Montag, 26. Januar 2015

schulisch getutet

Es ist in mehrfacher Hinsicht aufregend, Vater eines Grundschülers zu sein, und live und in Farbe mitzubekommen, was unbeteiligten Theoretikern entgeht – gerade, wenn es um Wissen, Bildung und insbesondere um Fragen der Schulbildung geht. Noch schlimmer, wenn man sich als direktbeteiligter Zwangspraktiker auch noch leidenschaftlich beruflich mit solchen Themen beschäftigt.

Da berichtet unser siebenjähriger Sohn, inzwischen Zweitklässler, er habe in seinem anstaltlichen Unterricht nun ganz neu „Tun-“ und „Wie-Wörter“ erlernt. Na, prima. Und das, wo man den Nachwuchs jahrelang schon vorschulisch darauf hingewiesen hat, das „Tu’“ bitte tunlichst zu vermeiden, außer in unvermeidbaren Fällen, in denen beispielsweise „der Bauch weh tut“.

Um den Lerneffekt sicherzustellen, reagierte ich bei Notwendigkeit mit einem „Tuuut … Tuuut“. Das hatte Wirkung. Und nun lernt unser Junge offiziell „Tun-Wörter“, um in ein paar Jahren umzulernen, dass man das eben doch nicht sagt, sondern die selben Wörter bitte eleganter als  „Verben“ bezeichnet. Auch wenn der Bauch dann immer noch weh tut, und deshalb nicht etwa verbt.

Nach dieser Einleitung durfte ich erfahren, dass die Hausaufgaben darin bestünden, „Tun-Wörter“ für Pflanzen zu finden. Ich war darüber nicht wirklich überrascht, auch nicht verblüfft, ich war irgend etwas anderes: Wörter, die beschreiben, was Pflanzen tun? Im Ernst? Oder nicht vielmehr, was der Mensch so alles mit Pflanzen anstellt?

In der Tat: Pflanzen… sprießen, wachsen, blühen. Aha. Etwas zu tun, bedeutet Handeln. Ist das Sprießen, Wachsen und Blühen also etwas, was Pflanzen tun(?), quasi sichtbare Ausdrucksformen ihres Handelns? Andererseits: Wenn der Bauch weh tut, dann handelt er wahrscheinlich auch nicht eigenmächtig. Erfahrungsgemäß ist es allerdings besser, man stellt solche Fragen nicht, sondern lässt den Jungen einfach seine „Tun-Wörter“ notieren. Schon alleine, um den zeitlichen Rahmen nicht zu sprengen, der für Hausaufgaben verantwortbar ist.

Doch kaum, dass man sich davon erholt hat, erfährt man, dass die Hausaufgaben auch das Notieren von Sätzen mit „Wie-Wörtern“ beinhaltet, wie beispielsweise „Die Nacht ist dunkel“. Aber nicht doch. Nein. Mitnichten. „Die Nacht“ ist eine Bezeichnung für eine Beobachtung – und sonst gar nichts. Und dass eine Bezeichnung „dunkel“ ist, das ist schulisch verordneter Unsinn.

Insgesamt: Eine sprachliche Schlamperei, die den Kleinsten in den Kopf gepflanzt wird, inmitten unseren Bildungszeitalters, mitten in unserer Wissensgesellschaft, in der man dann alle Hände voll zu tun hat, sich mit den Folgeproblemen herumzuschlagen.


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