Donnerstag, 12. Juni 2014

meisterlich (v)errechnet

Na, endlich! Es orakelt wieder! Pünktlich zu jeder fußballerischen Großveranstaltung wird vorhergesehen, dass die deutsche Nationalmannschaft wahlweise Europa- oder Weltmeister wird. Nein. Nicht mittels Kristallkugeln, Kaffeesatz oder Tarotkarten. Wer wird an solchen Unsinn glauben. Der Unsinn wird vielmehr hochpräzise mathematisch errechnet.

Im Jahr 2006 fand die arithmetische Prophezeiung noch relativ simpel statt, unter Zuhilfenahme von Variablen vorheriger Weltmeistertitel der Jahre 1954, 1974 und 1990. Es war zu rechnen: 54x74-1990, Ergebnis: 2006, folgerichtig hätte Deutschland Weltmeister werden würden müssen geworden sein. Wie die meisten von uns wissen: Es kam anders. Trotz mathematischer Formel.

Für die folgende WM 2010 in Südafrika begnügte man sich dagegen nicht mit solchen Bierdeckelberechnungen an Stammtischen. Niemand geringerer als der Dortmunder Physikprofessor Metin Tolan erklärte damals, vor vier Jahren: „Im Durchschnitt hat Deutschland in der Vergangenheit Platz 3,7 belegt, um diesen Wert schwankten die Platzierungen. Dazu kommt, dass wir alle vier, fünf Jahre ein besonders starkes Team hatten. Das kann man mit einer Kosinus-Funktion beschreiben“.

Demnach hätte Deutschland bereits 2006 Weltmeister werden müssen, doch eine Besonderheit der Formel liege – laut Tolan – darin, dass der Finalsieg immer ein WM-Turnier zu früh als Ergebnis hätte. Zwangsläufig müsse Deutschland demzufolge also eben 2010 Weltmeister werden, so Tolan damals. Jedoch erneut: …hätte geworden werden müssen, doch wurde leider doch wieder nicht.

Die mathematische Orakelung hatte damit keineswegs ein Ende. Zwei Jahre später, zur Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine erklärten zwei Experten vor dem Turnier wieder einmal Deutschland zum zwangsläufig neuen Titelträger: Michael Groll von der Deutschen Sporthochschule Köln und Bernd Giezek von der International School of Management in Frankfurt.

Per statistischer Berechnungen der Rangfolge der Teams, bei anschließender Spielsimulation nach Gruppeneinteilung und Spielplan, plus zusätzlicher Sondereffekte wie verschiedener Zufallsfaktoren, sowie diverser Messgrößen wie den Marktwert der Mannschaften, den Koeffizienten in der UEFA-Rangliste und Wettquoten würde Deutschland triumphieren.
Der Faktor „Zufall“ im Fußball besteht übrigens aus den Unterkategorien „Glück“ (Schiedsrichterentscheidungen, Pfostenschüsse, u.ä.) und „Tagesform“, die als Standardabweichung vom geschätzten Qualitätspotenzial gesetzt wird – das haben die Hamburger Wissenschaftler Quitzau und Vöpel in einer Studie im Jahr 2009 ermittelt.

Eine andere Standardabweichung zeigte sich erst gegen Ende der EM 2012, nämlich die standardmäßige Abweichung der Realität von der gesicherten Berechnung: Europameister wurde eben nicht Deutschland, sondern das schier unberechenbare Spanien.

Wie auch vor der WM 2010 in Südafrika hat auch diesmal wieder der Professor an der Technischen Universität Dortmund, Metin Tolan, den Ausgang des Turniers in Brasiliem berechnet: standardmäßig abweichend wird demnach wieder Deutschland Weltmeister!
Grundlage seiner Berechnung ist die Torquote der deutschen Nationalmannschaft, durchschnittlich 3,6 Tore in der WM-Qualifikation, mehr als jedes andere Nationalteam.  Die Torquoten der WM-Teilnehmer ließ Tolan in eine Formel zum radioaktiven Zerfall von Atomen einfließen, und von einer Software über 100.000-mal berechnen.
Ergebnis: Deutschland holt mit 20,33% Wahrscheinlichkeit den Titel, das ist 6,5-mal wahrscheinlicher als bei anderen Nationen. Spanien mit 0,65% und Brasilien mit 9,04% sind dagegen nur völlig überschätzte Außenseiter.

Allmählich wünsche ich mir, dass alternativ doch einmal jemand im Kaffeesatz lesen möge, vielleicht Frau Sommer, passenderweise mit ihrer „Krönung“.

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