Dienstag, 7. März 2006

Die Zukunft ist rot

Die Volksrepublik China. Eine traumhafte Wachstumsrate von etwa 9 Prozent. Weltweit nur noch übertroffen von Dubai. Nach den USA, Japan und Deutschland ist China inzwischen die viertgrößte Wirtschaftsnation und nach den USA zudem Deutschlands wichtigster Exportpartner außerhalb Europas. Deutsche Unternehmen sind also "dabei" und "mit im Spiel". Schließlich ist China "ein Markt mit mehr als 1,3 Miliarden Kunden", die allesamt auf den Segen westlichen Fortschritts warten, und allesamt ihr Auto und ihre Einbauküche brauchen.
Demnächst wird in China die Magnetschwebebahn von Shanghai nach Hangzhou ausgebaut, für etwa 3,8 Milliarden Euro, vom deutschen Transrapid-Konsortium, bestehend aus den Konzernen Siemens und ThyssenKrupp. Volkswagen, Bosch, adidas, BASF, die "Global Player" lassen sich solche Chancen nicht entgehen, und EADS wird demnächst in China Teile für den Airbus bauen lassen. Insgesamt zurzeit um die 3000 Unternehmen, knapp die Hälfte davon mittelständisch, sind in China aktiv. Tendenz: steigernd. Bravo!

Aber Moment... war da nicht etwas? Am 10.11.2005 traf sich unser Staatsoberhaupt Horst Köhler mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao in Berlin, und "ermahnte China außergewöhnlich deutlich" zur Demokratisierung und zur Einhaltung der Menschenrechte". Stimmt. Ich erinnere mich. China ist eine Volksrepublik. In China regiert der Kommunismus.( Nur nebenbei bemerkt: Am selben Tag wurden bei gutem Essen sechs Wirtschaftsabkommen getroffen. Unter anderem wird Siemens 60 ICE-Züge nach China liefern, die ab 2008 auf der Strecke Peking-Tianjin pendeln sollen. Menschenrechte hin oder her. )
Bei der Aussicht auf gute Geschäfte interessiert nur am Rande, dass mehr als die Hälfte aller weltweiten Todesurteile in China vollstreckt werden, dass dort so etwas wie Versammlungs- oder Meinungsfreiheit nicht existiert und der Kommunismus nicht viel von Religionsfreiheit hält.

So viel zum Thema "Moral und Ethik in der Wirtschaft". Jahrzehntelang galt "der Ostblock" mitsamt seiner kommunistisch und sozialistisch geführten Mitgliedsstaaten als "das Böse" schlechthin. Und wie stolz zeigte sich so mancher Politiker Ende der 80er Jahre, als "die Demokratie über den Kommunismus siegte". Der Kommunismus nicht nur als Synonym für "das Böse", sondern auch für wirtschaftliches Elend. Das scheint nun im Falle von China arg relativiert werden zu müssen. Rein wirtschaftlich schlägt der Kommunismus gerade die westlichen Demokratien um Längen. Und wo sich mitverdienen lässt, wird dann auch "das Böse" nicht mehr bekämpft, sondern nur noch "ermahnt". Am Rande eines guten Essens. Mal sehen, wie lange noch. In Kürze wird China Deutschland als so genannter "Export-Weltmeister" ablösen. Und es wird nicht mehr allzu lange dauern, dass China - wie seinerzeit Japan - die importierte westliche Technologie irgendwann nicht mehr importieren, sondern kopieren und in Eigenregie produzieren wird. Natürlich: Zu Schleuderpreisen.

Spätestens dann wird das Gejammer wieder starten. Und spätestens dann wird auch wieder der Kommunismus an den Pranger gestellt werden. Erst recht, wenn China in wenigen, überschaubaren Jahren die USA als so genannte "Weltmacht Nummer 1" ablösen wird. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch: Vorgestern hat die Volkskammer Chinas die Erhöhung des Militärhaushalts um satte 15 Prozent beschlossen. Ich bin gespannt, wie George Bushs Amtsnachfolger darauf reagieren werden. Ich erwarte jedenfalls nicht, dass man sich in den Vereinigten Staaten damit abfinden wird, dass das "gelobte Land" demnächst in Asien liegt. Und das auch noch: Kommunistisch regiert.
Wobei manch einer das rasante Wachstum in China frecherweise auch noch mit einer "großen Bedrohung für das Ökosystem" in Verbindung bringt. Nur zum Beispiel: In Peking gibt es zurzeit etwa 2,5 Millionen Autos. Freihändig hochgerechnet sollen es im Jahr 2010 bereits um die 4 Millionen, im Jahr 2020 um die 5 Millionen sein. Autos, die nicht nur Kraftstoff verbrennen, sondern auch Schadstoffe produzieren. Bekannterweise. Ein "Markt mit mehr als 1,3 Milliarden Kunden", wie es so schön heißt, verbraucht Energie. Zunehmend. Sehr stark zunehmend. Beim Kohleverbrauch ist China bereits jetzt schon weltweit die unangefochtene Nummer 1 und ist ebenso der weltgrößte Importeur von tropischem Holz aus bedrohten Regenwäldern. Ob Getreide, Fleisch, Erdöl, Kohle oder Stahl: China stellt braucht alles und immer mehr davon. Und noch will niemand ernsthaft fragen, wo diese Entwicklung hinführen soll.
Alles das ist absehbar. Doch so lange noch immer gut mit-verdient wird, wollen wir nicht darüber nachdenken. Was wir brauchen, ist schließlich Wachstum. Offenbar: Egal, wie.