Dienstag, 22. Dezember 2015

mühelos verkorkst

Wir leben in einer seltsamen Zeit. Doch das empfindet man so wahrscheinlich nur als Angehöriger einer älteren Generation. Die jüngere ist in diese komische Instant- und FastFood-Ära hineingeboren worden und kennt das nicht anders. Kein Grund, sich darüber aufzuregen. Aber ein bisschen wundern darf man sich durchaus.

Nach meinen Erkenntnissen scheint es die Jugend heute gewöhnt zu sein, dass alles auf Knopfdruck funktioniert. Nur die Jugend? Nein. Nicht nur die Jugend. Dieses Phänomen, dass alles mögliche bitte sofort und ohne große Mühe zu haben ist, und ständig und im Überfluss verfügbar zu sein hat, hat längst auch ältere Generationen infiziert.

Man hat keine Geduld mehr. Man hat keine Muße mehr. Man hat nicht einmal mehr die Bereitschaft dazu. Und noch nicht einmal mehr die Einsicht, die Bereitschaft dafür aufzubringen. Die mühelose Bequemlichkeit ist inzwischen zur selbstverständlichen Erwartungshaltung gewuchert.

In Botschaften mit gerade einmal 160 (SMS) oder gar nur 140 Zeichen („Twitter“) spart man sich prompt die Begrüßung, ein sparsames „VG“ oder „LG“ am Ende muss zwangsläufig ausreichen, doch selbst das kann man wohl problemlos komplett weglassen.

Auf diese Weise geht jeglicher Anspruch (z.B. an Höflichkeit) nicht nur verloren, man hat sogar noch Verständnis dafür. Schließlich ist man gezwungen sich kurz zu fassen und dabei zu stammeln. Genötigt durch marktbeherrschende Konzerne

Exact umgekehrt ist der Anspruch auf ein Maximum gestiegen, wenn es um Reaktionen geht: Man beansprucht sofortige Antwort auf seine Mitteilungen. Und exact umgekehrt hat man hier kaum Verständnis dafür, wenn das nicht passiert. Genötigt durch marktbeherrschende Konzerne.

Nahtlos passen in dieses Phänomen die TV-Nachrichtensender mit ihren Dauerlaufschriften: „Breaking News“ schlagartig auf dem Bildschirm, selbst aus dem hintersten Winkel der Welt, ansonsten sinn- und zwecklose Meldungen in extremer Kurzform, die jegliche Hirnbelastung unnötig machen.

Ich denke ernsthaft darüber nach, einen sog. „Mikroblogging“-Dienst ins Leben zu rufen. Vielleicht nenne ich ihn „Flöt“. Mitteilungen mit nur noch 20 Zeichen (wenn überhaupt), die komplett aus Abkürzungen bestehen. Dann wird nicht mehr nur gesimst und getwittert, dann wird extrem bequem geflötet. Pfeifen wir darauf.

Samstag, 12. Dezember 2015

klimatisch verhandelt

Gut zwei Wochen nach den Terroranschlägen in Paris versammelten sich genau dort – erstaunlicherweise völlig unbedroht – über 130 Staats- und Regierungschefs beim UNO-Klimagiipfel, um über die Rettung des Weltklimas zu verhandeln. Mit anderen Worten: Der Klimawandel ist reine Verhandlungssache. 

Auf der Website des „Spiegel“ prangte begleitend zum Klimagipfel die Topmeldung „Hier wird der Klimawandel sichtbar“, garniert mit einigen Fotos: „Wie weit die Erderwärmung bereits vorangeschritten ist, zeigt der Vergleich historischer Gletscherfotos mit aktuellen Aufnahmen“.

Diese historischen Bilder stammen aus den Jahren zwischen 1911 und 1932. Ach. wie dramatisch dieser direkte Vergleich. Man fragt sich glatt, warum man nicht einfach die heutige Landschaft mit der köchelnden Ursuppe der Erdentstehung vergleicht. Es wäre halt nicht so dramatisch. Im Gegenteil: Man wäre wohl ziemlich froh über das heutige Klima.

Dramatisierungseffekte dieser Art kennt jeder aus der Werbung, wenn Produkte mit vermeintlichen „Vorher-Nachher“-Vergleichen angepriesen werden. Wer warum zu solchen Methoden greift, wenn es um den Klimawandel geht, möge der geneigte Leser bitte selbst überdenken.

Eine andere Anregung liefert die nächtens in Regionalprogrammen ausgestrahlte „Tagesschau vor 25 Jahren“: Da verkündete der Wetterbericht für die erste Januar-Woche des Jahres 1991 Temperaturen zwischen 7 und 12 Grad, im Süden bei Föhn bis zu satten 16 Grad. Auch schon damals irgendwie kein „richtiger“ Winter.

Dafür hatten wir dieses Jahr einen enorm hitzigen Sommer, jedoch ganz ohne jeden Klimawandel. Jedenfalls nicht in den Medien. Erst jetzt, Anfang Dezember, wird das Thema parallel zum Weltklimagipfel plötzlich wieder interessant, weil man schließlich bitteschön weiße Weihnacht haben will. Doch statt dessen sind vereinzelt blühende Osterglocken zu bewundern und leiden Allergiker unter Pollenflug.

Mojib Latif, der erstaunlich bekannte Klimaforscher, der bei solchen Gelegenheiten üblicherweise interviewt wird, verwies allerdings auf irgendeinen Vier-Jahres-Rhythmus, wonach das Wetter aktuell noch ziemlich normal ist. Erheblich beruhigend, dass sich das Wetter noch immer nach unseren Normen richtet.