Montag, 21. November 2016

populistisch betroffen

Spätestens seit den allgemein unerwünschten Erfolgen von Donald Trump in den Vereinigten Staaten und der „AfD“ in Deutschland ist der „Populismus“ in aller Munde. Dabei wird dieser Begriff ironischerweise extrem populistisch verwendet,  mitunter gerade von denen, die Nicht-Populisten sein wollen.

Ein Populist ist, wer für sich in Anspruch nimmt, „die Stimme des Volkes“ und „den einfachen Menschen“ zu vertreten, und zwar mit einfachen Worten. Das scheint man nicht zu dürfen. Ansonsten wird es einem vorgeworfen. Jedenfalls in der Politik.

Dumm nur, wenn Politik und einige Politiker letztlich nichts anderes darstellen als das berüchtigte „Spiegelbild der Gesellschaft“. Dann wären gerade die Nicht-Populisten diejenigen, die vom „einfachen Menschen“ am weitesten entfernt sind – und das auch noch toll finden und für richtig halten.

Dabei hat es Populisten schon immer gegeben. Vor ein paar Jahren warnte man etwa vor dem gemeingefährlichen Franz Schönhuber, dem Gründer der „Republikaner“, oder vor einem gewissen Ronald Schill, dem „Sheriff von Hamburg“. So ähnlich wird es auch der „AfD“ und einzelnen Figuren ergehen.

Dass der Populismus momentan Hochkonjunktur hat, ist dabei schlicht und einfach zeitgemäß. Eben in einer Zeit, in der jeder auf „Facebook“ nach „Gefällt-mir“-Klicks geifert, bei „YouTube“ nach Abonnenten und bei „Twitter“ nach „Followern“ jagt, in einer Zeit der unzähligen Casting-Shows.

Erfolg hat, wer sich massenkompatibel inszeniert. Und Erfolg definiert sich über den schnöden Massenzuspruch und die Menge an „Gefällt-mir“-Klicks und „Followern“, von so etwas wie Qualität nicht zu reden. Und da machen auch die Populismuskritiker fleißig mit, um vor Populismus zu warnen.

Mittwoch, 16. November 2016

präsidial geschachert

Frank-Walter Steinmeier wird also neuer Bundespräsident. Das hat die SPD quasi ganz allein so beschlossen. Als wahrer „Coup“ von Sigmar Gabriel und als eher peinliche Niederlage von Angela Merkel wird das betrachtet. In Wirklichkeit ist es ziemlich egal, dafür aber noch viel schlimmer.

Wer sich dafür interessiert, warum so jemand wie Donald Trump tatsächlich zum künftigen US-Präsidenten gewählt werden konnte, und was die deutsche Politik daraus nicht gelernt hat, muss sich nur die vorgeplante Wahl Steinmeiers zum Bundespräsidenten ansehen.

Neben dem mittlerweile üblichem, ärgerlichem Geklüngel und Geschacher um diesen Job hat diese Schote – laut Politik-Experten – mindestens noch zwei weitere tiefere Bedeutungen für die Bundestagswahl im kommenden Jahr 2017.

Erstens: Allem spekulativem Gerede über einen gewissen Martin Schulz zum Trotz wird Sigmar Gabriel der Kanzlerkandidat der SPD. Sagen Politik-Experten. Schulz genießt vielleicht die besseren Umfragewerte. Doch was davon zu halten ist, sah man bei den Prognosedesastern vor dem „Brexit“ und der US-Wahl.

Zweitens: Die „Einigung“ zwischen CDU und SPD auf Steinmeier zeigt, dass man nach der Bundestagswahl die Große Koalition weiterführen möchte. Andernfalls hätte die SPD die Chance genutzt, schon einmal gemeinsam mit „Linken“ und „Grünen“ einen (anderen) Präsidenten-Kandidaten auszuklüngeln. Sagen Politik-Experten.

Wenn die Volksvertreter in Berlin stellvertretend für das Volk jetzt schon einmal ausgeklüngelt haben, nach der Bundestagswahl 2017 gemeinsam die Große Koalition weiterführen zu wollen, und die SPD gar kein Interesse daran hat, Angela Merkel den Posten streitig zu machen, dann heißt das:

Der gesamte Vorlauf, der gesamte „Wahlkampf“, einschließlich eines enorm brisanten TV-Duells zwischen Merkel und (angeblich voraussichtlich) Gabriel wäre eine einzige inszenierte Volksverdummung. Doch vielleicht noch schlimmer: Es würde wohl niemanden mehr wirklich wundern.

Freitag, 11. November 2016

trumpig regiert

Wer hätte das gedacht: Donald Trump wird US-Präsident. Und prompt verbreitet sich wieder allgemeine Angst, gezündelt und befeuert und geschürt von Bedenkenträgern aller Art, die mit ihren Ängsten nicht alleine dastehen wollen.

Der Weltuntergang wird kommen. So oder so. Sei es durch einen Asteroiden, den Klimawandel oder etwas früher und schneller ab Mitte Januar 2017. Nur mit dem Unterschied, dass diese globale Katastrophe optimal vermarktet werden wird und die Lettern „Trump“ darauf prangen. Wer`s glaubt.

Wo ist eigentlich das Problem? Außer natürlich, dass man es an der Person Trump festmacht? Die US-Amerikaner haben quasi „einen Mann aus dem Volk“ gewählt. Sicherlich nicht irgend einen, aber zumindest politisch einen echten Amateur. Doch eben: Wo ist da nun das Problem?

Auf den ersten Blick bietet sich der Vergleich mit Ronald Reagan an, der als Hollywood-Schauspieler im Jahr 1981 zum Amateur-Präsidenten gewählt wurde, die Sowjetunion als „Reich des Bösen“ bezeichnete, und in einem Radio-Interview scherzhaft ankündigte: „In fünf Minuten beginnen wir mit der Bombardierung“.

Doch vielleicht ist ein Lech Walesa viel eher zum Vergleich geeignet. Ein einfacher Arbeiter, ein Elektriker, der Ende der 1980er mit seinem „Bürgerkomitée Solidarność“ ein ganzes realsozialistisches System revolutionierte und anschließend polnischer Präsident wurde.

Ähnliches zeitgleich als einfache Bürgerrechtler, Katja Havemann, Rolf Henrich und Bärbel Bohley, mit dem „Neuen Forum“, sowie u.v.a. mit zwei Theologen, Rainer Eppelmann und Markus Meckel, die DDR kollabieren ließen; letzterer wurde dann sogar Übergangs-DDR-Außenminister.

In diesen Fällen wurden keine Horrorszenarien beschworen, sondern die Welt geriet nahezu in Euphorie. Donald Trump dagegen leidet vor allem an seinem Image und seinem Ego. Doch gerade dieses Ego könnte ihn extrem motivieren, ein „guter Präsident“ werden zu wollen, wie manche es von Reagan sagen.

Freitag, 21. Oktober 2016

synaptisch verlaufen

Hach, was wird man in zwanzig/dreißig Jahren darüber lachen, wie man damals, Anfang des Jahrtausends, alles mögliche ursächlich irgendwo „im Gehirn“ gesucht und gefunden und mit Hirnfunktionen erklärt hat. Lachen darf man natürlich schon jetzt darüber. Ob man schon kann, ist eine andere Frage.

Etwa, wenn man sich wieder einmal verzweifelt durch etliche TV-Programme zappt und hofft, dass die Sendung „Puls“ eine kleine Insel im Informations- und Unterhaltungsbrei darstellen wird. Immerhin im Videotext beschrieben als „Sendung, die tiefer geht“. Und das auch noch im seriösen Bayerischen Rundfunk.

Um was ging’s? Um sogenannte „Handys“. Beziehungsweise: deren Nutzung, und zwar durch uns Menschen. Schließlich seien wir doch inzwischen „alle Handy-Junkies“. Das war schon einleitend die erste Fehlinformation. Ich bin persönlich der unbestreitbare Gegenbeweis und keineswegs der einzige.

„Wir wollten wissen“, hieß es dann, „wie unsere Handynutzung sich eigentlich auf unser Gehirn auswirkt“. Es geht offenbar nicht mehr anders: „Das Gehirn“ muss überall thematisch er- und dem unschuldigen Zuschauer aufgezwungen werden.

Und weiter in der Sendung: „Dazu besuchten wir den Psychologen XY“. Auch das wieder nahezu typisch. Kein Mensch scheint sich die Frage zu stellen, was ein Psychologe kompetenztechnisch überhaupt mit dem Gehirnorgan zu tun hat. Und weil das keiner hinterfragt, hat sich glatt die Hälfte der Psychologen mittlerweile prompt selbst zu Hirnforschern erklärt.

Dem voll entsprechend darf der jugendliche Moderator in Gegenwart des Psychologen ein paar enorm trickige Reaktionstests durchführen, deren Ergebnisse freihändig mit irgendwelchen Gehirnstimulationen erklärt werden. So ungefähr hat schon David Copperfield mit Eisenbahnwaggons beeindruckt.

Doch wie so oft: Wenn man meint, dümmlicher geht es nicht mehr, passiert etwas ähnliches auf einem anderen seriösen Kanal, im NDR, in einem Verbrauchermagazin(!), in dem es thematisch eigentlich um Haushaltsreiniger(!) ging, um angstgetränkte Vorurteile gegenüber Bakterien und deren übliche radikale chemische Bekämpfung.

Doch selbst hier, man möchte es kaum für möglich halten: „Woher kommt unsere große Angst vor Bakterien? Wir haben dazu einen Hirnforscher befragt“. Vielleicht sollte man einmal Hirnforscher danach befragen, warum Journalisten ständig auf die Idee kommen, Hirnforscher zu befragen.

Dienstag, 4. Oktober 2016

satirisch betreten

Ist Humor eigentlich ein Teil der Bildung? Wenn es nach den schulischen Lehrplänen geht, wohl nicht. Momentan zeigt sich jedenfalls, dass ein gewisses Humorverständnis notwendig ist, um eine kleine politische Staatsaffäre verstehen zu können. Und letztlich entscheidet darüber der Humor eines Richters.

Der noch immer aktuelle „Fall Böhmermann“ ist nur bedingt ein solcher. Allenfalls ein Fall für sich; ganz allein. Ich hatte schon nicht verstanden, mit welchem Trara das ZDF Herrn Böhmermann die Sendezeit für eine Late-Night-Show überließ. Da hätte man (auch ganz ohne Trara) lieber das „Nachtstudo“ mit Volker Panzer reaktivieren dürfen.

Wenn aber ein Herr Böhmermann öffentlich ein so genanntes „Schmähgedicht“ zelebriert, von dem er vorher einleitend ankündigt, dass es verboten ist, so etwas zu tun, übersteigt es mein Humorverständnis, eine willentlich vollzogene strafbare Handlung als Humor, nämlich als Satire zu bezeichnen – und mit diesem Argument nicht etwa nur um Milde zu bitten, sondern auch noch Forderungen zu stellen.

Da hilft es auch nicht, dass diese strafbare Handlung argumentativ mit dem „satirischen Umfeld“ gerechtfertigt werden soll, in dem sie stattfand. Gerade deshalb nicht, weil diese gesamte Show allenfalls auf dem Papier „Satire“ darstellt.

Genauso, wie die ebenfalls im ZDF versendete und als „Kult“ bezechnete „heute show“, die es gerade noch schafft, zwischen Klamauk und Polemik zu schwanken, aber die Qualität von Satire allenfalls zufällig streift.

Das ist adäquat zum heutigen humorellen Durcheinander, wo jeder Fernsehsender seine Comedy Show braucht, und reihenweise Nachwuchs-Spaßmacher auf die Bühnen geschubst werden, die sich für „Comedians“ halten dürfen, weil sie auf Bierzeltniveau ein paar Kalauer auswendig aufsagen können.

In diesen Quark passt wunderbar, dass sich Kabarettisten auf ihrer „Facebook“-Seite freiwillig als „Komiker“ bezeichnen, einfach weil dort nur diese Berufsbezeichnung zur Auswahl zur Verfügung steht. Ein etwaiger, vielleicht sogar qualitativer Unterschied ist offenbar allen Beteiligten schnurz.

Und so kommt es, dass in TV.-Shows selbst die flachesten Pointen ausnahmslos sämtlicher Möchtegernkomiker vom Publikum mit brüllendem Gelächter und begeistertem Schenkelklopfen belohnt werden.

Es sei denn, das ist alles nur gefakt und so zusammengeschnitten, während in Wirklichkeit neun Zehntel der Hilfskomiker von der Bühne gebuht wurden. Das wäre mindestens genau so schlimm wie beruhigend, wenn man annimmt, dass (siehe oben) Humor ein Teil der Bildung ist.

Freitag, 29. April 2016

wissentlich ver(w)irrt

Nicht immer, aber ziemlich oft sind die Ratschläge von Experten fast erschreckender als das Problem, zu dem sie befragt werden. Das passiert vor allem dann, wenn es sich um Experten handelt, die Experten sind, weil sie eben Experten sind, und schon deshalb offenbar plaudern dürfen, wie sie wollen.

Wir leben in einer Zeit, in der bedenklich Vieles einfach schnurz ist – und immer schnurzer zu werden scheint. Die Hauptsache ist, man wird informiert, über was auch immer, von wem auch immer. Und natürlich steht dabei jeder Expertenrat weit über der persönlichen Erfahrung jedes normalen Menschen.

Da werden Hirnforscher zu gesellschaftlichen Problemen befragt und Psychologen zu pädagogischen Problemen, Pädagogen wiederum verweisen auf Ergebnisse der Gehirnforschung, Genforscher spielen den Soziologen, das alles auch kreuz und quer umgekehrt. Ein großer Kompetenzquark im Informationsbrei verrührt.

Natürlich: Wer sich ein bisschen auskennt, der weiß, dass ohnehin alles mit allem zusammenhängt. Doch genau damit wird die Befragung von spezialisierten Experten ruckzuck so paradox, wie deren Erklärungen und Ratschläge zu Themen, für die – allenfalls – ganz andere Experten spezialisiert zuständig wären.

Wie kürzlich etwa im Falle des dänischen Familientherapeuten Jesper Juul, offenbar einer wahren Koryphäe der Pädagogik, in einer Ratgeber-Kolumne „Jesper Juul antwortet“, unter anderen einer verzweifelten Mutter, die sich mit ihrem sechzehnjährigen Sohn ständig über dessen exzessive Handynutzung streitet.

Das scheint so tatsächlich erst einmal in den Kompetenzbereich eines Pädagogen zu fallen. Nach ein paar cleveren rhetorischen Ausweichmanövern rät Herr Juul schließlich, die junge Mutter solle ihrem Sohn erklären, wie selbstzerstörerisch er sich verhalte, und das mit ihm geklärt haben wolle(!), nicht etwa nur möchte.

Dieser Ratschlag ist nicht gerade revolutionär. Vor allem geht er haarscharf am Problem vorbei, das nämlich (siehe oben) ganz woanders liegt, nämlich irgendwo im Bereich der Medienwirkungsforschung, für die es (siehe oben) natürlich ganz eigene spezialisierte Experten gibt.

Ein Knackpunkt ist: Herr Juul ist nun einmal Jahrgang 1948, also fast 70 Jahre alt. Da muss man hinterfragen dürfen, inwieweit er sich (wohlgemerkt als Pädagoge) jemals damit beschäftigt und/oder annähernd verstanden hat, in „welcher Welt“ die Jugend heute aufwächst.

Und das darf deshalb hinterfragt sein, weil es frag(-)würdig ist, einen 16-Jährigen auf ein vermeintlich „selbstzerstörerisches Verhalten“ hinzuweisen, der das selbst – garantiert – anders beurteilen wird. Und wenn es deshalb(!) zu einem Streit kommt, dann hilft es auch nicht mehr, „ich möchte“ durch „ich will“ zu ersetzen.

Und es darf und muss auch deshalb hinterfragt sein, wenn ein fast 70-Jähriger versucht, sich in die Erlebenswelt eines 16-Jährigen hinein zu versetzen, um beurteilen zu wollen, was in dessen Welt „selbstzerstörerisch“ wirkt – oder ob das nicht vielleicht nur in der Welt eines alten Mannes so ist.

Man bedenke: Wenn sich Eltern heute ein neues Auto kaufen, dann ist darin (an zentraler Stelle!) ein Bildschirm mit Multifunktions-Touchscreen eingebaut, ein solches Auto ist „vernetzt“ und mit WLAN ausgestattet. Wer besonders hip ist, steuert die heimischen Rollos über das Smartphone, das ohnehin allzeit präsent ist. In einer durchschnittlichen Lotto-Annahmestelle hängen mindestens 6 Monitore herum, an und neben und über Supermarktkassen ebenso. Selbst jeder simple Briefmarken- und Leergutautomat hat heute einen Bildschirm („Wählen Sie Ihre Sprache“!)…

Und da will man einem Teenager, der in einer solchen Welt aufwächst, plausibel erklären, dass ausgerechnet sein Handy und sein Tablet „zerstörerische Wirkung“ haben sollen? Wie sagte ein Berliner Schulleiter so richtig: „Wir müssen die Kinder auf ihre Zukunft vorbereiten; nicht auf unsere Vergangenheit“. Manche Experten sind offenbar nicht einmal in der Lage, deren Gegenwart zu beurteilen

Montag, 11. April 2016

zwanghaft verhirnt

Hach, was wird man in zwanzig/dreißig Jahren darüber lachen, wie man damals, Anfang des Jahrtausends, alles mögliche ursächlich irgendwo „im Gehirn“ gesucht und gefunden und mit Hirnfunktionen erklärt hat. Lachen darf man natürlich schon jetzt darüber. Ob man schon kann, ist eine andere Frage.

Ich hatte kürzlich irgendwo geschrieben, dass ich nach fast einem Vierteljahrhundert, das ich mich inzwischen mit dem Denken und Verhalten beschäftige, einen Großteil des ganzen üblichen Geschwafels zu diesem Thema ab sofort nur noch mit Humor ertragen will. Das ist gesünder als sich ständig darüber aufzuregen.

Etwa, wenn man sich wieder einmal verzweifelt durch etliche TV-Programme zappt und hofft, dass die Sendung „Puls“ eine kleine Insel im Informations- und Unterhaltungsbrei darstellen wird. Immerhin im Videotext beschrieben als „Sendung, die tiefer geht“. Und das auch noch ausgestrahlt im seriösen Bayerischen Rundfunk. Bedenklich stimmte allerdings der zwanghaft auf „hip“ getrimmte Stil.

Um was ging’s? Um sogenannte „Handys“. Beziehungsweise: deren Nutzung, und zwar durch uns Menschen. Schließlich seien wir doch inzwischen „alle Handy-Junkies“. Das war schon einleitend die erste Fehlinformation. Ich bin persönlich der unbestreitbare Gegenbeweis und ganz sicher nicht der einzige.

Jedenfalls habe man ein paar Auserwählte gebeten, doch bitte einen Tag lang experimentell auf ihr geliebtes Smartphone zu verzichten und präsentierte deren Erfahrungsberichte, wie sie diesen einen Tag dann doch überlebt haben. Sodann folgte das heute nahezu Unausweichliche…

Wir wollten wissen“, hieß es dann, „wie unsere Handynutzung sich eigentlich auf unser Gehirn auswirkt“. Es geht offenbar nicht mehr anders: „Das Gehirn“ muss überall thematisch er- und dem unschuldigen Zuschauer aufgezwungen werden.

Und weiter in der Sendung: „Dazu besuchten wir den Psychologen XY“. Auch das wieder nahezu typisch. Kein Mensch scheint sich die Frage zu stellen, was ein Psychologe kompetenztechnisch überhaupt mit dem Gehirnorgan zu tun hat. Und weil das keiner hinterfragt, hat sich glatt die Hälfte der Psychologen mittlerweile prompt selbst zu Hirnforschern erklärt.

Dem voll entsprechend darf der jugendliche Moderator in Gegenwart des Psychologen ein paar enorm trickige Reaktionstests durchführen, deren Ergebnisse freihändig mit irgendwelchen Gehirnstimulationen erklärt werden. So ungefähr hat schon David Copperfield mit Eisenbahnwaggons beeindruckt.

Doch wie so oft: Wenn man meint, dümmlicher geht es nicht mehr, passiert etwas ähnliches auf einem anderen seriösen Kanal, im NDR, in einem Verbrauchermagazin(!), in dem es thematisch eigentlich um Haushaltsreiniger(!) ging, um angstgetränkte Vorurteile gegenüber Bakterien und deren übliche radikale chemische Bekämpfung.

Doch selbst hier, man möchte es kaum für möglich halten: „Woher kommt unsere große Angst vor Bakterien? Wir haben dazu einen Hirnforscher befragt“. Vielleicht sollte man einmal Hirnforscher danach befragen, warum Journalisten ständig auf die Idee kommen, Hirnforscher zu befragen.

Mittwoch, 6. April 2016

ahnungslos gestört

Kürzlich war in irgendeinem Nebenkanal eine Folge der Sendung „Faszination Wissen“ zu bestaunen, in der dem Zuschauer durchgehend erklärt wurde, was man über das Reizthema „ADHS“ so alles nicht weiß. Doch das ist vielleicht gar nicht einmal so paradox, wie es zunächst klingt.

Es gibt hyperaktive Kinder, die ein Aufmerksamkeitsdefizit haben. Oder umgekehrt. Für diese Beobachtung hat man eine passende Krankheit erfunden, die „ADHS“ genannt wird, mitsamt dazugehörigen Diagnosen und Therapieansätzen. So machen sich Pharmakonzerne Kunden und Therapeuten machen sich Patienten.

Dummerweise auf Kosten wehrloser Kinder und hilfloser Eltern. Die Kinder sind durch eine solche Diagnose als „gestört“ gebrandmarkt, die Eltern gleich mit dazu, noch abgesehen von fast unvermeidlichen Selbstvorwürfen und etlichen Sorgen.

In einer Folge der Sendung „Faszination Wissen“ wurde allerdings auch sehr schön das Zweifelhafte angesprochen. Irgendwelche Ursachen für „ADHS“ nämlich, also Krankheitsursachen, sind mindestens blanke Spekulation.

Zum Beispiel die Idee, es müsse sich um „fehlgeschaltete Gene“ handeln. Eine bloße Vermutung, mit der dennoch fachlich argumentiert wird: „Wir können schon – ohne jemals ein Gen untersucht zu haben – sagen, es müssen Gene sein, die dafür verantwortlich sind“, spricht ein Prof. Dr. Marcel Romanos, Kinder- und Jugendpsychiater an der Uni Würzburg. Das ist mal echt wissenschaftlich.

So hieß es in der Sendung: „Falsch geschaltete Gene verhindern, dass Botenstoffe in ausreichender Menge erzeugt werden. Weil die fehlen, werden Signale in Nervenzellen nicht richtig übertragen. Die Folge: Eine Funktionsstörung im Gehirn“. Aha. So lässt sich neben der Genforschung ganz elegant auch wieder einmal die Hirnforschung in dem Geschwafel unterbringen. Es liegt schließlich beides voll im Trend, ganz gleich, worum es geht.

Jedoch, so in der Sendung weiter: „Ein großes Problem aber gibt es: Bis heute hat man die Gene, die ADHS verursachen sollen, nicht gefunden. Auch die angenommene Störung im Gehirn ist bis heute nicht bewiesen. Schon seit Jahren suchen Hirnforscher nach Beweisen“.

Kurz gesagt: Man weiß nichts. Man vermutet Ursachen, die man nicht findet. Man vermutet Zusammenhänge, die man nicht nachweisen kann. Aber trotzig besteht man darauf, dass „ADHS“ als Krankheit existiert. Basta. Wozu haben wir sonst die Diagnosemethoden und Therapieverfahren entwickelt.

Und dann kam Prof. Dr. Kerstin Konrad zu Wort, Neuropsychologin an der RWTH Aachen, und berichtet, dass Gehirnregionen, die für die Impulskontrollen zuständig seien, bei „ADHS“-Betroffenen nicht richtig arbeiten würden. Doch das sei noch immer kein Beweis für irgendetwas, denn:

 „Das (ein Beweis) ist es in der Regel eher nicht, weil wir ja Patienten untersuchen, die schon erkrankt sind, und wir damit nicht ganz sicher sein können, sehen wir das Ergebnis der Erkrankung oder führt das, was wir sehen, zur Ausbildung der Erkrankung“.

An solchen Stellen fällt mir immer Bazon Brock ein: „Das Wesen von Wissenschaft ist es nicht, Probleme zu lösen, sondern es besteht im Problematisieren selbst“. So eben auch im Falle von „ADHS“. Und hier lässt man es sich nicht entgehen, auch das Leben an sich als Ursache zu vermuten und zum Problem zu machen:

Unter Medizinern ist höchst umstritten, ob eine Stoffwechselstörung im Gehirn „ADHS“ verursacht. Denkbar ist auch das Gegenteil: Dass diese Störung eine Folge davon ist, dass mit „ADHS“-Kindern anders umgegangen wird als mit gesunden Kindern, und sich ihr Gehirn deshalb anders entwickelt“, verlautet es in der Sendung.

Auf Deutsch heißt das: Kinder, denen man die Diagnose „ADHS“ unterstellt, bekommen (wie auch deren Eltern) Probleme, die sie ohne diese Diagnose gar nicht hätten - und das bezeichnen wir dann als „krank“ und als „Störung“. Ein echtes Kunststück. Vielleicht wird die Medizin deshalb gern auch Heil-Kunst genannt.

Donnerstag, 31. März 2016

sichtlich daneben

Wortwörtlich sehenden Auges werden unsere Kinder in der Schule planmäßig fehlgebildet, nämlich institutionell, nach Lehrplan. Und wieder einmal zeigt sich: Diejenigen Schüler, die das Falsche am besten gelernt haben, bekommen die Bestnote. Es ist unglaublich. Und unvermeidlich.

Schon seit mehreren Wochen nehmen die Kinder der 3. Klasse hier an der örtlichen Grundschule das Thema „Auge“ durch. Und mitten drin befindet sich unser Sohn. Ich darf also wieder einmal hautnah erleben, was unser Bildungssystem mit der nächsten Generation so alles anstellt.

Nahezu wöchentlich hat unser Junge einen Heidenspaß, wenn er mir das neueste Lehrmaterial über „das Auge“ präsentiert, und ich dabei regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammenschlage. Wie unser Sohn berichtete, empfindet er bereits im Unterricht eine gewisse Vorfreude auf dieses Ritual.

Es begann mit der Überschrift auf einem Arbeitsblatt: „Was unser Auge sieht“. Nun gut. Unser Magen isst nicht, unsere Füße gehen nicht, und unsere Augen sehen nicht. Allenfalls sehen wir mit den Augen. Über einen solchen Lapsus kann man dabei noch hinwegsehen, bei der Annahme, man wollte hier speziell für Kinder etwas maximal vereinfacht ausdrücken. Sei’s drum.

Der Grat zwischen bewusster Vereinfachung und völliger Falschheit ist jedoch ziemlich schmal. Und das, was die Kinder (in diesem Fall: über das menschliche Auge) lernen, ist zu einem erschreckenden Großteil komplett daneben. Doch die Lehrerin muss das so lehren. Die Schüler müssen das so lernen. Planmäßig.

Aus Platzgründen hier beschränkt auf das neueste Vorkommnis: Angeblich sieht unser Auge ein Bild von unserer Umwelt, das durch die Pupille und die Linse auf die Netzhaut projeziert wird, allerdings falsch herum. Der Sehnerv leitet das Ganze an unser Gehirn weiter, das dieses Bild für uns wieder richtig herum dreht.

Jedoch: Nein. Nein. Und nochmals: Nein. Da ist kein „Bild“. Da sind keine „Bilder“ um uns herum, die unsere Augen sehen würden. Wir leben nicht in einem Spielfilm. Noch nicht einmal die gängige Ersatzerklärung ist korrekt, dass es sich um Lichtwellen handeln würde, die von Objekten reflektiert würden.

Unser Gehirn ist ein Organ, ein Nervenbündel, ein Klumpen aus Fett, organischen Verbindungen und Elektrolyten, und besteht zu 80% bis 90% aus Wasser. Darin ist es stockdunkel, nirgends darin ist Licht, nicht eine einzige Lichtwelle, geschweige denn ganze „Bilder“.

Wir haben hier – wie so oft, vor allem – ein sprachliches Problem, knifflige Phänomene überhaupt mit Worten zu erklären, und das dann auch noch „altersgerecht zu vereinfachen“. Das viel größere Problem ist jedoch, wenn im Ergebnis rein gar nichts „vereinfacht“, sondern zu 100% falsch ist. Mitten in unserem Zeitalter der Bildung und des Wissens.

Montag, 21. März 2016

merkwürdig überfremdet

Man kann der medialen Dauer-Beschwörung der Flüchtlingsproblematik nicht entkommen. Kaum, dass ein Problem ausgeschlachtet erscheint, sucht man sich ein anderes; Hauptsache, es dreht sich um Flüchtlinge. Da müssen uns leider schon einmal parolige Schlagworte zur Meinungsbildung ausreichen. Dumm aber auch.

Wie lautete da noch die Begleitinformation zu einer Talkshow: „Wie groß ist die Angst vor einer Überfremdung?“. Ich halte das für eine hochinteressante Wortkreation. Aber was soll das eigentlich genau heißen? Oder: bedeuten?

Wenn womöglich eine Über-fremdung stattfindet, also quasi eine übermäßige Fremdheit, noch weit fremder als fremd, dann muss das wohl die Steigerung einer ansonsten noch maßvollen Fremdung sein. Aha. Ich finde das etwas merkwürdig.

Doch ich bin mir ziemlich sicher: Man soll sich derartige Fragen gar nicht stellen. Man soll sich doch bitte einfach eine Meinung bilden, und sich nicht mit Haarspaltereien aufhalten. Man wird sich doch schließlich denken können, was gemeint ist.

Also: Fühlen Sie sich nun überfremdet oder (noch) nicht und/oder haben Sie Angst davor? Denken Sie nicht lange darüber nach, ansonsten meint man noch, Sie als erwachsener Wahlberechtigter würden sich vor der Antwort drücken.

Aber eine Antwort wird schließlich für die Meinungsumfragen gebraucht. Damit wir alle wissen, wie wir alle oder mehrheitlich denken. Und wie die Stimmung im Land ist, das müssen schließlich – gefälligst – auch die Politiker, die Volksvertreter wissen.

Auch wenn keiner weiß, worüber man eigentlich genau redet: das Volk will ordentlich vertreten werden, bevor es überfremdet. Und wenn das in den Talkshows nicht endlich geklärt wird, geht das Volk eben auf die Straße und wird zu Protestwählern. Was bleibt ihm anderes übrig, dem Volk?

Donnerstag, 17. März 2016

krankhaft berechnend

So etwas wie „gesunde Ernährung“ gehört heute angeblich zur Bildung mit dazu. Jedenfalls versucht man das so zu etablieren. Zum Beispiel steht an immer mehr Schulen „Ernährungslehre“ auf dem Stundenplan. Dabei benötigt man vor allem eines: Eine ganze Menge Vertrauen in die Rechenkünste von Experten. 

Man hat uns allen sehr erfolgreich in die Köpfe gesetzt, dass nur ganz allein die Wissenschaft in der Lage ist, etwas über „die Wahrheit“ herauszufinden, über „richtig“ und „falsch“. Das hat man für sämtliche Lebensbereiche als Glaubenssatz installiert, und einer davon ist die Medizin.

Ein Hauptmerkmal der Wissenschaften wiederum ist es, mit Zahlen zu hantieren, um mit irgendwelchen Formeln irgendetwas rechnerisch nach- und beweisen zu wollen. Dabei vergisst man gern schon einmal zu fragen, welche Relevanz die Zahlen eigentlich haben, mit denen freihändig jongliert wird.

Und das eben auch in der Medizin. Und deshalb – inzwischen – auch in sämtlichen persönlichen Gesundheitsfragen. Die einen zählen beim Joggen außer Schritten auch ihre Pulsschläge, andere zählen ihre Kalorien mit dem Body-Mass-Index im Hinterkopf, etc. Die Möglichkeiten sind heute vielfältig.

Fitness und Gesundheit sind also offenbar nur eine Frage der Berechnung und Kalkulation, am besten gleich digital per „App“. Irgendwann wird man vielleicht noch den „IQ“ mit einbeziehen, denn der wird schließlich ebenfalls berechnet – und wie man oftmals hört, leben gebildete Menschen auch viel gesünder.

Mitten in diesen heutigen Fitness- und Gesundheitswahn platzte da kürzlich die Meldung, dass ausgerechnet das Non-plus-ultra der gesunden Ernährung, nämlich Obst und Gemüse, sehr ungesund vollgestopft sind mit Resten von Pestiziden, wie Proquinazid, Penconazol, Pyrimethanil, Spirotetramat, Chlorantraniliprol, Famoxadon, Fenhexamid, Indoxacarb und Metrafenone.

Mit all dem, was man sonst noch weiß (oder: in unserem „Zeitalter der totalen Information“ erfahren kann), reichern wir unsere Körperchemie täglich mit über 5000 Chemikalien zusätzlich an, über Shampoos und Cremes, über Lebensmittelzusatzstoffe, über das Leitungswasser und unser aller Atemluft.

Nichts davon ist „rein“, alles enthält irgendwelche Reststoffe in Restmengen. Für alles das gibt es „Grenzwerte“, die als „noch unbedenklich“ gelten. Und der Maßstab der „Unbedenklichkeit“ ist die Wirkung von Stoffen und Restmengen auf einen „durchschnittlichen, gesunden Erwachsenen“.

Problematisch ist natürlich, wenn man leider nicht in diesen Durchschnitt fällt. Und problematisch ist alleine bereits die Definition von „Gesundheit“. Und dann erst stellt sich die Frage, ob man den Berechnungen und Kalkulationen und streng wissenschaftlich errechneten Grenzwerten von Experten glauben will.

Außer, das ganze Nachdenken darüber ist einem zu mühsam, klammert sich lieber weiter an die etablierten Glaubenssätze, raucht nicht, trinkt nicht, isst frisches Obst und Gemüse, bei viel Bewegung an der frischen Luft. Achja…: und die Erde ist eine Scheibe.

Freitag, 11. März 2016

zivilisiert gebildet

Da wurde kürzlich im Radio vermeldet, der bekannte Entertainer Harald Schmidt sei nicht nur ein bekannter Entertainer, sondern „er engagiert sich auch sozial“. Sieh an. Herr Schmidt sei jetzt im Kuratorium einer Stiftung, die sich für die Bildung von Kindern in Afrika einsetzt. Sieh an.

So dehnbar ist der Begriff „soziales Engagement“. Für mich sind das Menschen, die im Dezember bei Eiseskälte mitten in der Nacht Flüchtlinge erstversorgt haben. Oder Menschen, die sich in den Bahnhofsmissionen mit der Suppenkelle in der Hand um Obdachlose kümmern. Oder Menschen, die bei den „Tafeln“ arbeiten.

Harald Schmidt dagegen wird zweimal im Jahr bei einem Tässchen Tee irgendeinen wichtigen Bericht mitunterzeichnen; das jedoch immerhin „sozial engagiert“. Alles übrige ist ein trockenes Win-Win-Geschäft: Die Stiftung deutet beim Spendensammeln auf den prominenten Namen in ihrer Imagebroschüre, und Herr Schmidt steht jetzt als Wohltäter da.

Aber natürlich: wenn es doch darum geht, den armen Kindern in Afrika zu helfen, nicht wahr. An dieser Stelle frage ich mich regelmäßig, ob es da irgendjemanden weit und breit gibt, der so etwas ähnliches wie ein „Gesamtkonzept“ hat? Oder zumindest den Hauch einer Idee davon.

In all unserer arroganten Überweisheit lassen wir also Kindern in (zum Beispiel) Afrika zukommen, was wir für „Bildung“ halten. Und dann? Wenn die nächsten Generationen von Afrikanern dann endlich so umfassend gebildet sind, wie wir Mitteleuropäer, insbesondere wir Deutschen… was dann?

Da werden visionäre Idealbilder gemalt von einem Afrika, das sich Dank seiner gebildeten Menschen u.a. technologisch und wirtschaftlich emanzipiert und entwickelt, allmählich irgendwohin, wo wir in Europa längst sind. Prima. Und dann?

Vor allem haben wir dann etliche neue Absatzmärkte für unsere deutsche Wirtschaft: von Waschmaschine, Kühlschrank und Eierkocher bis zum Fernseher und Auto braucht dann jeder Afrikaner alles, was jeder Europäer standardmäßig längst besitzt. Es müssen ganze Infrastrukturen errichtet werden, Kraftwerke, Kläranlagen, Ver- und Entsorgungsnetze, etc etc.

Was dann passiert, kann man u.a. in Kuala Lumpur besichtigen. Dort hat man genau das mit ökonomischer Gewalt praktiziert. Aus einem mittelgroßen Städtchen am Rande des Urwalds hat man mit Hilfe von Investoren und Konzernen in relativ kurzer Zeit eine Metropole aus dem Boden gestampft.

Die vorher ungebildeten, armen Menschen leben jetzt woanders, irgendwo am Stadtrand, in irgeneinem Slum. Und die gebildeteren haben jetzt all die Probleme, die man in solchen Städten üblicherweise hat: Verkehrsstaus, Abgase, Lärm, Stress und die üblichen Zivilisationskrankheiten, Allergien, Rückenschmerzen, etc, die vorher niemand hatte, um die sich jetzt Experten kümmern, die vorher niemand brauchte.

Freitag, 5. Februar 2016

manierlich ungebildet

Kürzlich verkündete der Gründer von „Facebook“, Marc Zuckerberg, 99% seiner Firmenanteile im Wert von derzeit 45 Miliarden Dollar wohltätig spenden zu wollen, hauptsächlich für den Bildungsbereich. Genauer gesagt: für das, was ein Zuckerberg unter Bildung versteht.

Der „Microsoft“-Gründer Bill Gates und der Großinvestor Warren Buffet riefen im Jahr  2010 die Initiative „Giving Pledge“ ins Leben. Wer hier eintreten möchte, verpflichtet sich, den größten Teil seines Vermögens  wohltätig zu spenden. Mitglied sind inzwischen über 130 Milliardäre weltweit. Und nun auch Marc Zuckerberg.

Natürlich klingt das großartig. Doch dahinter steckt vor allem der fragwürdige Glaube, mit Geld könne man Probleme lösen. Und mit mehr Geld: mehr Probleme. Wie irrig dieser Glaube sein kann, offenbart sich aktuell gerade in der vorgeplanten Wohltat des „Facebook“-Gründers.

Ein Großteil der 45 Milliarden des Mr Zuckerberg soll „in Bildung“ fließen: Mit den Worten „Wir müssen die Technologie stärken, um den Wandel voranzutreiben“ will der junge Mann das Lernen durch Technologie optimieren, mittels personalisierter Lernprogramme zugeschnitten auf die Bedürfnisse, Stärken und Schwächen von Schülern. Welch wohlig warme Worte.

Das ist der andere Mythos: HighTech als der ultimative Problemlöser. Dabei zeigt allein schon jeder simple Leergutautomat im Supermarkt das Gegenteil. Und das noch ganz abgesehen von der ständig ignorierten Frage, welches Lernen eigentlich optimiert werden soll, um welche Bildung zu optimieren?

Andeutungsweise war das kürzlich im Spartenkanal „BR alpha“ zu erahnen. Eine Lehrerin, die sich um Schulabgänger kümmert, erklärte: „Ein Schüler mit schlechten Noten aber guten Umgangsformen wird eher eingestellt, als ein Schüler mit guten Noten, aber schlechtem Benehmen“.

Die Rede ist hier von – vermeintlich – einfachsten „Benimmregeln“, angefangen bei „Bitte“ und „Danke“, „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“, angemessene und saubere Kleidung, Pünkltichkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, etc, etc… alles ganz enorm wichtige Qualitäten u.a. für Teamarbeit und im Kundenkontakt.

Das sind in der Arbeitswelt unter Managern, Personalchefs, in der Berufs- und Karriereberatung heute nicht nur völlig selbstverständliche Anforderungen, sondern (siehe oben) wichtiger als nur gute Noten – also auch wichtiger als jedes noch so optimierte digitale, personalisiert-individualisierte HighTech-Lernen.

Leider jedoch werden „gutes Benehmen“ und Manieren an Schulen in der Regel nicht gelehrt. Es muss vor allem im Elternhaus vorgelebt und praktiziert werden, in der Erziehung, im familiären Miteinander. Das passiert heute immer weniger. Doch da helfen weder Milliardensummen noch digitale HighTech.

Montag, 1. Februar 2016

flüchtig betrachtet (2)

Es wird einfach nicht ruhiger um das Flüchtlingsdauerthema. Am Ende muss man sich noch bei Donald Trump dafür bedanken, dass er sich penetrant in die Schlagzeilen quetscht - und möglicherweise noch ins Weiße Haus. Dennoch gibt es noch immer Bemerkenswertes zu bemerken.

Da kommt mir irgendwo ein Leserbrief unter die Augen, der von einem scheinbar durchaus intelligenten Otto Normalbürger formuliert ist, schwankend zwischen Ironie und Sarkasmus. Das Dumme daran ist jedoch genau dieser Anschein von Intelligenz.

Die erste Aufforderung in diesem Schrieb lautet: „Gehen Sie illegal nach Pakistan, Afghanistan, Irak, Marokko oder die Türkei. […] Wenn Sie dort angekommen sind, fordern Sie umgehend von der lokalen Behörde eine kostenlose medizinische Versorgung für sich und Ihre ganze Familie“.

Was hier ironisch angeprangert wird, dürfte klar sein. Derselbe Autor würde es allerdings exact genauso anprangern, wenn Flüchtlinge nicht untersucht werden würden, und dadurch eine ansteckende Krankheit verbreiten. Hierbei geht es eben längst nicht nur um einen wohltätig kostenlosen Service.

Nebenbei bemerkt weiß man nur durch die sofortige Erstuntersuchung, dass der Anteil der an TBC erkrankten Zuwanderer nicht größer ist als unter deutschen Staatsbürgern. Immerhin: Offenbar wurden ein paar Erkrankte identifiziert. Irgendwie gut, dass man das in Erstuntersuchungen entdeckt hat, oder?

Und weiter in diesem Leserbrief: „Bestehen Sie darauf, dass alle Formulare, Anfragen und Dokumente in Ihre Sprache übersetzt werden“. Das soll ironische Kritik an der Praxis sein, alles mögliche – angefangen bei Hinweisschildern und Laufzetteln – mehrsprachig, sogar auf Arabisch zu verfassen. Mitten in Deutschland. Also wirklich. Unfassbar.

Derselbe Autor wird sich kaum über die gepflegte Mehrsprachigkeit u.a. bei Beschilderungen an Flughäfen und Bahnhöfen stören. Mitten in Deutschland. Im Falle von Zuwanderern wiederum dürfte diese Praxis sämtliche – typisch deutschen – bürokratischen Akte erheblich beschleunigen, …was doch eigentlich gut ist, oder?

Und dann steht in diesem Schrieb u.a. noch: „Behalten Sie unbedingt Ihre ursprüngliche Identität […] Sprechen Sie sowohl zu Hause als auch anderswo nur deutsch“. Der Autor dürfte zugestehen, dass Menschen, die zwanzig, dreißig, vierzig Jahre in einer anderen Kultur gelebt haben, diese Prägung nicht einmal nach einem erfolgreichen Deutsch-Sprachkurs komplett abschütteln können.

Andererseits gibt es sehr wohl Deutsche, die sich anderswo ein neues Leben aufbauen wollen („Wirtschaftsflüchtlinge“), die ihre Auswanderung monatelang planen und vorbereiten… nur einen Sprachkurs halten sie für verzichtbar, und angekommen vor Ort wird erst einmal nach einer deutschen Bäckerei gesucht. Man hält sich weiterhin für Deutsche mitsamt ihrer deutschen Kultur, die nur lediglich anderswo leben.

Man möge sich bitte bewusst machen: Der Ausgangspunkt der ganzen Thematik ist, dass Menschen irgendwo wegflüchten und anderswo – zwangsläufig – Hilfe brauchen. Und Menschen, die Hilfe benötigen, sollte man helfen. Punkt. Alles andere sind (zahlreiche) Folgeprobleme - unter anderem die Meinungsbildung.

Dienstag, 26. Januar 2016

asozial vernetzt

Wie „sozial“ sind eigentlich die „sozialen Netzwerke“? Wie man immer wieder sieht, sind sie auch genau so asozial, wie das im analogen richtigen Leben vorkommt. Das Asoziale gehört wohl zwangsläufig zum Sozialen mit dazu. Doch umso fragwürdiger, dass es in den digitalen Netzwerken begrifflich unterschlagen wird.

Gerade in der Flüchtlingsthematik konnte prima beobachtet werden, wie es in den „sozialen Netzwerken“ auch vor extrem fremdenfeindlichen, rassistischen Kommentaren nur so wimmelte. Das kann man auch „asozial“ nennen und wäre damit eigentlich ein Widerspruch.

Und auch dort vor Ort in den Krisengebieten werden über die „sozialen Netzwerke“ auf asoziale Weise Gerüchte verbreitet, wie paradiesisch es in Deutschland ist, jeder Flüchtling bekommt ein Haus und dreitausend Euro in bar. Mit dem Image, das Deutschland in der Welt hat, scheint das offenbar glaubwürdig zu sein.

Nicht viel anders bei so genannten „Shitstorms“. Laut Duden handelt es sich dabei um einen „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“. Also massenhafte Pöbelei in ungebremster Eigendynamik . Auch das kann man asozial nennen.

Und dann wäre da noch das neumodische „Cyber-Mobbing“, die Diffamierung, Belästigung, Beleidigung, Verleumdung und Nötigung anderer Menschen über das Internet mit all seiner massenhaften Verbreitung. Angeblich sind bereits um die 30% der Jugendlichen schon davon betroffen gewesen. Auch das: asozial.

Natürlich: Ein von Menschen genutztes Internet kann kaum etwas anderes sein als ein „Spiegel der Gesellschaft“. Doch warum spricht man dann einseitig von „sozialen“ Netzwerken und klammert so das potenziell Asoziale aus? Warum nennt man es nicht etwa „gesellschaftliche“ oder „gemeinschaftliche“ Netzwerke?

Nach Wittgenstein: „Sprache ist in der Lage, den Verstand zu verhexen“. Es ist – natürlich – kein Zufall, dass die „sozialen Netzwerke“ genau so genannt werden und nicht anders. Das Verhexte bemerkt ohnehin keiner mehr, vor lauter Information und Kommunikation.

Dienstag, 19. Januar 2016

informativ desinformiert

Die digitale Vollvernetzung unseres Lebens hat sicherlich ein paar Vorteile. Die meisten davon wurden und werden uns jedoch nur als solche verkauft. Zu den Verkaufsmethoden gehört es mit dazu, uns dafür blind zu machen. Doch wo der Großteil blind ist, hilft es nur wenig, über Licht und Schatten zu reden. 

Kürzlich las ich in einem Werbetext für eine Armbanduhr: „…zeigt auch Ihre verpassten Anrufe an“. Ist das zu fassen. Toll. Es scheint unausweichlich. Irgendwann wird man in seinen vollvernetzten Eierkocher sprechen. Und die Gäste, die man zum Brunch eingeladen hat, werden das nicht einmal für absurd halten.

Man hat uns den digitalen Informationskram dermaßen aufgeschwatzt, dass kein Mensch mehr fragt, was das überhaupt soll. Schon alleine diese Frage stößt verbreitet auf Unverständnis. Es wird nur noch informiert und kommuniziert – komplett sinnlos, aber auf höchstem technischen Niveau .Und nur ein paar wenige Konzerne liefern die Bastelvorlagen für unser Weltbild.

Kaum eine Website, die nicht vom Betreiber „für Google optimiert“ wäre, um „bei Google ganz oben zu stehen“. Websites werden längst nicht mehr für die Nutzer gestaltet, sondern – erst einmal – für „Google“, weil „Google“ das so haben möchte, um mehr Werbung zu verkaufen – nämlich genau den Betreibern, die in diesem Zirkus den Clown spielen dürfen.

„Google“ bestimmt so die Regeln, wie eine Website standardmäßig auszusehen hat (also was uns allen vor die Augen kommt – und: was nicht), was auf welche Weise „gesendet“ und „empfangen“ wird. Auch „YouTube“ gehört zu „Google“ mit dazu, und bemüht sich mit „Google+“ krampfhaft, „Facebook“ Konkurrenz zu machen, „Twitter“ hat nicht einmal eine erkennbare.

Und: Alle machen überall mit! Sämtliche Konzerne, sämtliche Marken, sämtliche Radio- und Fernsehsender, jede Radio- und TV-Sendung, Verlage, Verbände, Vereine, Parteien, Politiker, Prominente sowieso, öffentliche Institutionen, Ministerien und die Bundesregierung inklusive… „Facebook“, „YouTube“, „Twitter“… man „muss dabei sein“.

Überall und bei jedem herrscht so ein Zwang zum Senden. Das Senden, um des bloßen Sendens Willen, nicht etwa, weil man tatsächlich etwas mitzuteilen hätte. Das Mitgeteilte, das Informieren und Informiertsein spielen allenfalls eine Nebenrolle, aber hartnäckig wird von „Kommunikation“ geschwafelt.
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Kommunikation um des bloßen Kommunizierens Willen. Andererseits: Man geht schließlich auch Schwimmen und Joggen… nicht, um irgendwohin zu kommen, sondern um des Schwimmens und Joggens Willen. Also… was will man hier schon kritisieren. Nicht wahr.

Freitag, 15. Januar 2016

dümmlich ausgeliefert

Wie man uns permanent penetrant unter die Nase reibt, sind wir angeblich unserem Gehirn machtlos ausgeliefert. Es macht mit uns, was es will, es lenkt und steuert unser Denken und Verhalten, hinterrücks und heimtückisch. Dabei ist unsere vermeintliche „Steuerzentrale“ offenbar strohdumm.

Seit dem der technologische Fortschritt es ermöglicht, bunte Bildchen aus dem Inneren des Gehirns zu zaubern, ist Hirnforschern und Psychologen wirklich nichts zu plump, um alles mögliche damit zu erklären, Liebesglück, Erziehung, Konflikte, Zweifel, Erfolg im Leben, in Schule und Beruf, Optimismus, Pessimismus, Vorlieben, Kaufverhalten, Wahlverhalten… sogar die Fähigkeit zum Einparken.

Seit knapp zwanzig Jahren penetriert man uns so erfolgreich mit dem Mythos Gehirn, dass sogar Otto Normalbürger etwas mit Synapsen, dem Hypothalamus und dem Frontallappen anfangen kann. So macht sich mythischer Glaube auf dem Weg zur Allgemeinbildung und blanker Unsinn wird zur Lehrmeinung.

Dabei ist unser Gehirn eigentlich strohdumm. Wer etwa Gewichtsprobleme hat, soll von kleineren Tellern essen, weil die Speiseportion dadurch größer wirkt als sie ist. Und unser Gehirn denkt doch prompt, man hätte mehr gegessen als es tatsächlich der Fall ist, also isst man de facto weniger und nimmt ab. So einfach lässt sich das Gehirn clever austricksen.

Umgekehrt soll man bloß nicht beim Fernsehen essen. Vor lauter unterhaltsamer Ablenkung merkt das Gehirn nämlich nicht, wieviel man dabei in sich hineinstopft, vorzugsweise Kartoffelchips und Schokolade. So isst man mehr als man sollte, die Folge ist unerwünschte Gewichtszunahme.

Sogar beim Einkaufen ist unser Gehirn ruckzuck überrumpelt. Ein einziges Schild in einem Laden, auf dem ein „%“-Zeichen prangt, und schon produziert unser Gehirn den Neurotransmitter Dopamin, um sein eigenes Belohnungszentrum zu aktivieren und uns hilflos nach einem Schnäppchen geifern zu lassen.

Andere Alltagsprobleme resultieren angeblich daraus, dass unser Gehirn rein genetisch noch Handlungsgrundlagen aus der Steinzeit mit sich herumschleppen soll. Es scheint sogar zu dumm zu sein, seine Steuerbefehle zeitgemäß anzupassen. Unser Gehirn stolpert blind über sein eigenes Unterbewusstsein.

Doch keine Sorge: Selbst wenn Sie das alles, den Hirnforschern und ihren bunten Bildchen tatsächlich glauben sollten, sind Sie fein raus. Denn auch das hat natürlich Ihr Gehirn gesteuert, wahrscheinlich irgendwo hinten links im Parietallappen.

Dienstag, 12. Januar 2016

öffentlich-rechtlich gezündelt

„Holzauge sei wachsam“ heißt es. Das sollte insbesondere für den Blick auf das gelten, was in den Medien passiert. Etwa, wenn im Dauerthema „Flüchtlinge“ nun fleißig an der öffentlichen Meinung gezündelt wird. Das muss man im Einbahnstraßen-Medium Fernsehen hinnehmen – aber nicht tolerieren.

Die Sendung „hart aber fair“ mit Frank Plasberg gestern Abend im Ersten, einem wohlgemerkt von uns allen gebührenfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Sender, Thema: „Die Schande von Köln“. Aufgrund der Masse der extrem fragwürdigen Szenen dieser Ausgabe muss ich mich hier auf ein paar beschränken.

Moderator Plasberg befragt zunächst eine junge Frau, die an Silvester in Köln vor Ort war und von den u.a. sexuellen Übergriffen persönlich betroffen ist, also aus ungefilterter eigener Erfahrung berichten soll. Frage: „Hat sich durch Ihre Erlebnisse Ihre Haltung zu Migranten, zu Ausländern, zu Flüchtlingen verändert?“.

Die Antwort:  „[…] Es geht ja nicht darum, woher die Männer kommen…. ist mir egal, ob die aus den Niederlanden kommen oder aus Afrika, es geht einfach darum, dass jeder seine gerechte Strafe bekommt. Und das hat absolut nichts mit Herkunft zu tun. Ich finde, jeder verdient die gerechte Strafe, egal aus welchem Land er kommt“.

Applaus im Studio. Auch wenn die junge Frau die Frage damit nicht beantwortet hat. Plasberg wollte schließlich nicht wissen, wer wofür auf welche Weise bestraft gehört, sondern ob sich ihre Haltung durch ihre Erlebnisse verändert hat. Der Moderator belässt es allerdings dabei, hakt nicht nach, wie er es doch ansonsten gern tut.

Wie etwa ein paar Minuten später bei Renate Künast: „Frau Künast! Am Silvesterabend sind in Köln die Rechte der Frauen mit Füßen getreten worden. Wem gehörten diese Füße?“, will Frank Plasberg wissen. Allein die Art der Fragestellung offenbart zwischen den Zeilen, worauf Plasberg hinaus will. Ich stutzte zum ersten Mal.

Renate Künast antwortet „Uns allen. […] Es ist uns allen auf die Füße getreten worden, weil wir alle davon faktisch betroffen sind“. Plasberg unterbricht: „Meine Frage war nicht, wem auf die Füße getreten wurde, sondern wem diese Füße gehörten, die getreten haben“. Künast  „Schlicht und einfach: Straftätern!“.

Während Künast für ihren Folgesatz Luft holt, fährt Plasberg erneut rhetorisch dazwischen: „Sollen wir die Sendung an dieser Stelle beenden? Dazu ist ja dann alles gesagt(?)!“. Dieselbe Antwort, die bei der betroffenen jungen Frau vorher noch kein Problem war, nutzt Plasberg hier nun zu einer recht barschen rhetorischen Rückfrage. Man fragt sich: Was will der Moderator hier zwanghaft erreichen?

Das wird ein wenig klarer als Plasberg einen Trailer anmoderiert: „Die unfassbare Aktion von Männern, von Menschen, die sich in diesem Land – so dachten wir – ein besseres, ein sichereres Leben gewünscht haben“. Aha: „So dachten wir“. Wir haben uns also offenbar geirrt. Oder wie?

In Wirklichkeit sind all diese Männer und Menschen gar nicht hierher gekommen, um ein sichereres, besseres Leben zu haben, sondern… (?) …um uns zu terrorisieren? Oder wie? Was soll man dieser beiläufig eingeschobenen Anmerkung bitte entnehmen? Was soll das?

Damit formulierte der Moderator nun also das Motto, unter das er seine Sendung gestellt haben wollte. Er wollte ganz offenkundig beredet haben, dass der Strom an Zuwanderern (auch) eine Gefahr darstellt. Doch der Grat zwischen „Klartext reden“ und dümmlicher Hetze ist äußerst schmal. Moderator und Sendung wankten zuweilen bedenklich diesen Grat entlang.

Sodann ergriff der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt das Wort: „Wir haben seit Jahren den Erlass, dass wir auf die Herkunft der Täter, wenn wir Berichte schreiben, keinen Bezug nehmen dürfen. Wir haben seit Jahren die Sprachregelungen verändert, dass wir beispielsweise nicht mehr von reisenden Roma reden dürfen, sondern dass wir sagen, das sind Personengruppen mit häufig wechselndem Wohnort“.

Nach amüsiertem Lachen im Publikum Wendt weiter: „Ja, das hört sich lächerlich an, aber damit wird in der Tat eine Sprache gezüchtet, […] eine allgemeine politische Erwartungshaltung, und noch nicht einmal das passt den Menschen, dass man schildert, was Polizistinnen und Polizisten täglich erleben, dann wird dies sofort in die rechte Ecke geschoben. Das ist doch unser Problem!“.

Wendt bekam hierauf guten Applaus. An dieser Stelle fühlte sich die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder motiviert zu erklären: „Wir haben einfach ein Klima in diesem Land, schon seit vielen Jahren, dass medial. politisch sofort über Sie hergefallen wird, wenn Sie bestimmte Dinge aussprechen“. Sieh an. Nicht nur „sagen“, sondern „aussprechen“. Auch hierauf: Applaus vom Publikum.

So, so. Man wird „in die rechte Ecke geschoben“, wenn man „bestimmte Dinge ausspricht“. Ähnliche Sprüche waren bisher im Grunde nur von „PEgIdA“, „AfD“, etc zu hören, und zwar allseits angefeindet. Es ist (wortwörtlich) be-denk-lich, wenn in dieser Sendung öffentlich-rechtlich moderiert eine solche Umkehrung erfolgt.

Damit nicht genug. Frau Schröder weiter: „…und dieses Klima, das haben wir in Deutschland ganz drastisch. Aber ich habe ein gutes Gefühl in den letzten Tagen, dass da was aufbricht“. Darauf Frank Plasberg: „Lassen Sie uns bei diesem Punkt nochmal bleiben, weil der sehr interessant ist: Da bricht etwas auf, das unter der Decke geschwillt hat, oder man kann auch sagen: gestunken hat...“.

Wenn jemals eine mediale Stimmungsmache offenkundig war, dann hat sie in dieser Sendung – wohlgemerkt: öffentlich-rechtlich – stattgefunden. Ich bewerte hier nicht, was richtig oder falsch in der Thematik ist. Ich bewerte, was gesendet wurde. Und das passt mir ganz und gar nicht.

Freitag, 8. Januar 2016

brenzlig eingelullt

Die massenhaften massiven „Übergriffe“ in der Silvesternacht vor allem in Köln, auch in Hamburg, Frankfurt, München und Salzburg, verübt von (laut Kölner Polizei) rund 1000 „Männern mit arabischem oder nordafrikanischem Aussehen“ machen ein ohnehin schon kniffliges Thema langsam ziemlich brenzlig.

Was erwartet man eigentlich von den Menschen? Wer hat die Bürger darauf vorbereitet, auf eine solch außergewöhnliche Situation wie den Flüchtlingszustrom des vergangenen Jahres „richtig“ oder überhaupt irgendwie „angemessen“ zu reagieren? Nichts davon. Man hat die Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt, manchen auch ein Zeltlager direkt vor die Haustüre. Ungefragt. Und das kann ein Teil des Problems sein.

Was erwartet man in einem Fall solcher „Übergriffe“ wie an Silvester? Erwartet man Besonnenheit? Etwa von den attackierten Frauen? Eine differenzierte vorurteilsfreie Bewertung? Was erwartet man von den angeblich 30% der Bürger, die vorerst Massenveranstaltungen meiden und an Karneval sicherheitshalber zu Hause bleiben wollen? Einsicht? Vertrauen? Vernunft?

Wenn schon der Bundesinnenminister kürzlich aufgrund einer – nur vermuteten! – Bedrohungslage in Hannover einige Antworten verweigerte mit dem Hinweis „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“… was erwartet man, wie Menschen auf eine tatsächliche Bedrohung solchen Ausmaßes reagieren sollen?

Bundesjustizminister Maas klärte uns darüber auf, hier handele es sich um  „eine völlig neue Dimension organisierter Kriminalität". Der Kölner Polizeipräsident Albers wiederum sprach von „Straftaten einer völlig neuen Dimension“. Zwischen den Zeilen soll das heißen: „Das konnte niemand ahnen, also können wir nichts dafür“ und „Wir kümmern uns darum, aber momentan sind wir leider ziemlich ratlos“.

In einem Bericht der Kölner Polizei heißt es: „Es waren einfach zu viele zur gleichen Zeit“. Das wiederum heißt im Klartext: Wie jedes Jahr werden vornehmlich die jungen, unerfahrenen Polizisten zum Dienst an Silvester verdonnert. Das war vielleicht niemals ein Problem. Diesmal schon.

Und wenn aus Politikerkreisen verlautet, hier müsse „mit der ganzen Härte des Gesetzes“ reagiert werden, dann heißt das übersetzt: Die Polizei hat die Vorkommnisse aufzuklären, Staatsanwälte haben zu ermitteln und Richter haben Urteile zu sprechen – das sind die Verantwortlichen, die gerade gefragt sind; die Politik ist fein raus und praktiziert die übliche Phrasendrescherei, bis sich das Thema irgendwann beruhigt hat.

Die Lage ist im Begriff ziemlich brenzlig zu werden. Trotzdem werden wir mit den üblichen Floskeln, Phrasen und Geschwafel auf gewohnte Weise eingelullt: „Setzt Euch wieder auf Eure Couch, lehnt Euch wieder zurück, wir schaffen das!“.

Es ist in Deutschland nicht – wie anderswo – üblich, dass der/die RegierungschefIn außer zum Jahreswechsel eine „Rede an die Nation“ hält. Es wäre hier vielleicht angebracht. Es darf auch der Bundespräsident sein, der uns bei jeder Gelegenheit erinnert, dass unser kostbarstes Gut unsere Freiheit ist. Er könnte erklären, wie es darum bestellt ist, wenn sich die Bürger nicht mehr frei bewegen wollen.