Montag, 25. August 2014

beruflich desorientiert.

Wir leben in einer Zeit unverantworteten Geschwätzes“ stellte Rupert Lay bereits vor einigen Jahren fest. Verschiedene Anzeichen dafür findet man nahezu überall. Bei Weitem nicht nur in der Politik. Längst auch im Alltag, wenn eine frühere Putzfrau, die heute Reinigungskraft heißt, die Absage einer Gehaltserhöhung gern hinnimmt, wenn man sie ab sofort Hygienebeauftragte nennt. Dabei ist das noch harmlos.

Kürzlich fiel mir der Katalog einer Volkshochschule in die Hände. Unter etlichen anderen werden darin zwei recht ähnliche Kurse angeboten, der eine von einem „ausgebildeten Schneeschuhführer“ (was es nicht alles gibt), der andere von einem „gepr. Snow Shoe Instructor“ (was es nicht alles gibt).

Prompt stellten mir meine Synapsen einige Erinnerungen zur Verfügung. Eine davon lieferte mir einen meiner Seminarteilnehmer, der mir vor ein paar Jahren in einem Pausen-Smalltalk erklärte, er sei „Call Center Agent im Inbound-Bereich eines Frontoffice, im First-Level-Support“. Sieh an. Eine solche Arbeitsplatzbeschreibung ist inzwischen so erstaunlich normal verbreitet, dass es nicht-normal wirkt, wenn sich darüber jemand wundert oder gar amüsiert.

Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx hat das in seinem Buch „Wie wir leben werden“ trefflich so beschrieben, dass es ohnehin keine lebenslangen Arbeitsplätze mehr geben würde, und man sich in Zukunft statt dessen einfach einen eigenen Beruf erfindet, damit sei man auf der sicheren Seite.

Früher jedenfalls gab es die ernsthaft-humorigen Kabarettisten wie Dieter Hildebrandt, Werner Schneider, u.a., daneben ein paar Satiriker wie Loriot, Ephraim Kishon, und am Rande die reinen Spaßmacher wie Otto Waalkes, die blödeln durften, wie sie wollten. Plötzlich tauchten dann überall so genannte „Comedians“ auf, die eine Mixtur aus dem Ganzen darstellen sollen und irgendetwas machen, was man vorher nicht zuordnen konnte.

Seit ein paar Jahren darf man wiederum hin und wieder die Tätigkeitsbezeichnung „Blogger“ lesen. Menschen, die auf einer eigenen Internetseite unkontrolliert persönliche Kommentare veröffentlichen. Das qualitative Niveau ist Nebensache, auf ein massentaugliches Thema kommt es an; dann kann man über eingebaute Werbebanner damit irgendwie Geld verdienen, und ist „Blogger“ von Beruf.

Oder auch: „YouTuber“, wenn man dasselbe, ebenso massentauglich, am besten in Form von „Comedy“, mit kurzen Heimvideos betreibt: Auf die Klick-Zahlen kommt es an, das produziert potenzielles Einkommen über Werbe-Einblendungen, und man ist „YouTuber“ von Beruf.

Wenn einem für beides partout das Talent fehlt, kann man sich in einem gewissen Altersspektrum auch ersatzweise einmal jährlich „casten“ lassen, in TV-Shows für zukünftige Superstars, Topmodels, Millionärsbräute und „It-Girls“. Dafür reicht es sogar, einigermaßen trällern bzw. auf einem Laufsteg zehn Meter unfallfrei geradeaus gehen zu können oder einfach nur einen guten Eindruck zu machen.

Alternativ oder ergänzend kann man auch professionell – also: hauptberuflich – Computerspiele spielen, wobei übrigens auch blutrünstige Ballerspiele im „Profi-Gaming“ als „Sport“ gelten. Man reist durch das Land oder auch über Kontinente, tritt bei Turnieren an, sammelt Preisgelder ein, mitunter bis zum Großverdiener, und man ist „eSportler“ von Beruf.

Das ist die Welt, in der die Jugend heute aufwachsen darf. Und parallel zu dem Ganzen erklärt man den Eltern, dass sie ihre Kinder für unsere Wissensgesellschaft und Bildungsrepublik fit zu machen haben. Viel Glück dabei.

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