Donnerstag, 24. Januar 2013

Dschungelcamp macht PISA-Studien überflüssig


Dieser Blogeintrag hat das Potenzial, den Unmut von rund 39% der werten Leser zu erregen – jedenfalls, sofern sie sich innerhalb der „werberelevanten Zielgruppe“ im Alter zwischen 14 und 49 aufhalten und kürzlich zu der Rekordeinschaltquote des RTL-„Dschungelcamp“ beigetragen haben.

Wenn eine Partei an einem Wahltag 39% der Stimmen holt, dann gilt das in der Regel als „klarer Wählerauftrag“ zur verantwortlichen Regierungsbildung. Bei dieser Analogie kann es einem die Nackenhaare sträuben, wenn das RTL-„Dschungelcamp“ ebenso viele Zuschauer hat. Und der Großteil davon ist tatsächlich wahlberechtigt.

Zugegeben: Dieser Gedankengang wird nicht für jeden auf Anhieb nachvollziehbar sein, vielleicht sogar nur für relativ wenige. Wenn man etwas für viele und für die Masse machen will, muss es schon simpler sein. So wird das Simple zum Maßstab für Erfolg. Das kennt man in Vollendung bereits aus der Werbung. Und die wurde schließlich längst zum Kulturgut erhoben.

Wer nach dem Maßstab des Simplen und der Masse so richtig erfolgreich sein will, der wird am besten Unterhalter. Ganz simpel eine Masse von Menschen zu unterhalten, damit kann man spielend Millionen verdienen. Von Mario Barth über Thomas Gottschalk und Verona Pooth bis zu Günter Jauch. Wen es nicht ganz so ins Rampenlicht zieht, der macht sich in der Unterhaltungsindustrie selbstständig, produziert Computerspiele oder entwickelt TV-„Formate“ wie etwa das „Dschungelcamp“. Simpel. Massenkompatibel. Erfolgreich.

Im Grunde könnte man sich damit jede weitere PISA-Studie sparen (oder zumindest das Etikett auf dieser Mogelpackung, es ginge dabei um „Bildung“). Ein intellektuelles Gegenstück zum „Dschungelcamp“ wären wohl paar Denker, die befristet in ein Studio gesperrt werden, um über tiefsinnige Fragen unserer Zeit zu plaudern, etwa das „Nachtstudio“ im ZDF, das kürzlich aus dem Programm gestrichen wurde. Womöglich, um mit dem eingesparten Geld das Honorar für Cindy aus Marzahn als neue Assistentin bei „Wetten, dass…?“ zahlen zu können.

Jedenfalls ist schon der offizielle Titel „Ich bin ein Star. Holt mich hier raus!“ geeignet, um sich Fragen zu stellen. Als oberflächlicher Betrachter erschließt sich einem der Sinn nicht ganz, wo es doch für die Teilnehmer im Gegenteil wohl darum geht, möglichst lange in diesem „Camp“ zu verweilen. Dankbar wiederum ist man für den Hinweis, dass es sich hierbei um Stars handeln soll. Vielleicht sind das solche, die ansonsten incognito bleiben wollen und sich gut getarnt zwischen der C- und D-Reihe der „Promis“ verstecken.

Doch bei allem Lästern: Der kurzschlüssige Rückschluss, bei den Zuschauern des „Dschungelcamp“ würde es sich nur um bildungsferne Dumpfbacken handeln, ist ein Trugschluss. Tatsächlich sind hochintelligente Menschen darunter, die auch ein solches „Trash-TV“ schlicht und einfach als unterhaltsam empfinden.
Und das, wohlwissend darum, dass es sich bei solchen Aussendungen um Produkte handelt, die nicht für Menschen produziert werden, die unterhalten werden wollen, sondern auch gerade für die, die das nicht wollen, und eigentlich Besseres zu tun hätten; die nur deshalb überhaupt einschalten, weil es... gezeigt wird. Darüber machen sich TV-Produktionsfirmen und Medienforscher ganz sicher erheblich mehr Gedanken als die Zuschauer. Müsste noch geklärt werden, wer davon strategisch im Vorteil ist.

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