Freitag, 5. November 2010

erschreckend gefügig.

Wenn Sie mich fragen, ist es schon schlimm genug, dass alle möglichen Traditionen und Ereignisse heute bis zum Anschlag kommerzialisiert sind. Doch wenn eine nicht vorhandene Tradition zu einer gemacht wird, aus rein gar nichts anderem als aus purem Profitinteresse, dann sollte das Verständnis langsam aufhören und das Nachdenken anfangen. Wenn Sie mich fragen.
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Natürlich: Es gibt so etwas wie eine Kultur mit all ihren Ritualen, Bräuchen und Traditionen, die sich nun einmal im Laufe der Geschichte ergeben haben. Kulturgüter eben. Zum Beispiel das Ritual, sich im Dezember einen Baum ins Wohnzimmer zu stellen. Selbst wenn einem recht großen Bevölkerungsanteil sicherlich völlig unklar ist, warum man sich zur Weihnachtszeit ausgerechnet einen Baum ins Haus holt und nicht irgend etwas anderes.
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Rituale, Bräuche, Traditionen und Kulturgüter. So ungefähr wie zu Ostern, auch an Karneval, das Oktoberfest und Muttertag noch mit dazu. In Ordnung. Und in unserer heutigen Zeit muss man wohl auch hinnehmen, dass alles das entsprechend vermarktet wird. Unternehmen machen Gewinne, das stärkt das Wachstum und sichert Arbeitsplätze und so weiter, und so weiter.
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Es gibt allerdings mindestens eine schwerwiegende Ausnahme, die im Jahr 1991 ihren eigentlichen Ursprung hat: Seinerzeit fand im Irak der erste Golf-Krieg statt und hierzulande wurde aus allgemeiner Mitbetroffenheit der Karneval bundesweit abgesagt. Den Kostumherstellern entging ihr ansonsten einträgliches Millionengeschäft und machten ersatzweise knapp ein halbes Jahr später erstmals „Halloween“ bekannt(er), das die Deutschen bis dahin allenfalls aus US-Spielfilmen kannten. Seither wurde das Ganze Jahr für Jahr werblich weiter aufgepeppt, auch Spiel- und Süßwarenhersteller sprangen auf diesen Zug auf, während sich die Kostümhersteller seit dem über das Zusatzgeschäft von rund 30 Millionen Euro freuen, eben: zusätzlich zum Karneval.
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So lässt sich eine Gesellschaft völlig widerstandslos ein künstliches „Kulturgut“ aufdrücken, das – hierzulande – nichts weiter ist als eine Geschäftsidee. Man kostümiert sich, veranstaltet Parties, man dekoriert mit Kürbissen und verhält sich insgesamt absonderlich, nicht, weil das ein gewachsenes kulturelles Brauchtum wäre, sondern weil eine Wirtschaftsbranche das so installiert hat, um damit Millionenumsätze zu machen. Das provoziert zwangsläufig die Frage, was eine solche Gesellschaft sonst noch so alles gefügig mit sich machen lässt(?).
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Und wenn in diversen „Integrationsdebatten“ darauf gepocht wird, dass Menschen aus anderen Kulturbereichen sich bitteschön an unsere großartige, abendländische, deutsche Kultur anzupassen hätten, während gleichzeitig auf diese Kultur gepfiffen wird, sobald handfeste ökonomische Interessen dahinter stehen, darf man sich noch ein paar zusätzliche Fragen stellen.
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