Donnerstag, 28. August 2014

vorsorglich kriminell.

Kürzlich wurde in einer „3sat“-Dokumentation spekuliert, ob man Kriminelle anhand ihres Gehirns identifizieren könnte. Experimente würden das nahelegen. Erst recht, seit eine Hirnforscherin bei Tierversuchen an Mäusen ein Gen entdeckt hätte, das irgendeine Verhaltensweise steuern würde, je nach dem, ob dieses Gen „an-“ oder „abgeschaltet“ sei. Faszinierend.

Die erste wichtige Frage jedoch, die hier nicht gestellt wird, gilt der fachberuflichen Zuständigkeit. Nämlich wenn eine Hirnforscherin im Labor Genforschung betreibt, wofür doch eigentlich Genforscher zuständig sind. Es sei denn, die Frau ist Genforscherin und wird (auch) als Hirnforscherin bezeichnet, weil ihre Forschungen an Genmaterial neue Erkenntnisse über Gehirnfunktionen liefern sollen. Oder wie?

Diese Kompetenzfrage bleibt ohnehin auffällig oft unbeantwortet. Wie es heißt, sind über die Hälfte der Hirnforscher eigentlich Psychologen oder Psychiater von Beruf, was niemand sonderlich zu hinterfragen scheint, weder kritisch noch überhaupt. Dabei ist das ungefähr so, als ob man einem Stauforscher die TÜV-Abnahme von Automobilen überträgt.

Eine andere durchgehend ungestellte Frage betrifft den Zweck des Ganzen. Nein, natürlich werden kostspielige Forschungen irgendwo zwischen Denken und Verhalten, Gehirn und Genen nicht von Konzernen finanziert, die erheblich gern alles über das Kaufverhalten der Menschen wüssten. Auf gar keinen Fall. Und falls doch, erklärt man uns das ein wenig anders.

Es geht nämlich vor allem darum, in Zukunft irgendwann eine „kriminelle Veranlagung“ in Menschen erkennen zu können, irgendwo in deren Gehirn oder Genen, um sie rechtzeitig therapieren oder aussortieren zu können, bevor sie straffällig werden. Es geht – wie immer – um das Gute. Natürlich. Und ganz nebenbei auch um ein wenig Marketing für die Wissenschaft.

Dabei kann man sich das ganze spekulative Herumforschen prima sparen und ersatzweise ein Buch lesen und einen Spielfilm ansehen. Das Buch: „Unheil. Warum jeder zum Mörder werden kann“, geschrieben vom ehemaligen Chefermittler der Münchener Mordkommission Josef Wilfing. Der Film: „Falling Down“, Untertitel „Ein ganz normaler Tag“ mit Michael Douglas in der Hauptrolle.

Dazu vielleicht noch ein wenig Hintergrund aus der Biologie, nämlich die „Reiz-Summen-Regel“, wonach bestimmte Reaktionen und Handlungen erst dann erfolgen, wenn eine (angesammelte) Reizqualität einen bestimmten Schwellwert überschreitet. Anders gesagt: Man kann einiges „schlucken“ – doch irgendwann reagiert man darauf irgendwie. Keiner weiß wann. Keiner weiß wie. „Ein kleiner Funke reicht“.

Und weil das Ganze nun so ziemlich gar nichts mit einer organischen „Veranlagung“ in Gehirn oder Genen zu tun hat, hilft es auch nichts, Menschen aufgrund eines Hirnscans im CT oder einer DNA-Analyse vorsorglich wegzusperren – oder Forscher in ihre Laboratorien.

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