Montag, 7. März 2011

ungebremst steigerungswütig.

Wir leben in einer Zeit, in der alles immer noch größer, noch sensationeller und noch katastrophaler sein muss, selbst wenn das gar nicht möglich ist: den Schlagzeilen, Auflagen und Einschaltquoten zuliebe wird jede Sensation noch sensationeller und jede Katastrophe noch katastrophaler gemacht. Das Mittel zum Zweck: sprachliche Steigerung. Und es wird gesteigert, was das Zeug hält.
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Das bekannteste Beispiel ist sicherlich der „Super-GAU“ von irgendetwas, meist in gedanklicher Verbindung mit Atomkraftwerken. Dabei ist „GAU“ das Kürzel für „Größter anzunehmender Unfall“, der Wortbestandteil „super“ wiederum bedeutet „über... (etwas hinaus)“. Demnach ist ein „Super-GAU“ ein Unfall, der über den größten überhaupt denkbaren Unfall noch hinausgeht, also noch größer als der Größte. Immerhin: es klingt schön bedrohlich. Beziehungsweise: noch bedrohlicher als bedrohlich, soweit das mögich ist.
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Von ähnlicher Qualität war eine Verkehrsmeldung vor ein paar Wochen, als es noch sehr winterlich-kalt war: „Die Temperaturen fallen. Also Vorsicht! Auf den Straßen kann es noch glatter werden“. Aha. Noch glatter als glatt. Eine andere kürzliche Tagesmeldung lautete: „Deutsche Arbeitnehmer immer stressgeplagter“. Was wohl bedeuten sollte: Man kann offenbar durch Stress nicht nur geplagt sein, sondern noch geplagter als geplagt. Irgendwann wird es womöglich eine Castingshow geben, in der der Stressgeplagteste aller Stressgeplagten gesucht wird. Ausschließen kann man heutzutage ohnehin nichts mehr.
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Einer Sportmeldung vom letzten Wochenende zufolge wiederum wird Michael Ballack bei seinem Klub Bayer Leverkusen „immer entbehrlicher“. Dabei ist es sicher schlimm genug für einen Star, wenn er entbehrlich geworden ist, und man locker auf ihn verzichten kann, doch noch entbehrlicher zu sein, quasi noch verzichtbarer als verzichtbar, das muss an einem nagen; vielleicht nagender als nur nagen.
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Selbst die gestrige Tagesschau beteiligte sich an der modernen sprachlichen Steigerungswut: „In Libyen wird die Lage immer unübersichtlicher“, hieß es. So, so. Eine Lage, die vorgestern nicht mehr zu überschauen war, ist inzwischen noch mehr als nicht zu überschauen, quasi „überunübersichtlich“. Wie gut wir es doch hierzulande haben: auf uns wird nur mit Worten geschossen.
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