Dienstag, 20. November 2018

übertrieben beschützt

Dieses „Früher war alles besser“ ist natürlich Quatsch. Aber man hat auf so einiges fröhlich gepfiffen, das inzwischen zu gewaltigen Problemen erhoben wurde …und (nur) deshalb nach Lösungen verlangt, die früher gar nicht nötig waren. Als ein Paradebeispiel: der Datenschutz.

In den meisten Themen, die heute vehement diskutiert werden, verpasst man es andauernd  grandios, gedanklich ein Stückchen weiter vorn anzusetzen. Das ist ungefähr genau so, wie der Autofahrer, der innerlich gehetzt und gestresst im Slalom über die Bundesstraße jagt; dabei sich selbst und andere gefährdet, statt einfach fünf Minuten früher loszufahren.

So auch bei der zwanghaften „Digitalisierung“ unserer Welt. Auf der einen Seite ist man völlig begeistert von den Möglichkeiten, andererseits verbreitet es Angst und Schrecken, dass in dem ganzen Tammtamm, der früher einmal „EDV / Elektronische Datenverarbeitung“ hieß, jede Menge Daten verarbeitet werden.

Dieser Angst und diesem Schreckgespenst setzte man irgendwann den Datenschutz entgegen. Dadurch hat jeder Bürger ein Recht auf seine persönlichen Daten. Doch wo fängt das an und wo hört das auf? Ist etwa Ihr persönliches Geburtsdatum schon besonders schützenswert, wo doch Millionen andere am selben Tag geboren wurden?

Nein. Gefährlich wird es angeblich erst dann, wenn einzelne Daten miteinander verbunden und dadurch ganz bestimmten Personen zugeordnet werden können. Das führt inzwischen zu kleinen Seltsamkeiten, wie der Zugbegleiterin, die neuerdings keon Namenschild mehr tragen darf: Gesicht plus Name, Verknüpfung, Datenschutz. Im Fall der Fälle müssen Sie sich über die Personalnummer beschweren.

Noch seltsamer, dass nach der erfolgreichen Klage eines Österreichers an Haustürklingeln in Wien nicht mehr der Name des jeweiligen Mieters prangen darf. Denn Name plus Straße und Hausnummer, Verknüpfung, Datenschutz. Ob das eventuell leicht übertrieben ist, sollte man am besten Paketlieferanten fragen, oder Notärzte im eiligen Notfall.


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Dienstag, 30. Oktober 2018

freundlich genervt

Man wechselt normalerweise nicht ständig den Wohnsitz. Gott sei Dank. Denn die Kämpfe, die man während einer solchen Aktion mit verschiedenen Telefon-Hotlines („Service“ genannt) bestreiten muss, können einem durchaus den vorletzten Nerv kosten.

Da denkt man, wenn man für seine gesamte technisch-mediale Anbindung an die Außenwelt, für Fernsehen, Internet und Telefon, nur einen einzigen so genannten Provider hat, sollte es relativ unkompliziert sein, einen Umzug zu melden und abzuwickeln. Da wird in irgendeiner zuständigen Abteilung des Konzerns die „F12“-Taste gedrückt, und: fertig. Jedoch: von wegen. 

Denn gerade, wenn sich irgendwo ein Fehler einschleicht, wird man schnell kreuz und quer durch die telefonische Kunden-Hotline verbunden, auf der verzweifelten Suche nach jemandem, der eventuell zuständig sein könnte. Irgendwann haben so viele hilfsbereite Menschen ihre Finger im Spiel, dass aus einem einzigen kleinen zu behebenden Problemchen ein erheblich großes Durcheinander wird. Die Chaostheorie live im Alltag.

Je öfter man zwangsweise mit solchen Hotlines telefonieren muss, desto mehr und unangenehmer fallen einem dabei ein paar Details auf, über die man ansonsten glatt hinweghört. Dabei hat man sich längst an die simuliert stimmlich-automatisierten Sprachmenus erschreckend gewöhnt („Sagen Sie 1, wenn Sie die Wartemusik noch einmal hören wollen“). Wenn man dann doch endlich irgendwann einen Menschen am Hörer hat, bleibt es dennoch mindestens ebenso erschreckend maschinell-automatisiert als menschlich.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“ hört man am Ende einer ellenlangen Begrüßungsformel den Gesprächspartner fragen. Eine Antwort wie etwa „Ich hoffe, Sie können“ oder „Ich bin gespannt, ob Sie können“ löst jedoch eher Verwirrung aus: Das Hotline-Personal ist sich der selbstgestellten Frage vor lauter automatisiertem Aufsagens gar nicht mehr bewusst.

Das Gleiche, wenn man im Laufe eines Telefonats in die Warteschleife gelegt und anschließend wieder zurück begrüßt wird: „Danke, dass Sie gewartet haben“. Na, was bleibt einem schon übrig. Eine antrainiert automatisiert-floskelhafte Freundlichkeit, die einem irgendwann auf den Nerv geht. Vielleicht auch nur das berüchtigte „Spiegelbild der Gesellschaft“.

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Donnerstag, 13. September 2018

gestammelt diskriminiert

Wie man kürzlich erleben durfte, geht es sogar beim Weltklasse-Damen-Tennis inzwischen sexistisch zu. Doch nicht etwa, weil im Damentennis keine Herren spielen dürften. Sondern aus Gründen von diskriminierenden Punktabzügen. Das liegt jedoch eher an der neuen Mutwilligkeit, überall Diskriminierung sehen zu wollen.

Kürzlich verlor der Tennis-Star Serena Williams ein bedeutendes Finale leicht überraschend gegen eine Nachwuchsspielerin. Während des Spiels beeindruckte Williams jedoch weniger durch Ball- als vielmehr durch Wortwechsel, nämlich mit dem Schiedsrichter. Und zur Strafe erhielt der Star mehrere Punktabzüge.

Gegenüber den Medien erklärte Frau Williams die Vermutung, der Schiedsrichter hätte bei einem Match unter Männern sicher nicht solche Strafen ausgesprochen. Und das sei sexistisch. Von Rassismus konnte Williams auch kaum sprechen, denn ihre Gegnerin war eine vom Schiedsrichter völlig unbehelligte Japanerin.

Sowohl Vorwürfe von Rassismus als auch Sexismus musste einen Tag später dagegen jedoch ein Karikaturist erleben, der für eine Zeitung in den USA eine Zeichnung anfertigte, die Frau Williams auf einem Tennisplatz vor Wut schnaubend darstellte. Mutwillige Konfrontation geht inzwischen (auch) vor jedem Humor.

Erstaunlich, dass in den folgenden Tagen in den sozialen Medien" keine MeToo"-Kampagne startete, in der eine Unmenge an Sportlern eingestanden hätte, auch schon einmal verloren zu haben - und jetzt im Nachhinein prompt den Mut gefunden hätten, irgendeine Diskriminierung darin zu erkennen. Doch so ahnen wir jetzt immerhin, warum Schalke 04 in der Bundesliga noch nie Meister wurde.

Man könnte zu Serena Williams eine kleine Parallele sehen zu diesem Fußballspieler Mesut Özil, der vor einigen Wochen auf eine gewisse Kritik an ihm u.a. mit „Rassismus“-Vorwürfen konterte. So wurden aus Fußballfans kurzerhand Rechtsradikale, mutwillig und willkürlich und sämtliche („sozialen“) Medien sprangen darauf an.

Das hat sich in letzter Zeit verbreitet etabliert: bequeme und einfache „Hashtag“-Denke im Schlagwortmodus, maximal in „Twitter“-Länge. Wenn das solche Folgen produziert, wäre das bedenklich genug. Doch schlimmer noch, wenn über diese Folgen genauso kurzgestammelt gedacht und geredet wird.

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Dienstag, 28. August 2018

digital konfrontiert

Es scheint in unserer Gesellschaft zunehmend radikal zu werden. Oder anders gesagt: Ein womöglich ohnehin leichter Hang zur Radikalität bekommt zunehmend Anlässe, öffentlich angewendet zu werden. Doch vielleicht liegt es auch daran, wie soziale Medien als Öffentlichkeit fungieren.

Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre war ganz schön was los in Deutschland. Es gab eine Hausbesetzerszene, es gab Demonstrationen gegen die Stationierung von Mittelstreckerenraketen in Deutschland und demonstrierten regelmäßig Atomkraftgegner. Das waren offiziell, politisch wie medial: alles „Chaoten“.

So gesehen war es die letzten paar Jahre vergleichsweise ziemlich ruhig. Es schien, als wäre die Bevölkerung massenhaft narkotisiert kaum noch von ihrer Couch, ihrem Fernseher und ihrer PlayStation wegzubekommen. Anlässe hätte es sicherlich ein paar gegeben.

Mit dem Internet und insbesondere mit den „sozialen Medien“ wurde das ein wenig anders: Jetzt konnte man seine Meinung öffentlich bundes- und sogar weltweit verkünden, sich massenhaft engagieren und/oder chaotisch toben, ganz bequem von Zuhause aus, relativ äußerst gefahrlos, mit einem Sicherheitsabstand so weit die Datenleitung reicht.

Diese Verhinderung und aktive Vermeidung der direkten persönlichen Auseinandersetzung mit Menschen anderer Meinung hat Folgen. Zumal hierbei nicht nur bekannterweise sämtliche non-verbalen Signale wie Gestik und Mimik flachfallen. Es hat sich dazu noch etabliert, die Welt auf ein schnödes „Gefällt mir“ oder eben nicht zu reduzieren, Daumen hoch oder runter, dazwischen gibt es nichts.

Wenn man lernt, die Welt durch diese künstlich digitale Brille wahrzunehmen, wähnt man sich gern auch in einer Welt auf dem intellektuellen Stand des Kalten Krieges, in der das eindeutig Gute gegen das eindeutig Böse kämpft. Wobei dummerweise jeder vollauf davon überzeugt ist, zu den Guten zu gehören.

Freitag, 10. August 2018

gewaltig erhitzt

Das ist mal wieder typisch. Kaum haben wir mal wieder ein Wetter-Extrem, stürzen sich die Medien auf den Klimawandel. Mindestens genauso interessant ist jedoch die Art und Weise, wie das bis zu Otto Normalbürger durchdringt und bei ihm ankommt.

Der Klimawandel ist ein Paradebeispiel dafür, wie man sich medial mit Problemen beschäftigt, wenn sie gerade mal auffallen. Und nur so lange, bis es durchgenudelt ist, und von einem anderen endlich aktuelleren Problem abgelöst wird. So bleiben wir immerhin schön beschäftigt.

So war etwa der vergangene Oktober 2017 „der wärmste, seit Beginn der Wetteraufzeichnung“, wie es immer heißt. Prompt war das natürlich ein Nachweis für die globale Erwärmung, Treibhauseffekt, Klimawandel, usw. Der Oktober 2016 dagegen war der kälteste Oktober seit jemals überhaupt, vielleicht mit Ausnahme der Eiszeit, doch irgendwie ungeeignet, um eine globale Erwärmung zu thematisieren.

Das Ganze ist mindestens schon einmal typisch für unser „Hashtag“-Zeitalter. Größere Zusammenhänge und tieferes Hintergrundwissen sind einfach nicht mehr angesagt. Angesagt ist der Schlagzeilen-Modus, maximal in „Twitter“-Länge, in möglichst simplem Schwarz-Weiß, um ruckzuck Dafür oder Dagegen sein zu können, in aller Konsequenz, notfalls radikal.

So auch beim Thema Klimawandel. Zwar sind sich wohl die meisten durchaus einig, dass zurzeit ein Klimawandel stattfinden könnte. Doch ein paar davon bezweifeln tatsächlich, dass die globale Erwärmung „menschengemacht“ sei. Und das, obwohl das doch allgemein und generell der Konsens der Mehrheit ist. Ist das zu fassen.

Dabei ist allein schon die Andeutung dieses Zweifels völlig ausreichend, um Reaktionen extrem übelster Art zu provozieren und mitunter prompt als rechtsradikaler Neo-Nazi bezeichnet zu werden. Eine mindestens ebenso radikale gedankliche Steilkurve, die man erst einmal hinbekommen muss.

Eine Radikalität in ähnlich feindseliger Mentalität, wie Nichtraucher gegen Raucher aufmarschieren und Vegetarier gegen Fleischesser hetzen. Natürlich gibt es löbliche Ausnahmen. Doch die Tendenz geht zu einem „Gut gegen Böse“, selbsternannte Weltretter gegen naive Vollidioten, Schwarz-Weiß-Denken auf „Hashtag“-Niveau.

Nur nach dem nächsten Terroranschlag haben sich ein paar Wochen lang erst einmal alle gegenseitig unheimlich lieb und verurteilen jede Art von Abgrenzung und Ausgrenzung, Gewalt und Radikalität.

Mittwoch, 1. August 2018

hymnisch vermengt

Nun gut. Wir befinden uns mitten im medialen Sommerloch. Im Normalfall wäre zum jetzigen Zeitpunkt noch das Thema „Fußball-WM“ in aller Munde. So jedoch befinden wir uns Dank eines Fußballers nun in einer sommerlichen „Rassismus“- und „Integrationsdebatte“, dummerweise: bis es keiner mehr hören kann.

Das Regionalfernsehen des WDR schickte kürzlich ein Reporterteam zu einer Grundschule, in der man sich verstärkt um Kinder mit so genanntem „Migrationshintergrund“ kümmern muss. In diesem Fall übernimmt das eine Lehrerin, die selbst einen solchen hat. Das wäre im Prinzip mindestens höchst sinnvoll.

Thematischer Aufhänger: Der Fußballer Mesut Özil, der sich stets beharrlich weigerte, bei Länderspielen die obligatorische Nationalhymne mitzusingen: Dazu meinte diese Lehrerin, auch sie selbst würde den Text der Hymne nicht kennen – schon deshalb nicht, weil sie in ihrem alltäglichen Leben keine Rolle spiele.

Das stimmt natürlich. Nur die wenigsten Bürger singen nach dem Frühstück oder vor der Nachtruhe erst einmal die Nationalhymne. Mit erhöhter Wahrscheinlichkeit trifft das allerdings auch auf die meisten Österreicher, Franzosen und Dänen zu. So könnte man auch fragen, was der aktuelle „Top10“-Hit, den jeder Zweite auswendig mitträllert, mit dem Alltag zu tun hat.

Sportliche (Groß-)Ereignisse sind eben nicht der Alltag. Zu solchen Anlässen kann das gemeinsame Hymnensingen durchaus eine ebensolche Gemeinsamkeit vermitteln, wie u.a. das Tragen von Nationaltrikots. Es kann eine Gelegenheit sein, um Gemeinsamkeit zu demonstrieren. Und Gemeinsamkeit ist doch eigentllich auch das, worum es bei diesem Thema geht(?).

Gelinde gesagt etwas „unfair“ jedoch, dass diese Lehrerin den ihr anvertrauten unschuldigen Kindern ein Video präsentierte. Die Fußballnationalmannschaft vor einem Spiel im Jahr 1974, und es sang doch tatsächlich nachweislich kein einziger Spieler die Nationalhymne mit. Der Versuch eines „Siehste“-Effekts mit unterschwelligem Verweis auf die Kritik am sanglosen Özil.

Ein Vergleich, der jedoch schlimmer hinkt als ein Fußballer nach einem Foul. Damals nämlich wirkte immer noch der Zweite Weltkrieg nach. Das Singen der Hymne galt als nationalistisch-ungehörig. Für die Nationalkicker eingeführt hatte das im Jahr 1984 der damals neue Teamchef Franz Beckenbauer. Übrigens unter dem Aspekt des Teamgedankens, der Gemeinsamkeit.

Und dann kamen noch die guten, alten „deutschen Werte“ zur Sprache. So fragte die Lehrerin rhetorisch, ob sie denn nur eine gute Deutsche sei, wenn sie den Hymnentext kenne. Es sei doch viel wichtiger, die deutschen Werte zu teilen. Warum das wichtiger ist, blieb dagegen ungeklärt. Ebenso, was das nun in Bezug auf diesen Fußballer Mesut Özil bedeutet.

Özil nämlich ließ sich bekannterweise fragwürdig mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan ablichten, der einen mutmaßlich diktatorischen Hang zur Staatsführung hat, menschenrechtlich äußerst bedenklich. Und wenn Herr Özil selbst nicht erklärungsbereit ist, wie man das verstehen soll, muss er sich nicht wundern, wenn seine Wertvorstellungen ersatzweise von anderen interpretiert werden.

Die „deutschen Werte“. Ich kann nichts dafür, aber mir fällt seit Kurzem dazu immer spontan dieses alte Zechengelände in Nordrhein-Westfalen ein, das im Rahmen des Strukturwandels eine neue Bestimmung bekommen sollte. Da gab es heftigste Auseinandersetzungen zwischen Bürgern, die ein Kulturzentrum haben wollten, und den anderen, die lieber ein Einkaufszentrum („Spaßmeile“) hätten.

Die „deutschen Werte“. Schon bei der Frage „Kultur oder Shopping“ driften die deutschen Wertvorstellungen offenkundig ziemlich auseinander. Und ein Immigrant ist dann integriert, wenn er die Werte teilt, über die sich „die Deutschen“ selbst nicht einig sind, und aus reinen Kompromissgründen gezwungen sind, sie staatsbürgerlich mitzuvertreten.

Die „deutschen Werte“ schwanken schon regionalbedingt bedenklich zwischen Trachten, Sauerkraut und Schützenverein einerseits, sowie allem möglichen anderen, etwa Schlabberlook, Currywurst und Kegelklub andererseits. Erfolgreiche Integration ist davon abhängig, wo ein Immigrant zufällig landet.


Freitag, 27. Juli 2018

integrativ verwertet

Es köchelt sowieso ständig vor sich hin, das Thema „Rassismus“, immer wieder aufgewärmt, wenn es politisch und/oder medial gebraucht wird. Und soeben wieder richtig zum Kochen gebracht – anlässlich eines Fußballturniers und seines Sündenbocks. Man sollte es nicht glauben.

Unsere Fußballnationalmannschaft hat kürzlich bei der Weltmeisterschaft ziemlich peinlich gekickt und ist so blamabel früh ausgeschieden wie nie zuvor. Wie so oft bei solchen Gelegenheiten wurde prompt ein Sündenbock gesucht. Der Trainer kam diesmal jedoch nicht dafür in Frage und der Zeugwart eignete sich ebenfalls kaum.

Optimal geeignet schien zunächst der Fußballer Mesut Özil, an dessen Leistungen sich schon ewig die Geister scheiden: Einige sehen in Özil einen genialen Spielmacher, der extrem ästhetisch die spielstrategischen Fäden zieht. Einige andere sehen in ihm einen „körper- und schweißlos“ kickenden Mitläufer.

Doch nicht nur damit hatte Özil für die Rolle des Sündenbocks die besten Voraussetzungen. Dazu hinzu kam noch ein ziemlich fragwürdiger, politisch pikanter PR-Auftritt. Özil sparte sich zunächst wochenlang jeden Kommentar zu dem Ganzen, um dann doch irgendwann „die Rassismus-Karte zu ziehen“, wie es hieß:

Der Fußballer, in Gelsenkirchen geboren, und nicht einmal mit doppelter, sondern einfacher deutscher Staatsbürgerschaft, verwies auf seine türkischen Eltern; weshalb alle Kritik an ihm rassistisch sei. Prompt haben wir eine neu entflammte mediale Debatte über Rassismus, Integration, etc. Allerdings ohne Özil, denn der ist gleich wieder medial abgetaucht.

Abgetaucht mit den Schlussworten: „Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren“ Man könnte das auch anders sagen: Özil hält sich selbst für deutsch, wenn er bejubelt wird, und für rassistisch verfolgt, wenn man ihn kritisiert.

Denn bemerkenswerterweise spielte Özil seit fast 10 Jahren in der Nationalmannschaft, …offenbar rassistisch völlig unbehelligt. Ebenso bemerkenswert, dass kein anderer Spieler mit „Migrationshintergrund“, kein Boateng, Khedira, Rüdiger, nicht einmal Gündogan, ähnliches beklagt – wo es doch nun kaum eine bessere Gelegenheit gäbe.

Dumpfbacken, die von den Tribünen strohdumme, mitunter rassistische Sprüche gröhlen, sich im Schutz der großen Masse wähnend, hat es ebenso schon immer gegeben, wie Beleidigungen in Richtung Schiedsrichter. Beides hat in den letzten Jahren bedenklich zugenommen. Doch man sollte vielleicht nicht genauso dumpf darauf reagieren.

Sonntag, 22. Juli 2018

leserlich gedacht

Unsere Kultur ist auf dem besten Weg, den Planeten für Menschen unbewohnbar zu machen. Und unsere Kultur ist hochgradig technologieversessen. Man darf das beides durchaus in einem Zusammenhang sehen. Doch leider hat man uns beigebracht, dass HighTech der ultimative Problemlöser ist.

Es war einmal… ein gewisser Bill Gates, der die Vision formulierte „a computer on every desk and in every home“. Zu dieser Zeit hatte man dafür nur ein amüsiertes Lächeln übrig: Was soll Otto Normalbürger denn bitteschön mit einem Computer?
Das Lachen kann einem inzwischen nicht nur längst vergangen sein, vielmehr erfolgt es heute bei der umgekehrten Frage: Wie, bitteschön, sollte unser Lebensalltag ohne den ganzen Digitalkram überhaupt noch funktionieren?

Der Siegeszug des Computers ist also vor allem eines: ein glänzender Verkaufserfolg. Man hat uns äußerst erfolgreich die Idee und Überzeugung verkauft, wie wahnsinnig nützlich und hilfreich Computertechnologie doch ist.
Auf dieser Grundlage kann man uns inzwischen nahezu alles unterjubeln, vor allem: als „Fortschritt“. Zumindest rein technologisch, versteht sich. Die Frage, was das eigentlich alles soll, wird in diesem HighTech-Trubel weiterhin nicht gestellt.

Ein Paradebeispiel war kürzlich in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ zu sehen. Als Gästin geladen und erschienen war unter anderen Frau Miriam Meckel, offenbar auf Werbe-Tour für ihr Buch „Brainhacking“.

Moderator Markus Lanz stellte Miriam Meckel vor: „Sie sagen, wir sind heute so weit, wir können Gedanken lesen!“. Frau Meckel nickt, „Das geht sogar relativ einfach“, und beschreibt prompt einen Selbsttest in einem Versuchslabor an der Uni Tübingen. Ganz so, wie das ohnehin jeder schon kennt, ein Proband vor einem Monitor hockend, eine Elektrodenhaube über den Kopf gezogen, undsoweiter.

Auf dem Monitor, so Frau Meckel, seien die Buchstaben des Alphabets in einer bestimmten Anordnung dargestellt: „Ich muss mich dann darauf konzentrieren… nachdem sich die Software auf mich eingestellt hat, wie mein Gehirn tickt sozusagen, wie es reagiert, wenn ich ein A denke oder ein D denke, oder so. […] Und jetzt muss ich mich konzentrieren, auf den Buchstaben, den ich schreiben möchte. Das hat ein paar Minuten gedauert, aber: es geht!“ Toll. Wenn man die Zeit und Geduld hat.

Und weiter: „Ich hab einfach durch Konzentration auf die Buchstaben, ich will ein A schreiben oder ich will ein I schreiben, habe ich diesen Buchstaben auf den Bildschirm befordern können“ […] „Und das ist wirklich eine hohe Konzentrationsleistung. Irgendwann ging die Tür auf, jemand guckte hinein, sagte ‚Entschuldigung‘ und machte die Tür wieder zu, da war Ende mit Schreiben, bestimmt für eine Viertelstunde. Keine Konzentration, eine Störung, dann geht nichts mehr.“ Offenbar dieTücken hochsensibler HighTech.

An der Zukunft würden „Google“, „Facebook“ und Co. natürlich schon arbeiten, sodass man irgendwann, so Frau Meckel, „Texte denken kann, eMails denken, SMS denken […].Sie liegen auf einem Sofa mit einem Glas Rotwein in der Hand und denken ihre eMails an ihre Kolleginnen und Kollegen“.

Aber natürlich. Mit einer Elektrodenhaube auf dem Kopf und in Jogi-Löw-Manier mit „högschter Konzentration“, gaaaanz langsam, Buchstabe für Buchstabe. Wer das unbedingt als revolutionäres, technisches „Gedankenlesen“ verstehen möchte, der scheint seine Gedanken wohl üblicherweise einzeln zu buchstabieren.

Vor lauter blinder Begeisterung gegenüber dem scheinbar technisch Machbaren und Möglichen schmilzt jede annähernd kritische Haltung dahin. Nicht nur in Bezug darauf, was uns da wieder einmal völlig sinnfrei als „Fortschritt“ untergejubelt werden soll – sondern auch. verkauft.

Samstag, 16. Juni 2018

redselig gesimpelt

Wissenschaftler können uns so ziemlich alles erzählen. Und das tun sie auch. Eigenes Denken ist dabei gar nicht mehr nötig. Es ist allerdings auch nicht erwünscht. Wehe, man stellt infrage, was Wissenschaftler von sich geben. Ein Phänomen zwischen Populismus und Demogredseligogie.

Unsere Kultur ist ganz erstaunlich verblendet wissenschaftshörig. Deshalb gilt es auch als – wortwörtlich – ungehörig, auch nur den Hauch von Skepsis an dem zu äußern, was Wissenschaftler sagen. Das ist leicht paradox, wo doch gerade der Zweifel das Fundament aller Wissenschaft ist.

Dieser Unantastbarkeit liegt eine ganz raffiniert konstruierte Scheinlogik zugrunde: Der Laie hat eben schlicht und keine Ahnung. Und wenn er in all seiner Unwissenheit trotzdem denkt, kommt dabei natürlich zwangsläufig Unsinn heraus – gegenüber Wissenschaftlern, die zweifellos richtig denken. Weil sie Wissenschaftler sind. Punkt.

Eine hochinteressante Rolle spielen dabei immer wieder Astrophysiker. Also Wissenschaftler, die theoretisch am Urknall herumdenken, an Schwarzen Löchern und der mystischen Dunklen Materie. Gerade die nämlich scheinen sich besonders berufen zu fühlen, uns – jenseits ihrer Astrophysik – über alles Mögliche zu belehren.

Einer davon war etwa Stephen Hawking, der noch kurz vor seinem Tod verkündete, Klimawandel, Epidemien und Bevölkerungswachstum könnten der Menschheit in 100 Jahren den Garaus machen. Ein Astrophysiker als Klimaforscher, Mediziner und Soziodemograph in Personalunion. Und so etwas macht niemanden skeptisch.

Ähnliches vollführen auch die beiden deutschen Astrophysiker Ranga Yogeshwar und Harald Lesch, omnipräsent u.a. als TV-Moderatoren, Talkgäste und Vortragsredner, weil scheinbar multikompetent für sämtliche Lebensfragen. Und auch das macht niemanden ansatzweise skeptisch.

Letzterer, Harald Lesch, ist ohne Frage rhetorisch und didaktisch äußerst begabt, bezeichnet sich selbst als „Rampensau“, ist beeindruckend leidenschaftlich engagiert in der Problematik des (nach seiner vollen Überzeugung: zweifellos menschengemachten) Klimawandels. Diese Mischung ist allerdings insgesamt fragwürdig.

So prangert Lesch alle möglichen Missstände gnadenlos in aller Schärfe an: politische, wirtschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche. Jedoch: Der gute Mann ist Astrophysiker! Natürlich dürfte Lesch als besorgter, nachdenklicher Bürger seine Meinung äußern. Doch das tut er eben nicht. Er tut das als Wissenschaftler! Als solcher wird er schließlich überall eingeladen und engagiert.

Und wenn das so ist, dann sollte man dessen waghalsige Kompetenzüberschreitung weit hinaus über die Astrophysik infrage stellen. Doch genau deshalb wird Harald Lesch ebenso wie Ranga Yogeshwar auch als „Wissenschaftsjournalist“ bezeichnet. Das heißt: Die beiden lesen unheimlich viel über andere Wissenschaften – und: reden darüber. Vor allem: letzteres.

Freitag, 1. Juni 2018

pflichtig beschult

Am letzten Schultag vor den Pfingstferien machte die Bundespolizei in Bayern an den Flughäfen München, Nürnberg und Memmingen Jagd. Nicht auf Terroristen, sondern auf Eltern, die ihre Kinder illegal schulschwänzen ließen, um billiger in Urlaub fliegen zu können.

Eltern sind zwar erziehungsberechtigt, doch deshalb können sie natürlich nicht willkürlich über ihre eigenen Kinder verfügen. Etwa, indem sie ihren Nachwuchs in der Schule als erkrankt entschuldigen, nur um in Wirklichkeit einen Tag früher in die Ferien starten zu können. Das ist strikt verboten.

Wo kämen wir da auch hin. Schließlich gibt es in Deutschland eine Schulpflicht. Und die gilt auch für den letzten Schultag, selbst wenn nichts stattfindet, das auch nur annähernd mit Unterricht zu tun hat. Das sollte man keinesfalls einreißen lassen.

Deshalb betrifft die Pflicht zur Beschulung im offenen Vollzug einer geschlossenen Lehranstalt weniger die Kinder als viel(-)mehr die Eltern. Im Gegensatz zu den Kindern nämlich werden die Eltern bei einem Pflichtverstoß richtig bestraft, mit Strafanzeige und Bußgeld.

Dabei wird die Schulpflicht gern fahrlässig gleichgesetzt mit einer Art generellen Bildungspflicht. Wenn es die nicht gäbe, würde schließlich kaum ein Kind freiwillig zur Schule gehen, schon gar nicht tagtäglich regelmäßig. Das Resultat: Eine verdummte Generation. Und das dürfen wir keinesfalls riskieren.

Vielleicht ist das aber auch der falsche Denkansatz. So gibt es, zum Beispiel, keine Vereinspflicht für Kinder, zwangsweise verpflichtend organisiert Sport zu treiben – und trotzdem gehen Schulkinder mehrmals die Woche zum Training, freiwillig und regelmäßig, selbst wenn es anstrengend sein kann.

Vielleicht sollte man – „ganz einfach“ – Schule von Zwang befreien. Und darauf hinwirken, dass Kinder die Lernfreude empfinden, die man ihnen per verordnetem Beschulungszwang genommen hat. Doch selbst dagegen gibt es garantiert Vorbehalte und Widerstände.

Mittwoch, 23. Mai 2018

gefährlich intelligent

In der Sendung „Monitor“ des Ersten Deutschen Fernsehens wurde kürzlich über „Killer-Roboter: Töten ohne Gewissen?“ berichtet. Natürlich ging es um das aktuelle Dauertrendthema „künstliche Intelligenz“. Unbedingt! Man will es uns doch unbedingt zwangsweise unterjubeln. Unbedingt!

Auf der Website des TV-Magazins wurde die vermeintlich maschinelle „Intelligenz“ immerhin in An- und Abführung gesetzt. Das ist in dem dazugehörigen filmischen Bericht natürlich nicht möglich. Mindestens dadurch werden die Aussagen gehörig windschief.

In der schriftlichen Beschreibung zum Bericht heißt es: „Sie (Anm.: „intelligente“ Waffensysteme) navigieren, überwachen und können selbstständig zielen – und sie werden die Zukunft der Kriegsführung radikal verändern. Was aber bedeutet es, wenn künftig Algorithmen die Entscheidung über Leben und Tod treffen?

Und aus dem Fernseher sprach es: „(Waffensysteme) gesteuert von künstlicher Intelligenz, also von Computern, die immer intelligenter werden. Sie treffen immer mehr Entscheidungen selbst“. Ist das nicht erschreckend. Und es scheint doch immer bedrohlicher zu werden.

Um mich selbst aus meinem Buch [ WIRKUNG! ] zu zitieren: So viele Anführungszeichen, wie man in dieser Thematik bräuchte, stehen einem fast gar nicht zur Verfügung. Das Wörtchen „intelligent“ im Zusammenhang mit Maschinen sollte hier nämlich bei weitem nicht das einzige sein.

Maschinen „navigieren“ nicht, sie „überwachen“ nicht, „zielen“ nicht und sie treffen erst recht keine Entscheidungen. Das alles sind Begriffe, die aus dem Menschlichen kurzerhand freihändig auf etwas übertragen wird, das davon nicht nur Lichtjahre entfernt, sondern etwas gänzlich anderes ist.

Wie meinte kürzlich der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger: „Algorithmen bestimmen zunehmend über unser Leben. In Deutschland fehlt es an grundsätzlichem Wissen über den digitalen Wandel“. Sicher. Allerdings müsste man auch dringendst mit anderen Worten anders davon und darüber reden.

algorithmisch angepasst

Das Trara um irgendwelche Algorithmen geht mir allmählich richtig auf den Keks. Ein Geblubber und Gequake darum, welcher Konzern mal wieder was und wie an seinem Algorithmus geändert hat oder nicht: Man ist nicht nur digitalen Gurus hörig. Es ist noch schlimmer.

In den Anfängen des Internet durchsuchten Suchmaschinen die Masse der Websites noch anhand  von so genannten „Keywords“. Also Schlüsselworte, die auf Seiten auftauchten, die dem Suchbegriff entsprechen. So einfach ist das schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, dafür jedoch angeblich: hochoptimiert.

Irgendwann nämlich fegte „Google“ alle Konkurrenz quasi vom Markt, indem dessen Suchfunktion permanent „optimiert“ wurde. Das Zauberwort: Algorithmus. Eine Methode, alle Suchkriterien auf magische Weise in Zahlen umzuwandeln, und mit diesen Zahlen irgendeine Relevanz zu berechnen.

Das war dann auch die Geburtsstunde von „SEO“: Die Optimierung von Websites für Suchmaschinen. Genauer gesagt: für eine davon, nämlich „Google“. Das Ziel: In Ergebnislisten „möglichst weit oben zu stehen“. Agenturen, die dieses Versprechen verkauften, schossen wie Pilze aus dem Boden.

Schließlich klicken die Menschen immer nur einen der Links auf der ersten Ergebnisseite an, nicht wahr. Ganz so, wie es in früheren Zeiten der Printwerbung immer hieß, eine Werbeanzeige müsse optimalerweise auf der rechten Seite platziert sein, weil man die beim Umblättern zuerst vor Augen hat.

So herrscht inzwischen ein regelrechtes Gehechel und Gegeifer, seine Website – bzw das, was man zu sagen hat, bzw: sich selbst – bestmöglich anzupassen. Und zwar an das, was „Google“ bitte haben möchte. Je nach neuestem Algorithmus. Das hat sich etabliert und maximal ausgeweitet:

Von „Amazon“ über „Facebook“, „Twitter“, „Instagram“ und „YouTube“ bis „Spotify“. Alle diese Konzerne haben ihren Algorithmus und alle braven Nutzer sind dem in Hörigkeit ergeben, um „ganz weit oben zu stehen“, auf der Jagd nach „Likes“, „Followern“ und „Abonnenten“. Alle im gleichförmigen Brei der Masse unter- und miteinander vermengt:

Dabei finden übrigens auch digitale Partnerschaftsvermittlungen („Dating Portale“) sowie Beurteilungen von Bewerbern in Personalabteilungen, selbst Krankheitsdiagnosen durch mathematische Programmierung von Algorithmen statt. Alles Einsatzbereiche, die sich durch die immerselbe Prozedur scheinbar automatisieren lassen.

Diese Algorithmus-Hörigkeit offenbart „den“ Mythos unserer hochmodernen Zivilisation: Der Glaube, menschliches Denken, Verhalten und Handeln ließe sich problemlos in Zahlen fassen – und schließlich mittels hochpräziser Logik und cleverer Formeln berechnen und kalkulieren.

Wie man quer durch unsere digitalisierte Welt sehen kann, funktioniert das in hohem Grad tatsächlich. Weil alle daran glauben.

Samstag, 19. Mai 2018

nervig beschützt

Seit ein paar Wochen herrscht größte digitale Aufregung. Die EU hat in bekannt überbürokratischer Manier eine neue Verordnung erlassen, wie persönliche Daten zu schützen sind. Ab Mitte Mai ist man nun beschützter denn je. Ob man will oder nicht.

Als geneigter Leser meiner Beiträge hier im Bildungsblog oder auch auf meiner „Facebook“-Seite wissen Sie, dass ich liebend gern grundsätzliche Fragen stelle. Auch auf die Gefahr hin, dass auf Anhieb nicht ganz oder gar nicht verstanden wird, was ich damit überhaupt in Frage stellen will.

Wenn etwa seit mehreren Jahren, insbesondere seit der Etablierung der „Sozialen Netzwerke“, darüber diskutiert wird, wie enorm wichtig und schützenswert unsere persönlichen Daten sind, sei einfach einmal gefragt: Was ist das eigentlich? Was genau ist ein persönliches Datum?

Wenn man diesen Singular von „Daten“ verwendet, fällt einem rein sprachlich vor allem das Geburtsdatum ein. Gehört mein Geburtsdatum zu meinen ganz persönlichen Daten, auf die ich ein verbrieftes Recht habe? Und was ist dann mit all den anderen Menschen weltweit, die am selben Tag geboren wurden? Teilen wir uns alle dieses Recht? Oder wie?

Doch angeblich liegt das Problem gar nicht bei solch einzelnen Daten, sondern besteht aus deren Verbindung: Mein Geburtsdatum zum Beispiel in Verbindung mit meinem Geburtsort, womöglich in weiterer Verbindung mit z.B. Augen- und Haarfarbe erhöht die Möglichkeit, mich persönlich in einer Masse auffindbar(er) zu machen. Wenn man das unbedingt möchte.

Ganz zu schweigen, das alles auch noch in Verbindung mit so genannten „Bewegungsdaten“, wann ich mich wo wie lange aufgehalten habe, in Verbindung mit Konsumdaten, was ich und wann wo gekauft habe und/oder beides sogar in irgendeiner Regelmäßigkeit. Mag sein, dass ein solches Szenario irgendwann einen kritischen Punkt erreicht.

Solche Daten sind auf dem Datenmarkt eine Menge Geld wert. Man meint, durch das Sammeln, Verbinden und Auswerten von Daten etwas über Menschen zu wissen" und sie auf irgendeine Weise zu „kennen". Dieser Mythos hat um sich gegriffen. Und der Glaube daran ist deutlich größer als jeder Hauch eines Willens, das einmal in Frage zu stellen.

Doch bei allem gewaltigen Brimborium, bei dem Tara um Datenschutz und all den nervigen Belehrungen, wie vorsichtig wir bei der Preisgabe unserer Daten sein sollen…mal ganz naiv gefragt: Warum wird dann die Auswertung und insbesondere der Handel mit Daten nicht einfach verboten?

Dienstag, 15. Mai 2018

zukünftig unmenschlich

Wenn es um unsere penetrant prognostizierte Zukunft geht, sind wir bald umgeben von menschenähnlichen Robotern und lassen uns von „autonomen“ Fahrzeugen von A nach B chauffieren. Zum Beispiel. Der Haken an der Sache ist allerdings: der Mensch als solcher.

Hat es Sie auch schon (oder etwa: noch nicht) leicht erstaunt, mit welcher Hartnäckigkeit an einer ganz bestimmten Zukunftsvision gebastelt wird? Welch enorme Energie z.B. in Alltagsroboter und selbstfahrende Autos investiert wird? Man will uns das offenbar unbedingt aufzwingen.

Dabei hat eine kürzliche Umfrage ergeben, dass angeblich gerade einmal 8 Prozent der Deutschen tatsächlich ein „autonomes“ Kraftfahrzeug besitzen wollen würden. Am wenigsten wohl die jungen Erwachsenen, die dann bei ihren nächtlichen innerstädtischen illegalen Autorennen sicher deutlich weniger Spaß hätten.

Eine immer größer werdende Menge Jugendlicher dagegen will weder-noch und überhaupt gar kein Auto mehr besitzen. Dazu meinte ein Manager eines Automobilherstellers: „Wir müssen das Auto besser vernetzen“. Sieh an. Wenn Vernunft um sich greift, wird sie eben sabotiert und ausgehebelt. Der Wirtschaft zuliebe.

Auf solche Weise wird uns völlig sinnloser Digitalkram aufgezwungen. Mich hat jedenfalls niemand gefragt, ob ich Briefmarken- und Leergutautomaten haben möchte, die mit mir „kommunizieren“, beginnend mit „Bitte wählen Sie Ihre Sprache“ Früher hieß es einmal, Computer führen Befehle aus. Inzwischen geben sie sie.

Ich persönlich habe auch keinerlei Interesse daran, mit einer „intelligenten“ Kaffeemaschine Diskussionen zu führen, ob ich noch ein Tässchen haben darf. Doch wie es scheint, ist es vorläufig unausweichlich.

Montag, 30. April 2018

unbedingt verarbeitet

Pünktlich zum bevorstehenden „Tag der Arbeit“ muss offenbar unbedingt wieder das „Bedingungslose Grundeinkommen“ (BGE) aus der Themenschublade gekramt werden. Und wie gewohnt klammert man sich dabei an Altgewohntes. Notwendige Veränderungen hin oder her: Hauptsache, alles bleibt, wie es ist.

Der Philosoph Richard David Precht meint, ein BGE würde – endlich – ermöglichen, dass sich Menschen losgelöst vom Arbeitszwang voll und ganz ihrer Selbstverwirklichung widmen könnten – und ist u.a. deswegen ein Befürworter des BGE.

Genau damit jedoch bedient Precht unfreiwillig sehr kontraproduktive Klischées und Glaubenssätze auf Seiten der BGE-Gegner. Demnach nämlich ist das BGE in erster Linie für arbeitsscheue Faulpelze eine tolle Sache und quasi noch eine „Belohnung für Faulheit“. Und das kann natürlich nicht sein.

Das ist nicht gerade rational gedacht, sondern deutlich zu kurz. Doch wer den Mythos Arbeit so als Überzeugung in seinem Kopf festsitzen hat, für den hat jetzt die SPD die Mogelpackung eines „soldarischen Grundeinkommens“ gebastelt, statt eines bedingungslosen – vor allem, um als Partei irgendwie den „Hartz IV“-Makel loszuwerden.

Manch ein vermeintlicher Experte sieht das BGE als Auffangnetz für Menschen, die unverschuldet durch die Digitalisierung keinen Job mehr bekommen. Denn das werden schließlich immer mehr: Rund 50% der heutigen Arbeitsplätze drohen in den nächsten Jahren ersatzlos wegzufallen.

Aber: nein! Alles falsch. Das Schicksal des Einzelnen interessiert die Politik ohnhin erst und nur dann, wenn viele, viele Einzelne zu einer Masse werden, etwa an Wahltagen. Und was sollte es Müller schon interessieren, ob Nachbar Meier ein BGE bekommt? Müller bekommt es selbst schließlich auch.

Der eigentliche Knackpunkt ist ein ganz anderer. Unsere gesamte Gesellschaft steht vor einem Kollaps. Denn unsere Gesellschaft ist eine Konsum-Gesellschaft, die nicht mehr funktioniert, wenn mangels Einkommen kaum noch konsumiert werden kann. Die Menschen müssen auch völlig Überflüssiges sinnlos konsumieren können.

Anders gesagt: Wenn (Millionen) Menschen nur noch am Rande des Existenzminimums dahin vegetieren, und nicht genügend Geld „übrig“(!) haben, um zu konsumieren, dann bricht die Konsumgesellschaft zusammen. Und das dürfte deutlich problematischer werden, als Einzelne „für Faulheit zu belohnen“.

Doch so lange praktiziert man lieber ein anderes bewährtes Mittel: Es war schon immer sehr leicht, Menschen gegeneinander aufzuhetzen. In diesem Fall vermeintlich fleißige auf vermeintlich arbeitsscheue – und wartet so lange, bis sich das Thema medial erledigt hat.

Montag, 2. April 2018

sozial erschüttert

Eine Welt ohne „Facebook“, „Google“, „YouTube“ & Co. Für die jüngere Generation kaum vorstellbar. Doch in relativ kurzer Zeit konnten wir gleich zwei Mal erahnen, wie diese zeitgeistigen „Sozialen Medien“ ihr klägliches Ende finden werden.

Anfang des Jahres sprach der Marketingvorstandschef von „Unilever“, Keith Weed, auf einer Werbekonferenz in Kalifornien: „Unilever wird nicht auf Plattformen werben, die zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen und den Jugendschutz vernachlässigen. Fragwürdige Inhalte schaden dem sozialen Vertrauen, den Nutzern und der Demokratie“.

Das war eine glatte Drohung. Denn das jährliche Marketing-Budget des britisch-niederländischen Unternehmens beträgt angeblich rund 9,8 Milliarden Dollar, wovon rund ein Viertel auf „Soziale Medien“ verteilt sind. Und das… ist eben nur einer von vielen Konzeren. Und damit erst der Anfang.

Und nun, knapp drei Monate später, ist es ein Datenskandal um „Facebook“, der einige Großkonzerne veranlasst hat, ihre Werbung sofort zu stoppen und ihre Profile vorerst stillzulegen. Eine weitere kleine Machtprobe, die aus (u.a.) „Facebook“ plötzlich ein ohnmächtiges, kleines, abhängiges Lichtlein macht.

Im November 2017 froren u.a. die Deutsche Bank, Adidas und Mars ihre Werbung bei „YouTube“ ein, als sich dort fragwürdige, radikale und Gewalt-Videos anhäuften. „YouTube“ wiederum ist eine „Google“-Tochter. Und bei diesen beiden ist es kaum anders als bei „Facebook“, das sich zu 98% aus Werbegeldern finanziert. Genau so und genau deshalb werden diese Noch-„Riesen“ irgendwann in einem Wölkchen aus Nullen und Einsen verpuffen.

Das Ganze „Soziale“ ist schließlich nichts weiter als ein Geschäftskonzept und reines Business. Und sonst gar nichts. Sobald damit nichts mehr zu verdienen sein wird, hat es sich mit dem „Sozialen“ erledigt. Und dann wird sich die Generation der „Digital Natives“ plötzlich im digitalen Vakuum wiederfinden und nicht wissen, wohin mit ihren Videos und Selfies.

Wir werden uns auch daran gewöhnen. Jedenfalls ist hier kein Untergangsszenario gemeint, sondern man kann sehr gespannt sein, was auf die „Sozialen Medien“ folgen wird. Dioch sicherlich wieder nichts, das man sich aus unserer digitalen Gegenwart kurzerhand in die Zukunft denkt.

Mittwoch, 28. März 2018

zwanghaft erkrankt

Im Grunde ist es kaum zu fassen, wie die Bevölkerung grob fahrlässig desinformiert und fehlgebildet wird, und das sogar auch noch öffentlich-rechtlich. Natürlich ist das in der Regel keine Absicht, sondern gut gemeinter Journalismus. Was das Ganze jedoch kaum erträglicher macht.

In einem Nachrichtenmagazin des WDR-Fernsehens sah man offenbar die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit über die so genannte „Prokrastination“ aufzuklären. Wer auch immer die verantwortlichen Journalisten auf diese Idee gebracht und auf dieses Thema gestoßen hat.

Prokrastination ist etwas, das im Volksmund „Aufschieberitis“ genannt wird. Also eine glatte Zuwiderhandlung gegen die Weisheit „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ – und: es ist ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie aus einem Allerweltsproblemchen eine bösartige Krankheit gebastelt wird.

Der Bericht beginnt mit den Worten: „Prokrastination, so heißt diese Krankheit […]“. Jedoch: Leider falsch. Wenn man das überhaupt mutwillig als „Krankheit“ betrachten will, dann heißt sie mitnichen so, sondern sie wurde nach ihrer Erfindung so genannt. Das sind mindestens zwei Paar Schuhe.

„Prokrastination“, heißt es weiter, „kommt aus dem Lateinischen […]“. Und auch das: leider falsch. Dieser Begriff „kommt“ nicht etwa aus dem Lateinischen, weil er im Lateinischen gar nicht existiert, sondern man hat ihn aus lateinischen Wörtern zusammengebastelt, weil das krankhafter und bedrohlicher klingt als „Aufschieberitis“.

Und tatsächlich wird einem sodann erzählt: „Aufschieben kann sogar krankhaft werden, jeder zehnte Deutsche soll betroffen sein“. Prompt wird die „Prokrastinationsambulanz“ in Münster vorgestellt und ein dortiger Psychologischer Psychotherapeut dazu befragt. Das ist mal ein Service.

Schätzungsweise werden Hunderte von Zuschauern gleich einen Tag nach diesem Bericht zum Arzt gelaufen oder gleich nach Münster gefahren sein, weil sie sich unversehens betroffen fühlen: „Herbert, du wolltest doch schon vorgestern das Bild an die Wand hängen! Vielleicht bist du ja krank.“

Wobei von diesem Psychologische Psychotherapeuten zu erfahren ist, dass eine Therapie in Gruppentrainings oder in Einzelberatungen stattfindet, bei zwischen 5 oder 7 Therapiesitzungen. Er hat in diesem öffentlich-rechtlichen Werbespot nur vergessen zu erwähnen, was das kostet. Doch das erfährt man schließlich, wenn man nachfragt.

Dienstag, 20. März 2018

beruflich gefährdet

Manchmal fragt man sich, ob man absichtlich über- und fehl- und desinformiert wird, und sich irgendwo irgendwer einen Heidenspaß daraus macht. Oder ob das lediglich der Zeitgeist ist, an den man sich erst noch gewöhnen muss. Wie auch immer: das Problem bleibt am Ende an Otto Normalmensch hängen.

Kürzlich wurde im regionalen Fernsehen des WDR berichtet und beklagt, dass wir in Deutschland inzwischen viel zu wenig Lastkraftwagenfahrer hätten. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband DSLV spricht von zurzeit 45.000 fehlenden Brummifahrern und sieht die allgemeine Versorgungssicherheit gefährdet.

Diese Meldung lief unter dem Stichwort „Fachkräftemangel“. Sieh an. Da meinte man doch fast, der simple Besitz eines Lkw-Führerscheins würde als Qualifikation ausreichen, und das Be- und Entladen würde quasi zwangsläufig nebenher anfallen. Von wegen. Ein Lkw-Fahrer ist eine Fachkraft. Man lernt doch nie aus.

Da erstaunt es fast, dass das weder Kindern noch Eltern über die Schulbildung nahe gebracht wird. Eifrige Eltern fördern ihre Sprösslinge, was das Zeug hält, und peitschen sie auf’s Gymnasium, aber doch in der Regel nicht gerade, damit der Bengel am Ende Lkws quer durch Deutschland fährt. Fachkraft hin oder her.

Und wenn Politiker penetrant ihr Mantra von „mehr Bildung“ herunterbeten und die Schulen zwanghaft volldigitalisieren wollen, dann ist das meines Wissens noch nie damit begründet worden, dass wir in unserer Bildungsrepublik doch schließlich mehr Lkw-Fahrer bräuchten. Unsere Versorgungssicherheit sieht man wohl an ganz anderen Stellen stattfinden.

Dem gegenüber hat soeben die Bertelsmann-Stiftung freihändig hochgerechnet, dass bis zum Jahr 2030 rund 500.000 Vollzeit-Pflegestellen unbesetzt bleiben sollen, und daher die Versorgung pflegebedürftiger Menschen auf dem Spiel stünde. Nur deshalb, weil die junge Generation einen solchen Job ebenso unattraktiv findet, wie etwa den ganzen Tag Lkw zu fahren.

Und auch hier: Posaunt denn etwa alles „Mehr Bildung!“ und werden Eltern wie Kinder etwa auf das Gymnasium, Abitur und Studium getrimmt, um dann als Pflegekraft zu arbeiten? Frau Doktor füttert gerade eine Seniorin, während Herr Doktor unten auf der Straße seinen Lkw belädt.

Und das, um beiden – circa bis spätestens 2030 – zu sagen: „Sie sind als Fachkraft leider inzwischen überflüssig. Lkw fahren jetzt ganz von selbst und autonom und für Senioren gibt es fachkräftige Roboter, die weder den Stress bejammern noch besser bezahlt werden wollen“.

Freitag, 16. März 2018

halbgar geleistet

Und schon wieder beglückt man uns ungefragt mit einer neuen Bildungsstudie. Diesmal ist es der Versuch eines „Leistungsvergleiches“ von privaten gegenüber öffentlichen Schulen. Infragestellen sollte man dabei vielleicht die Leistung des durchführenden Experten-Teams.

Wie immer, hängt das Ergebnis von Studien zum Großteil von der Fragestellung ab. Also davon, was man dadurch eigentlich geklärt haben möchte. In diesem Fall basiert die Forscherei auf der Annahme, dass Kinder auf Privatschulen „in den Genuss einer höherwertigen Bildung“ kämen. Aha.

Na, wenn das nicht mal ein triviales Klischée ist, dem die Experten da folgen. Womöglich deshalb, weil Privatschulen von den Eltern ganz privat bezahlt werden müssen, während die Bildung an öffentlichen Schulen grundsätzlich umsonst ist, zuweilen im doppelten Sinne.

Erschwerend hinzu kommt, dass einerseits – wie eigentlich immer – nicht geklärt wird, was unter „Bildung“ (geschweige denn einer „höherwertigen“) genau zu verstehen sein soll. Dagegen ist andererseits der Begriff „Leistung“ für den „Leistungsvergleich“ exact festgelegt worden…

Lesen, Zuhören und Rechtschreibung im Fach Deutsch, Lese- und Hörverstehen im Fach Englisch, sowie die obligatorische Mathematik. Das ist, was bei Kindern unter „Leistung“ verstanden, erwartet und verglichen wird. Doch überraschenderweise sind Schüler auf Privatschulen hierin gar nicht besser als auf öffentlichen.

Mag sein. Jede Wette jedoch, dass das etwas anders aussehen würde, würde man den Begriff „Leistung“ etwas anders definieren; wenn man etwa Werte wie Höflichkeit, Anstand oder Respekt mit einbeziehen würde. Hierauf nämlich wird auf Privatschulen tatsächlich noch wertgelegt.

Prompt kämen die Experten dann auch auf ein anderes Ergebnis. Dumm natürlich, wenn man Werte nicht wirklich als „Leistung“ betrachtet. Noch dümmer - für solche Studien - dass man das nicht bepunkten und bewerten kann. Dem entsprechend bleibt das außen vor und werden wir mal wieder mit halbgaren „Erkenntnissen“ beglückt.

Dienstag, 27. Februar 2018

luftig verdreht

Wissen Sie noch: Welch Aufregung damals im Jahr 2015, als bekannt wurde, dass verschiedene Automobilhersteller den Schadstoffausstoß trickig manipulierten. Genauer: Nicht den Ausstoß an sich, sondern Messwertangaben. Und jetzt, drei Jahre später, spricht plötzlich alles und jeder von Stickstoffdioxid.

Es scheint, als ob man immer mehr Humor benötigt, um das Alltagsleben einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Da ist es irgendetwas zwischen schade und grob fahrlässig, dass Humor nicht als Teil der Bildung verstanden wird. Doch „der Ernst des Lebens“ wird schließlich nicht grundlos so genannt.

Kürzlich musste ich einen Werbespot miterleben, über den ein Kredit zu sagenhaften -0,5% (also: minus!) Zinsen angepriesen wird: „Sie bekommen 1000 Euro und zahlen nur 972 zurück“. Wer sich ein bisschen auskennt, amüsiert sich darüber, dass die Bank einem natürlich nicht 28 Euro schenkt, sondern 972 kassiert. Doch so etwas ist schließlich als Werbung voll legitimiert, sogar mitten im Bildungszeitalter.

Irgendwie so ähnlich ist das gerade mit dem Getöse um das Reizgas Stickstoffdioxid, das (unter vielen anderen) aus den Auspuffen in unser aller Atemluft gepustet wird. Und wie gefährlich das ist! Jährlich 6.000 Menschen sterben daran. Angeblich. Wie auch immer man das gezählt haben will.

Jedenfalls wären das glatt doppelt so viele Tote, wie angeblich jährlich durch Passivrauchen sterben. Und das hatten etliche Bürgerinitiativen angeprangert, und mit Bürgerbegehren umfangreiche Rauchverbote durchgesetzt. Die generelle Luftverpestung scheint man dagegen lieber den Politikern zu überlassen.

Wundersam jedoch, was man sich ausgerechnet auf diese Stickoxide stürzt und über Fahrverbote von Dieselfahrzeugen diskutiert. Schließlich befindet sich da noch einiges andere in der frischen Luft: Ammoniak, Schwefeldioxid und Feinstaub, sowie ein paar Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber.

Alleine aufgrund von Baustellen(fein)staub sterben angeblich allein in Los Angeles jedes Jahr 700 Menschen, sagen Forscher an der University of California.  Für woanders in der Welt hat das noch nicht einmal jemand untersucht. Doch weit und breit niemand, der Baustellen verbieten will.

Samstag, 6. Januar 2018

ruhelos verforscht

Na, das Jahr fängt ja gut an. Gleich am Anfang des Jahres, gleich Anfang Januar muss man in einem Nebensender des ZDF eine Dokumentation über den September miterleben: den 11. September 2001, World Trade Center; damals, Sie wissen schon. Das Ganze wegen etwas, das wir alle noch nicht wussten.

Unter anderem werden die neuesten Erkenntnisse eines Mr Frank Greening erklärt. Den Mann ließ eine Frage einfach keine Ruhe: Warum konnten die Türme so schnell einstürzen?“. Wie es hieß: „Greening setzt sich ein Ziel: Er will eine zweifelsfreie Erklärung finden, um die Verschwörungstheorien zu widerlegen. Also beginnt er, zu rechnen. Die mathematische Herangehensweise soll endgültige Antworten liefern“.

Das ist wieder typisch und weist wieder einmal nach, wie recht ich doch habe: Wir leben gedanklich im Mittelalter. Galileo Galilei; Isaac Newton und so weiter: Nur die Mathematik macht es möglich, „die Wahrheit“ herauszufinden.

Leider sind damit alle Nichtmathematiker inkompetent, sich über „die Wahrheit“ Gedanken zu machen. Wenn das jemand darf, dann ausschließlich Mathematiker bzw. Wissenschaftler, die an unserer Wahrheit herumrechnen. Und das muss man diesen Experten dann schließlich auch glauben.

Aber zurück zu Mr Greening, den der rasante Einsturz der Türme einfach keine Ruhe ließ: „Zuerst musste ich verstehen, warum die Türme so einfach einstürzen konnten, wie es aussah. Ich kniete mich in diese 9/11-Sache rein, ich wollte die Frage mit angewandter Physik klären. Also schrieb ich ein Computerprogramm, basierend auf der Impulsübertragung.“

Doch dann die überraschende Mitteilung: Der Mann ist Chemiker von Beruf. Ein Chemiker, der offenbar zufällig nicht nur auch Experte in angewandter Physik ist, sondern auch Computerprogramme schreiben kann, basierend auf Impulsübertragung – und beides natürlich fehlerfrei.

Hoffentlich hat ein Physiker das Gerechne einmal kurz überflogen und sich ein Informatiker das Computerprogramm genauer angesehen. Aber natürlich… darum geht es nicht. Viel wichtiger ist schließlich das Ergebnis: „die Wahrheit“. die Mr Greening entdeckt hat – versendet vom ZDF mit öffentlich-rechtlichem Bildungsauftrag.