Montag, 24. September 2012

In die soziale Kluft gestolpert (2)


In einer Polit-Talkshow zum „Reichtums- und Armutsbericht“ der Bundesregierung meinte die Politikerin Sahra Wagenknecht („Die Linkewörtlich: „Es gibt eine sehr interessante britische Studie von Sozialwissenschaftlern, die belegen, dass wenn eine Gesellschaft extrem ungleich wird, verhalten sich Menschen anders. Das Vertrauen der Menschen untereinander sinkt. Wir haben einen deutlichen Anstieg – das belegen die empirisch – an psychischen Erkrankungen, an Alkoholismus. Das heißt, wenn Gesellschaften ungleich sind, werden sie unmenschlicher“.

Heißt es das? Eine andere Theorie wäre, umgekehrt, dass in Gesellschaften, die unmenschlich sind, vermehrt Ungleichheit beobachtet werden kann. Die interessantere Frage jedoch: Wann ist eine Gesellschaft „ungleich“? Wenn es mehr Kriminelle gibt als Polizisten? Oder wenn die relativ wenigen Ärzte ein durchschnittlich höheres Einkommen haben als die relativ vielen Patienten? Und im Zeitalter der Individualität, der propagierten Ausnahmeerscheinungen von „Top Models“ und „Superstars“… wieviel Gleichheit ist denn wohl eigentlich tatsächlich erwünscht?

Und Frau Wagenknecht weiter: „Mit welchem Recht verdienen einige das Hundertfache von dem, was andere kriegen?“. Tja. Mit welchem Recht. Da wäre zum Beispiel das Berufsrecht: das Recht auf freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes, über das man ansonsten ziemlich froh sein kann. Doch letztlich heißt das: Jeder hat – zumindest rein theoretisch – damit auch die freie Wahl, das Hundertfache von dem zu verdienen, was in anderen Berufen verdient wird.

Das Dumme daran ist, dass man die eigene Entscheidung, die eigene freie Wahl wohl kaum jemand anderem vorwerfen kann – und damit auch nicht, was dabei an Berufs- und Lebenserfolg herauskommt oder nicht. Wem will man die Schuld dafür geben, wenn sich eine junge Frau in freier Berufswahl für eine Laufbahn als Frisörin entscheidet und deutlich weniger Geld verdient als jemand anderer, der sich für einen anderen Beruf entschieden hat?

Andererseits hat diese Theorie der freien Berufswahl natürlich auch ihren systembedingten Haken. Die freie Wahl ist nämlich nur so frei, wie es – angeblich – die persönliche Vorbildung, Schulbildung und Ausbildung erlaubt. Wobei alle, die fleißig an ihrem Bildungsgrad arbeiten, die gleiche Chance auf Karriere, Erfolg und Reichtum haben. Prinzipiell. Theoretisch.

Der Bildungsforscher Heinz-Elmar Tenorth dagegen meint: „Aufstieg durch Bildung ist eine Erfindung (zur Befriedung der Massen)“. Und da könnte er recht haben, wenn Bewerbungen in Personalabteilungen bereits anhand dessen aussortiert werden, ob die Absenderadresse in einem „sozialen Brennpunkt“ liegt. Da kann der Bewerber noch so gebildet sein.

Donnerstag, 20. September 2012

In die soziale Kluft gestolpert


Der „Armutsbericht“, der eigentlich „Reichtums- und Armutsbericht“ heißt. Laut dem ZDF „heute journal“ würden „kurz gesagt: die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer“. Im Grunde ist das das übliche Ergebnis, das bei jedem solchen Bericht herauskommt. Man hat sich daran gewöhnt. Bis man sich auch irgendwann an diesen Zustand gewöhnt hat.

Wie es demnach heißt, besitzen 10% der Deutschen über die Hälfte des Privatvermögens. Dieser Besitzanteil sei innerhalb von 10 Jahren von 45% auf 53% gestiegen, gegenüber der „unteren Hälfte“ der Bürger, deren Privatvermögen in diesem Zeitraum von 4% auf 1% zusammengeschmolzen ist. Daraus wird geschlossen: Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer.
Gerade Immobilien, Häuser und Grundstücke machen dabei angeblich den Unterschied zwischen reich und nicht-reich aus. „Die Verlierer“ der Wohlstandsentwicklung seien demnach Ungelernte und „Geringqualifizierte“. Da tröste es nur wenig, dass die reichsten 10% der Bevölkerung über 50% der Einkommensteuer tragen. Berichtet das „heute journal“.

Wie üblich bleibt dabei ungeklärt, was eigentlich genau unter „Reichtum“ und „Wohlstand“ verstanden wird(?). Eine kleine private Meinungsforschung hat ergeben, dass jemand, der „wohlhabend“ ist, ziemlich viel Geld hat – und das tatsächlich ausschließlich auf den materiellen Besitz bezogen wird. Was womöglich daran liegt, dass in unserer Sprache nur der Begriff „wohlhabend“ zur Verfügung steht, nicht aber „wohlseiend“ (abgesehen vom „Zum Wohlsein“, aber das ist wiederum ein ganz anderer Zusammenhang). Schon rein sprachlich hängt der Wohlstand damit also vom Haben und Besitz ab.

Im „heute journal“ ebenfalls beklagt: „Die soziale Kluft in Deutschland wird größer“. Das übliche In-einen-Topf-werfen von Geld und Gemeinschaftlichkeit. Anders gesagt: Wenn das Privatvermögen „immer ungleicher verteilt“ ist, warum wird dann die „soziale Kluft“ immer größer? Hängt es von der Vermögensverteilung ab, einer Oma über die Straße zu helfen oder sich ehrenamtlich zu engagieren?

Womöglich könnte es allerdings zu einer „sozialen Kluft“ beitragen, wenn ein Sender wie das ZDF in einen solchen Bericht Bilder von Männern mit Seidenschal und Frauen in Pelzmänteln hineinbastelt, die mit ihrem kleinen Hündchen in Shoppingmeilen flanieren, vorbei an „Gucci“- und Luis Vuitton-Läden – während beim Stichwort „Ungelernte und Geringqualifizierte“ Bilder von Frisörinnen gezeigt werden.