Mittwoch, 2. April 2014

digitale Analogien

Wie alles andere, ist auch unsere Sprache in permanenter Veränderung. Wenn man außerdem weiß, dass die Sprache einen ganz erheblichen Einfluss auf das Denken hat, wäre es wirklich besser, wenn manche zeitgeistigen Entwicklungen keinen nachhaltigen Effekt haben mögen. Frei nach Wittgenstein: Erst redet man sich, und dann denkt man sich um den Verstand.

Es ist schon einige Jahre her, da musste man stark aufpassen, nicht gegen seinen Willen von irgendwem abgeholt und anderswo hin gebracht zu werden, wenn auch zunächst nur sprachlich. „Wir müssen die Menschen da abholen, wo sie sind“ war als flotter Spruch dermaßen trendig, dass er alle Nase lang zu lesen und zu hören war.

Heute wiederum scheint jeder, der bei einer x-beliebigen Gelegenheit zu Wort kommen darf, über die Lage um kurz vor Mitternacht reden zu müssen, nämlich: „Am Ende des Tages…“. Das soll wohl das „letztlich“ ersetzen; oder das bei Juristen und Betriebswirten so beliebte „Im Ergebnis…“; oder den „Endeffekt“, der in der breiten Bevölkerung schon eher verbreitet ist. Nun, letztlich werden wir im Ergebnis am Ende des Tages sehen, wie lange sich dieser Verbaltrend im Endeffekt halten wird.

Fast schon kurios wird es jedoch, wenn es sich thematisch um vermeintliche Endeffekte der Digitalisierung dreht. In der immer wieder aufgewärmten Diskussion darüber, ob das Internet uns (vor allem: Kinder und Jugendliche) süchtig und/oder dumm macht, stellt man neuerdings dem Digitalen auch rein sprachlich das Analoge gegenüber.

Sich über „soziale Netzwerke“ auszutauschen und Kontakte zu pflegen, ist demnach eine digitale Angelegenheit und qualitativ keinesfalls so ergiebig, als ob man das analog tun würde. Wobei man mit „analog“ irgendetwas zu meinen scheint wie „in echt“, also: sich gegenüber sitzend, Auge in Auge.

Und demnach ist das Aufsetzen einer eMail eine digitale Handlung, auch wenn man das ganz in echt mit den eigenen Fingern vornimmt. Mit dem Kugelschreiber dagegen schreibt man nicht mehr nur einfach etwas auf, sondern man notiert es analog. Parallel dazu wäre es besser, wenn Kinder nicht digital an der Spielkonsole sitzen, sondern analog Fußball spielen, also: in echt, draußen auf der Wiese, an der frischen Luft und so.

Da fragt man sich glatt, wie viele Menschen bei der kürzlichen Umstellung auf die Sommerzeit ihre Digitaluhren analog eingestellt haben, und wie das bei Funkuhren digital funktioniert, und trotzdem ganz in echt.


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