Freitag, 10. Juli 2015

reichlich verwässert

Man kann sich fast schon täglich fragen, auf welchem Stand die heutige Schulbildung eigentlich stattfindet. Kein Wunder, wenn Schulbücher und Arbeitsblätter rein aus Kostengründen über etliche Jahre hinweg durch die Klassen geschleift werden, auch wenn sich der Wissensstand der Menschheit längst darüber hinweg entwickelt hat. Eine „Bildungsoffensive“ als grob fahrlässige Fehlbildung wehrloser Kinder.

Da kam unser grundbeschulter Junge mit der Botschaft nach Hause, es gäbe im Heimat- und Sachkundeunterricht endlich ein neues Thema: Wasser. Also H2O ganz im Allgemeinen, in der Natur, in Flüssen, Seen, Meeren und in Wolkenform, Wasser aus der Leitung, abgefüllt in Flaschen, eingefüllt in Zahnputzbecher und Badewannen. Wasser, das Lebenselixier schlechthin. Nun gut: Neben Licht und Sauerstoff, versteht sich. Naja, und auch neben Wind und Wetter, neben Gravitation, Erdrotation, Neigungswinkel der Erdachse, Photosynthese und dem Gesamtökosystem.

Einen groben Umriss über Erscheinungsformen und Anwendungsbereiche des Wassers liefert dann sogar ein extra Arbeitsblatt, das den Zweitklässlern ausgehändigt wurde. Die Betonung muss hierbei auf „grob“ liegen. Das Ganze mutet ähnlich an, als würde man die Griechenlandkrise darauf reduzieren, dass es dabei um ganz viel Geld im Allgemeinen und den Euro im Speziellen gehe. Wie man mit solch einem Arbeitsblatt tatsächlich arbeiten kann, muss man dahingestellt sein lassen und auf die Kompetenz der Lehrkraft vertrauen.

Schließlich steht da wortwörtlich, man soll unbedingt Wasser sparen. Das ist, was unseren Kindern beigebracht wird. Natürlich: Auf unserem Planeten ist trinkbares Süßwasser nur begrenzt vorhanden. Und in Afrika gibt es nur ganz, ganz wenig davon. Dort müssen die Menschen Kilometer weit zum Brunnen laufen, und natürlich auch wieder zurück, für ein paar Liter Wasser, das hier bei uns einfach aus der Leitung kommt und sogar zur Klospülung verwendet wird. Man sollte deshalb also sparsam mit dem kostbaren Gut umgehen.

Grober Unfug, gelehrt auf der Grundschule, wahrscheinlich sogar planmäßig, nämlich per Lehrplan, überrollt von einer Bildungsoffensive. Tatsächlich nämlich ist dieser Fimmel des Wassersparens zum ernsthaften Problem geworden. Abwasserkanäle werden nicht mehr ausreichend durchspült, weshalb sich übelriechende Rückstände und Gase in der Kanalisation bilden, die den Beton der Rohre zersetzen. Städte und Gemeinden geben Unsummen dafür aus, die Kanäle mit Tausenden Litern Wasser aus Hydranten zu fluten. Das kostet. Und das erhöht erstens die Wasserpreise und macht zweitens das Wassersparen zur Farce.

Und das noch ganz abgesehen davon, dass der Wassergeiz den Grundwasserspiegel steigen lässt. In Berlin zum Beispiel in den letzten 25 Jahren um einen ganzen Meter. Das wiederum bedroht die Fundamente etlicher Gebäude, unter anderen des Roten Rathauses und des Konzerthauses am Gendarmenmarkt. Die Behebung dieses Problems schätzt man auf 100 Millionen Euro in den nächsten 50 Jahren. Und zwar: …weil Wasser gespart wird.

In voller Ignoranz dieses besseren Wissens wurde unser Sohn nun also amtlich schulisch belehrt, dass Wassersparen unheimlich wichtig sei. So muss man als Eltern gegen die Autorität einer Lehrkraft ankämpfen, was bei Kindern im Grundschulalter ziemlich schwierig ist. Man könnte sich natürlich auch direkt an die Lehrkraft wenden, mit der dringlichen Bitte, den Unsinn mindestens zu relativieren und den Kindern auch die Nachteile des Wassersparens zu erklären. Unter anderem. Denn es gibt eine ganze Menge solchen Unfugs, der den Schulkindern gelehrt wird.

Allerdings gilt man dann schnell als so genannte „Helikopter“- bzw. „Hubschrauber-Eltern“, die sich besserwisserisch in die pädagogischen Angelegenheiten der Schule einmischen. Alternativ erklärt man den Kindern das bessere Wissen höchstpersönlich selbst, idealerweise im Rahmen der Hausaufgaben. Das Dumme daran ist, dass bei der nächsten Lernzielkontrolle nur das alte, falsche Wissen die volle Punktzahl bringt. Ein Kind, das das richtigere Wissen hat, bekommt Punktabzüge und eine schlechtere Note. Willkommen in der Bildungsrepublik!

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