wind, dann wäre Tokio bedroht, 34 Millionen Menschen leben in der Region“.
Hier wird mittels einer (Wind-Wetter-) Information die Situation dramatisiert und versucht, die zynische Spannung aufrecht zu erhalten, ob am Freitag der Wind drehen wird oder nicht, „Fortsetzung folgt, schalten Sie wieder ein“ – während gleichzeitig die andere Information unterschlagen wird, dass Tokio auch ganz ohne freitägliche Windbeidrehung erheblich bedroht ist und bleiben wird: Wie man sich vorstellen kann, wird die Anlage in Fukushima noch eine ganze Weile lang, sehr weit über den Freitag hinaus, radioaktive Strahlung freisetzen – irgendwann sicherlich deutlich weniger als momentan, doch es dürfte ausreichen, um sehr langfristig sehr bedrohliche Folgen für die Menschen zu haben.

Nach dem Einspieler folgte ein Interview mit einem deklarierten „Atomexperten“, Wolfgang Renneberg, laut Einblendung der „Leiter des Büros für Atomsicherheit“, was so auf diese Weise sehr vertrauensvoll kompetent klingt. Für den Zuschauer nicht sofort beim Zuschauen überprüfbar ist jedoch, dass es sich hier um ein Ein-Mann-Büro handelt, das aus dessen „Leiter“ Wolfgang Renneberg allein besteht, und von einem zweiten Fachmann „unterstützt“ wird. Das soll keineswegs an der Kompetenz des Experten zweifeln lassen, provoziert jedoch u.a. die Frage, warum ausgerechnet dieser Experte befragt wurde und nicht irgendein anderer.

Äußerst bemerkenswert in jedem Fall der Inhalt des Interviews: Auf die Frage des Moderators „Wäre das nicht eine Stunde, wo man internationale Experten und Hilfe aus anderen Ländern dazuholen müsste […]?“ antwortete der Experte: „Die Verantwortung für die Anlage trägt natürlich der Betreiber und die dortige Atomaufsichtsbehörde und die Regierung. Das liegt jetzt in der Verantwortung dieser Leute. Man kann ihnen auch nicht von außen diese Verantwortung wegnehmen. Wenn sie meinen, sie können das alleine besser, dann müssen sie es tun. Ich kann es auch nicht richtig verstehen, aber die Verantwortung trägt die japanische Regierung“.

Mitten in diesem informationellen Wortwechsel der äußerst beliebte sprachliche Lapsus, der einem Journalisten trotz aller Beliebtheit tunlichst nicht passieren sollte: „Wie muss man sich das denn vorstellen? Es heißt immer wieder, die Arbeiter seien kurz evakuiert worden, wo gehen die denn hin?“. Wobei allerdings eine „Evakuierung“ auf Deutsch eine „Ausleerung“ ist, weshalb allenfalls Häuser, Städte und Gebiete evakuiert werden, jedoch hoffentlich keine Menschen.

Und zum Abschluss des Interviews dann das hier: „Was muss denn Ihrer Meinung nach als wichtigstes jetzt getan werden?“ – „Das, was dort getan wird, ist das Wichtigste […] Und die Japaner machen dort meiner Ansicht nach jetzt genau das Richtige“ …sprach der Experte, der (siehe oben) zwei Minuten vorher „nicht richtig verstehen“ konnte, dass die Japaner tatsächlich „meinen, sie können das alleine besser“.

Hauptsache, man fühlt sich bestens informiert.
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