Freitag, 5. April 2013

Überall haarscharf daneben


Wenn Sie es bisher noch nicht wussten: Das größte Problem, das die Menschheit hat, ist ein übergreifendes Kommunikationsproblem. Angefangen beim Nachbarschaftsstreit um den Gartenzaun und erbitterten Kämpfen um freie Parkplätze bis zum drohenden Atomkrieg in Korea. Alles nur Kommunikationsprobleme. Ob das nun beruhigend ist, wäre noch zu klären.

Der deutsche Kanzlerkandidat der SPD, Per Steinbrück, hat Ziele, Argumente und die für Politiker inzwischen recht seltene Eigenart, „Klartext“ zu reden. Gerade deshalb hat man ihm ein Kommunikationsproblem attestiert.
Im Zusammenhang mit dem Desaster um das Bahnprojekt „Stuttgart21“ wiederum stellte der Ex-Ministerpräsident Mappus (CDU) fest, dass ganz einfach „die begleitende Kommunikation nicht gestimmt“ habe. Ein paar Wochen später meinte Verkehrsminister Ramsauer (CSU) zum selben Projekt, dass „die eigentliche Ursache“ der Milliarden-Katastrophe in „schweren Kommunikationsfehlern“ zu finden sei.

Nicht anders auch in der Schweiz, wo eine Gesetzesvorlage zum totalen Rauchverbot scheiterte, worauf die „grüne“ Nationalrätin Yvonne Gilli (SG) meinte, es sei „nicht gelungen zu kommunizieren, dass es auch um den Arbeitnehmerschutz“ ginge.
Und auch nicht anders in anderen Bereichen, sogar beim Klimawandel. Die Fachleute von „Nature Geoscience“ sehen den weiteren Klimaschutz dadurch gefährdet, dass der Weltklimarat IPCC die Klimaprognosen mangelhaft kommunizieren würde.

Früher meinte man, Vorhaben und Projekte würden an mangelnder Information scheitern. Heute jedoch, im „Zeitalter der totalen Information“, muss ein Scheitern offenbar andere Gründe haben. Etwa den, dass die totale Information falsch kommuniziert wurde. Vielleicht wird man irgendwann erkennen, dass man auch damit auf dem Holzweg ist. Doch das dauert noch mindestens so lange, bis man sich darauf verständigt hat, was Kommunikation eigentlich isr(?).

Bis zum Exzess wird nimmermüde beispielsweise Paul Watzlawicks Spruch „Man kann nicht nicht-kommunizieren“ beschworen. Leider jedoch setzt diese Weisheit klammheimlich einen „Empfänger“ voraus. Ohne anwesenden „Empfänger“ keine Kommunikation, also kann man sehr wohl auch nicht-kommunizieren.
Und das erst recht, wenn es nach Niklas Luhmann geht, dem Urheber der soziologischen Systemtheorie, denn ihm zufolge ist es dem Menschen überhaupt nicht möglich, zu kommunizieren: „Nur die Kommunikation kann kommunzieren“. Sieh an.

Die Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela wiederum haben in ihren revolutionären Arbeiten festgestellt: „Wahr ist nicht, was der Sender sendet, sondern nur das, was der Empfänger versteht“. Demnach ist es ziemlich schnurz, was der „Sender“ mitteilen will, und wie und auf welche Weise er das tut, wie intensiv er an Mimik und Rhetorik und an seinen Botschaften herumfeilt: Er hat auf der Erfolg seiner Kommunikation nicht den geringsten Einfluss. Positiv betrachtet: Er kann dabei auch nichts falsch machen.

Und dann gibt es da mindestens noch den Medientheoretiker Vilém Flusser, der „drei Hauptsätze der Kommunikation“ aufgestellt hat. Der dritte davon lautet: „Wer kommunizieren will, darf nur wenig informieren“. Aha. Manchmal hat man das Gefühl, diese Regel wird unbewusst bereits umfassend angewendet. Man hat sie nur noch nicht verstanden.
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