Samstag, 10. Dezember 2011

bildungsfern besprochen.



Vor gut einer Woche konnte man wieder einmal ein kleines Kunststück erleben: Wie man sehr ausführlich über Bildung spricht, ohne über Bildung zu sprechen. Das Ganze war öffentlich (sogar: öffentlich-rechtlich) im Fernsehen zu bestaunen, als in „Günter Jauch“ einem Millionenpublikum ziemlich wirre Ansichten untergejubelt wurden.

In der relativ neuen Sonntagstalkshow unter Leitung des gleichnamigen Moderators hieß es „Generation doof - warum gibt es so viele Bildungsverlierer?“. Wobei gleich dieser Titel immerhin darüber informiert, dass es (ein paar) Sieger und (sehr viele) Verlierer gibt, und „Bildung“ damit wohl keineswegs eine Angelegenheit der ganz persönlichen Entwicklung und Reife eines Menschen ist, sondern einen zwischenmenschlichen Wettkampf darstellt, jeder gegen jeden, von öffentlichem Interesse.

Das alleine schon provoziert die Frage, wie gebildet es überhaupt ist, von einer solchen Grundannahme auszugehen(?). Immerhin die Grundschullehrerin Sabine Czerny deutete diese leichte Fragwürdigkeit an: „Es geht nicht darum, besser zu sein, sondern sehr gut zu sein“. Diese Feststellung wurde allerdings im Weiteren glänzend ignoriert. Vielleicht deshalb, weil keiner der Anwesenden sie verstanden hat.

Apropos Anwesende: Als Talkgast eingeladen war u.a. der Unternehmer Harald Christ, wohl wegen seines vermeintlich beispielhaften Vorbildcharakters, weil er sich „hochgearbeitet“ hat, wie es hieß, vom unterprivilegierten Arbeiterkind zum Multimillionär, wie es hieß, kurz: eine „Bilderbuchkarriere“, wie es hieß.
Auch hier könnte man sich fragen, wie gebildet es ist, den Sinn von Bildung in der Anhäufung von Geldvermögen zu sehen, das dazu noch in diesem speziellen Fall, in dem Herr Christ seine Millionen am Finanzmarkt zusammenspekulierte, und das so in dieser Weise einem Millionenpublikum als erstrebenswert unterzujubeln.

Ein anderer Anwesender, Michael Rudolph, der „härteste Schulleiter Berlins“, durfte sich öffentlich-rechtlich damit brüsten, Kinder, die verspätet zum Schulbeginn erscheinen oder im Unterricht stören, strafweise zu gemeinnütziger Arbeit zu verdonnern, wie etwa Müll aufzuklauben oder Laub zusammenzufegen.
Wer Kindern jedoch lehrt, dass gemeinnützige Arbeit eine Strafe ist, und das auch noch als Teil einer „umfassenden Bildung“ betrachtet, der gehört damit in ein Museum, doch weder in einen Schulleitersessel noch in eine solche Talkshow.

Zwei weibliche Gäste wiederum, eine 14-jährige, die Goethes „Faust“ auswendig beherrscht, sowie eine Seniorin, die im Alter von 71 Jahren ihr Abitur gemacht hat und nun gerade ein Studium beginnt, rundeten das Desaster auf gelungene Weise ab.
Natürlich: beide leisten sicher etwas außergewöhnliches – was im Grunde tragisch genug ist. Die andere Frage, die jedoch ebenfalls ungeklärt blieb, ist: was hat das beides eigentlich mit Bildung zu tun? Oder anders gefragt: zählen die beiden damit nun etwa zu den Bildungssiegerinnen?

Und über dem allem schwebte das Geheimnis, worüber eigentlich gesprochen werden sollte. Aber: warum auch? Über Bildung eben. Bildung ist wichtig, das weiß schließlich jeder. Wer ungebildet ist, hat es schwer im Leben und gehört laut Talkshowtitel zur „Generation doof“. Also: Bildung! Bildung! Und nochmals: Bildung! Alle brauchen Bildung! Gute Bildung! Bessere Bildung! Was immer damit auch gemeint ist.
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