Donnerstag, 8. Oktober 2015

unterhaltsam gebildet

Die Welt will unterhalten werden. Ich muss mich wohl langsam damit abfinden. Immerhin lebt eine ganze Industrie davon. Rund 10 Milliarden Euro jährlich werden in Deutschland zur persönlichen Unterhaltung und Vergnügung ausgegeben. Eine Summe, die ungefähr dem Bildungsetat der Bundesrepublik entspricht. Doch zugegeben: Was heißt das schon?

Angeblich leiden mindestens 40 Prozent der Deutschen unter Stress.und Druck bei der Arbeit. Schon unter Schülern sollen 30 Prozent unter Leistungsdruck leiden. Einige der Betroffenen erkranken daran nachhaltig psychisch, werden chronisch depressiv und/oder stürzen sich u.a. auf Nikotin, Alkohol und Medikamente.

Parallel dazu ist jede Menge Angst allgegenwärtig: Angst vor Naturkatastrophen sollen 53% der Deutschen haben, Angst vor Terroranschlägen (52%), vor schweren Krankheiten (47%), vor einer schlechten Wirtschaftslage (40%) und eigener Arbeitslosigkeit (32%). Runde 60% haben eine generelle Angst vor der Zukunft. ( Das hängt natürlich alles davon ab, wer welche Menschen zu welchem Zeitpunkt wonach befragt. Die Angst vor Terrorismus dürfte verstärkt präsent sein, wenn gerade irgendwo ein Terroranschlag stattgefunden hat. )

Bei all dem Stress und Druck und all den parallel wirkenden Ängsten ist es kein Wunder, wenn sich die Menschen davon gern ablenken lassen – und dieser offenbar enorme Bedarf eine ganze Industrie ermöglicht hat, die milliardenschwere Umsätze einfährt: Unterhaltung und Vergnügung als Massenware vom Fließband, für die Masse gestresster, deprimierter und verängstigter Menschen.

Dazu kommt die mittlerweile grob unterschätzte Zwangsunterhaltung über die Fernsehkanäle nach dem Leitmotiv „We love to entertain you“. Da schießen so genannte Comedians, die früher (treffender) „Spaßmacher“ genannt wurden, wie Pilze aus dem Boden – was womöglich an den inzwischen Dutzenden Comedy-Shows liegt, die schließlich Personal benötigen und so ziemlich alles auf die Bühne zerren, was halbwegs einen alten Kalauer nacherzählen kann.

ARD und ZDF wiederum veranlassten vor ein/zwei Jahren Neubauten der Sendestudios ihrer Hauptnachrichten in zweistelliger Millionenhöhe mit dem Argument, auch Nachrichten müssten heutzutage unterhaltsam präsentiert werden. Und eine TV-Größe wie Günther Jauch wies in einem Interview darauf hin, dass der Boom der Quiz-Sendungen keineswegs etwas mit Bildung zu tun hätte, sondern es in allen Fällen um nichts anderes als Unterhaltung ginge. So hat man inzwischen einen einzigen angedickten Brei amüsanter medialer Massenware.

Das soll natürlich nicht den Eindruck erwecken, Bildung und Unterhaltung würden sich zwangsläufig widersprechen und/oder müssten (deshalb) strikt voneinander getrennt bleiben. Warum sollte sich nicht auch beides miteinander verbinden lassen? Allenfalls weil wir das als Gegensätze erlernt haben und Schulkindern immer noch so beigebracht wird: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Und schließlich spricht der Volksmund nicht gerade amüsiert vom „Ernst des Lebens“.

Parallel zu diesen Beobachtungen mache ich jedoch die Feststellung, dass der Unfug, der uns allen ständig als „Wissen“ und „Bildung“ unter die Nase gerieben, auf die Augen und in die Ohren gedrückt wird, tatsächlich nur noch mit einer guten Portion Humor zu ertragen ist. Ich erwische mich selbst immer öfter bei einem amüsierten Lächeln als mich (wie früher) darüber aufzuregen.

Für Sie als geneigten Leser und ggf Freund meiner Denkimpulse und Ansätze hat das zur Folge: Auch außerhalb meiner Vorträge und Seminare schlage mich ab sofort auch öffentlich verstärkt auf die Seite des Humors. Mit inspirierendem Witz, ironischen Anmerkungen und satirischen Spitzen, ganz so, wie Sie mich ggf auch persönlich kennen. Ich wünsche viel Freude, wenn es um den „Ernst des Lebens“ geht.


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