Dienstag, 26. April 2011

sprachlich verwittert.

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Irgendwann zwischendurch an den Osterfeiertagen war es wieder einmal so weit, dass sich mediale sprachliche Holperer zunächst in meinem Gehörgang und dann in den Hirnwindungen verfingen. Dabei muss natürlich nicht jeder, der sich über Massenmedien gegenüber der Öffentlichkeit äußern darf, auch besonderen Wert auf seinen sprachlichen Ausdruck legen. Doch es eignet sich prima für ein paar eigene Übungseinheiten in Sachen „Denksport“.
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Interessanterweise war es zweimal unabhängig voneinander der Wetterbericht, der mich zum Stutzen brachte, das eine Mal im Fernsehen, das andere Mal im Hörfunk. Wobei es aus sprachlicher Sicht schon mindestens ebenso interessant ist, wie sich die frühere, quasi hellseherische „Wettervorhersage“ zum eher bürokratischen „Wetterbericht“ wandelte, der wiederum zwischendurch immer mal wieder als „Wetterprognose“ den Glanz wissenschaftlicher Exactheit verliehen bekommt.
Man kann sich förmlich vorstellen, wie die jeweiligen Programmdirektoren der jeweiligen Sender mit den jeweiligen Wetterdatenlieferanten in hochwichtigen, stundenlangen Meetings darüber streiten, welcher dieser Begriffe jeweils verwendet wird, wahrscheinlich auch abhängig vom Preisunterschied zwischen einer Vorhersage und einer Prognose, nicht erst seit Kachelmann.
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Eine andere meteorologisch-sprachliche Fragwürdigkeit ist die „gefühlte Temperatur“, die vornehmlich in den Wintermonaten verkündet wird: Wobei sich jedoch allenfalls ein gewisser Eindruck von Wärme und Kälte fühlen lässt, aber wohl kaum eine rein physikalische Größe wie „Temperatur“. Ein Mensch mit eingeschränkter Sehkraft sieht schließlich auch keine „Dioptrie“, sondern unscharf. Doch das nur nebenbei und zurück zu den beiden sprachlichen Phänomenen der Osterfeiertage:
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Da meinte eine Diplom-Meteorologin im ZDF gleich zweimal, das Wetter würde in der kommenden Woche wechselhafter (ein Begriff, der im Rahmen eines Wetterberichts hochgradig amüsant ist, denn wenn das Wetter irgendetwas auszeichnet, dann ist es vor allem seine permanente Wechselhaftigkeit). Das Wetter wird demnach also nicht nur wechselhaft, sondern noch wechselhafter als wechselhaft. Man darf gespannt sein. Womöglich ist es auch nur die fachliche Formulierung für „Wir haben leider keine Ahnung und sind noch ahnungsloser als ahnungslos“.
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Das zweite sprachliche Phänomen, das über den Hörfunk ausgesendet wurde, war dabei etwas kniffliger: „In den nächsten Tagen bleibt es unbeständig“. Wenn irgend etwas „bleibt“, dann beschreibt das einen stabilen Zustand, der bis zur Ewigkeit reichen kann. Wenn dagegen etwas „unbeständig“ ist, handelt es sich um einen in Veränderung befindlichen Vorgang. Wie passt das zusammen?
Doch zugestanden: wenn ich mich auf der Autobahn A7 zwischen Füssen und Flensburg bewege, bin ich zwar sehr unbeständig sekündlich an einer anderen Stelle, doch es lässt sich immerhin sagen, ich bleibe dabei beständig auf der Autobahn. Irgendwo. Und so ungefähr wird auch das Wetter. Oder wie?
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Donnerstag, 14. April 2011

informativ schiefgelegen (2)


Mitte 2009 legte sich das ZDF ein nagelneues, 700 Quadratmeter großes, „revolutionäres“ Nachrichtenstudio auf dem neuesten Stand der Technik zu, Kostenpunkt 30 Millionen Euro, finanziert vom Gebührenzahler, und kein Mensch regte sich über diese vorsätzliche Geldverpuffung auf. Wenn man tatsächlich der Ansicht ist, Nachrichten müssten heute mit einem Unterhaltungswert angereichert sein, dann war das „heute journal“ vorgestern Abend jedenfalls besonders gelungen.

Aus Gründen ausgleichender Gerechtigkeit, muss ich mich heute einmal mit dem ZDF befassen, wo ich doch kürzlich den ARD „Brennpunkt“ leicht kritisierte. Auch das ZDF hat ein Recht darauf, gebührend betrachtet zu werden.

Offenbar war es nur mit millionenschwerer, modernster Computertechnik möglich, den Moderator des „heute journal“ im „virtuellen Erklärraum“ in virtueller Umgebung zum x-ten Mal ganz real erklären zu lassen, was bei der Atomkatastrophe in Fukushima so alles schief gegangen ist und noch schiefer gehen könnte.
Das Ganze erinnerte (siehe Bilder) unvermeidlich an „Weihnachten bei Hoppenstedts“: „Noch den Neutronenbeschleuniger einsetzen, die Sicherheitskuppel oben drauf und wenn wir etwas falsch gemacht haben, dann soll es jetzt Puff machen“.

Bei einem solch umwerfenden optischen Knaller lässt man sich fast davon ablenken, was der Moderator eigentlich sagt, was allerdings auch genau so gedacht sein könnte, um sich sprachliche Feinarbeit zu sparen.
Zum Beispiel: „Das Reaktorunglück ist heute Abend keinen Deut gefährlicher als es gestern Abend schon war […]“ und „obwohl aus Tschernobyl am Ende zehn Mal mehr Radioaktivität austrat als bisher aus Fukushima“ sind als Behauptungen eher leichtfertig, wenn der Moderator nicht sagt, woher er das eigentlich weiß.
Oder auch: „Da wurde improvisiert: Meerwasser, Feuerwehrschläuche, alles, was kühlte, war recht“. Wobei ich arg bezweifeln möchte, dass Feuerwehrschläuche außer ihrem Zweck, Wasser und Löschmittel von A nach B zu transportieren, auch einen Kühleffekt haben.

Nachdem man anfänglich nahezu jede Möglichkeit ausreizte, mit der nagelneuen Computertechnik alles Erdenkliche, jedes Bild, jede Grafik, jede Schrifteinblendung, als drehende, schwebende, kreiselnde Animation darzustellen, werden diese Effekte erfreulicherweise inzwischen sparsamer eingesetzt, sodass dem Zuschauer etwas weniger schwindelig wird, wenn er die Nachrichten verfolgen möchte.
Ein weiterhin ungeklärtes Rätsel bleibt dagegen, warum sich im virtuellen Hintergrund gleich vier (selbstverständlich: animierte) Weltkugeln befinden, wo wir doch nachweislich auf nur einem Planeten leben, oder ob auch das lediglich dem Unterhaltungswert dienen soll.

Hauptsache, man fühlt sich bestens informiert.

Montag, 11. April 2011

menschlich inkonsequent.


Wie war das noch, als Kanzlerin Angela Merkel angesichts der Folgen der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima auch die Atomkraft hierzulande in Frage stellte: man kritisierte das als „Schlingerkurs“. Genau so gut hätte man natürlich wohlwollend erfreut sein können, dass hier jemand eventuell dazugelernt und seine Sichtweise, Meinung und Überzeugung geändert haben könnte.

Was ist also nun konsequent: An einer einmal getroffenen Entscheidung festzuhalten, komme, was da wolle, koste es, was es wolle – oder sie bei Notwendigkeit, bei einer neuen Situation, bei veränderter (Er-)Kenntnislage einsichtig zu revidieren?

Und Guido Westerwelle? Nein, wirklich spontan hat er den FDP-Parteivorsitz und die Vizekanzlerschaft nicht aufgegeben. Wer will ihm das verdenken? Dabei wäre es nach den jüngsten Wahlschlappen nur konsequent gewesen, das Handtuch zu werfen. Oder wäre es nicht eher konsequent gewesen, das Ruder auch bei Sturm in der Hand zu behalten statt als Kapitän das im Sinken begriffene Schiff zu verlassen? Auch hier wieder die Frage: Was ist nun konsequent?

Und „Otto Normalbürger“ und der zurzeit diskutierte „Atomausstieg“? Eine ganze Menge Menschen sind dafür, Atomkraftwerke durch „alternative Energiequellen“ zu ersetzen, und das möglichst schnell, ohne Hin und Her und ganz konsequent. Weit weniger konsequent ist man jedoch, wenn es darum geht, wo der entsprechende Atommüll entgelagert und wo Windkraftanlagen und neue Stromtrassen hingesetzt werden sollen: irgendwo hin, nur bitte nicht in der unmittelbaren eigenen Nähe. Wie konsequent ist das?

Und die Einführung des gleichfalls zurzeit diskutierten „E 10“-Kraftstoffes? In der Sorge um den eigenen Wagen wird dieses Gemisch vom deutschen Autofahrer konsequent verweigert, der jedoch keine Veranlassung sieht, sich genau so um seinen eigenen Körper zu sorgen, indem er FastFood und industrielle Lebensmittel in ebensolcher Konsequenz ablehnen würde. Wie konsequent ist das?

Es hat sich in den Köpfen festgesetzt, dass Konsequenz irgend so etwas ist wie Beharrlichkeit, Unbeirrbarkeit, Geradlinigkeit, und damit etwas Gutes. Tatsächlich jedoch ist Konsequenz dem Duden nach „folgerichtiges Handeln“, also reine Logik, pure Rationalität, auf dem qualitativen Niveau eines Rechenschiebers, ein Handeln mit Kalkül, berechnend und von anderen berechenbar – was nur vergleichsweise wenige Menschen tatsächlich als etwas Positives betrachten werden.

Inkonsequenz ist entsprechend ein „Mangel an Folgerichtigkeit“, als ob es sich dabei um ein Defizit handeln würde, als sei ein Denken und Handeln jenseits von Logik, Rationalität und berechnendem Kalkül eine problematische Schwäche, weil einem damit jeder moderne Toaster überlegen wäre, der ganz konsequent das tut, was er bitteschön tun soll.

Und mit dieser Kenntnis können wir nun noch einmal hinterfragen, wie konsequent u.a. Politiker, Manager und Otto Normalbürger denken und handeln und was man da eigentlich tatsächlich üblicherweise erwartet.

Freitag, 1. April 2011

strategisch begrünt.

„Greenwashing“ ist englisch und wird als Begriff für Marketing-Maßnahmen verwendet, durch die sich Unternehmen ein umweltfreundliches Image zulegen wollen. Im vergangenen Jahr stellte beispielsweise „McDonald’s“ das optische Erscheinungsbild farblich vom bestens gewohnten Rot auf das trendige Grün um. Und nun zieht auch „Coca-Cola“ nach.

Wer es nicht über die Medien mitbekommen hat, dürfte sich im vergangenen Jahr mächtig gewundert haben, wenn er irgendwo im Urlaubs- oder in Deutschland eine Filiale von „McDonald’s“ gesehen hat, die in ungewohntes Grün getaucht war: grüner Außenanstrich, grüne Hausfarben, das „goldene M“ nun auf grünem Hintergrund. Ganz allmählich werden seit 2010 sämtliche Filialen weltweit auf die neue grüne Optik getrimmt.

Wie heute bekannt wurde, werden wir uns auch bei der koffeinhaltigen Erfrischungsbrause „Coca-Cola“ umgewöhnen müssen, auch hier demnächst alles in sattem Grün statt knalligem Rot. Nicht zu erfahren war dagegen, ob auch der von „Coca-Cola“ im Jahr 1931 geprägte, rot gekleidete „Weihnachtsmann“ nach exact 80 Jahren in Rente gehen und uns ein neuer, komplett in Grün präsentiert werden wird.