Montag, 28. März 2011

ökologisch (un-)bedacht.

Vor ein paar Tagen schickte „Arte“ die Dokumentation „Biomimikry – Technologie nach dem Vorbild der Natur“ über den Sender. In wirklich beeindruckenden Beispielen wurde gezeigt, was der Mensch mit ein bisschen Forschungs- und Entwicklungsaufwand so alles von der Natur lernen und übernehmen kann. Bis auf eines: wie sich der gleichzeitige, erhebliche Einbruch der Wirtschaft und unseres Wohlstands verhindern lassen könnte.

Vorab bemerkenswert ist immer wieder die seltsam-übliche Trennung von „Mensch“ auf der einen, gegenüber „Natur“ auf der anderen Seite: das „Vorbild Natur“, von dem „der Mensch“ lernen könne, als hätte der Mensch mit der Natur im Grunde nicht besonders viel zu tun, geschweige denn, dass er ein Teil davon wäre.

So könne der Mensch unter anderem von pflanzlichen Lotusblüten lernen, wie sich jedwede Oberfläche vor Schmutz und Nässe schützen lässt: am Lotus nämlich perlt alles mögliche einfach ab, noch nicht einmal Klebstoff bleibt daran haften. Dieser „Lotusblüten-Effekt“ würde grandiose Möglichkeiten bieten, Kleidung, Töpfe, Pfannen und Geschirr, Automobile, Flugzeuge und ganze Gebäude dauerhaft blitzblank zu halten, hieß es.
Nicht mit erwähnt wurde dummerweise, wie die Wirtschaft den Wegfall von Umsätzen mit Waschmaschinen, Wäschetrocknern, Spülmaschinen, Waschmitteln, Spül- und Reinigungsmitteln, Waschstraßen und Gebäudereinigungen mitsamt den dann entsprechend arbeitslosen Beschäftigten verkraften sollte.

Dasselbe gilt für den „Haifischhaut“-Anstrich von Schiffsböden. Wie Forschungen zeigten, haben Haie keine Schuppen, sondern mikroskopisch kleine, dynamische Zähnchen über der Hautoberfläche verteilt, sodass an ihnen kein Getier hängen bleibt, wenn sie durch die Ozeane schwimmen. Ganz im Gegensatz zu Schiffsrümpfen, die regelmäßig immer wieder neu mit einem hochgiftigen „Antifouling“-Anstrich versehen werden müssen. Ein neuartiger „Haifischhaut“-Anstrich, ein einziges Mal aufgetragen, macht damit Schluss. 
Natürlich ist das grandios. Doch die Folgen für die Wirtschaft, für Hersteller von „Antifouling“-Produkten, für die Dienstleister, die mit „Antifouling“-Anstrichen bisher dauerhaft prima ausgelastet sind?

Noch ein Beispiel: Schmetterlinge und Käfer. Einige davon schillern in den schönsten Farben, ohne dass auch nur ein einziges Farbpigment (wie etwa bei der Sonnenbräune menschlicher Haut) dafür verantwortlich wäre. Man hat herausgefunden, dass – ganz einfach – feinste Strukturen von der Größe eines Staubkornes das Licht brechen. „Farben für die Ewigkeit“, die niemals verblassen. Ein archäologisch gefundener 50 Millionen Jahre alter Käfer leuchtet heute noch. Diese Technik auf Produkte aller Art anzuwenden würde Lackfarben komplett überflüssig machen, mitsamt ihrer hochgiftigen Herstellung und Entsorgung, inklusive ständiger Neuanstriche. 
Leider durfte man in dieser Dokumentation nicht erfahren, wie die wirtschaftlichen Folgen bewältigt werden sollten, wenn Lackfarbenproduzenten keine Lackfarben mehr herstellen müssen, Lackierbetriebe nichts mehr zu lackieren und Entsorgungsunternehmen nichts mehr zu entsorgen haben.

Der Punkt ist: Ökologie ist eine für die Menschheit überlebensnotwendige Form von Intelligenz, doch wir stecken im dümmlichen Wahn einer Ökonomie fest, die mit Konsum und Verbrauch steht und fällt, in einer Ökonomie, in der sogar mit dem dazugehörigen (u.a.: Atom- / Gift-) Müll lohnende Geschäfte gemacht werden. Das ökologische Denken hat sich in den letzten Jahrzehnten zwar prima entwickelt, doch eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Wirtschaftssystems ist ausgeblieben. 
Und so kann man nicht „mal eben“ bedenkenlos komplett ökologisch handeln, ohne die Wirtschaft, wie sie noch immer ist, zugrunde zu richten. Das gilt erst recht für die Menschen, die Ökologie weitestmöglich umgesetzt sehen wollen, doch gleichzeitig Politiker, deren Erfolg und „unseren Wohlstand“ an Arbeitslosenzahlen und Wirtschaftswachstum messen.

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