Freitag, 27. Juli 2018

integrativ verwertet

Es köchelt sowieso ständig vor sich hin, das Thema „Rassismus“, immer wieder aufgewärmt, wenn es politisch und/oder medial gebraucht wird. Und soeben wieder richtig zum Kochen gebracht – anlässlich eines Fußballturniers und seines Sündenbocks. Man sollte es nicht glauben.

Unsere Fußballnationalmannschaft hat kürzlich bei der Weltmeisterschaft ziemlich peinlich gekickt und ist so blamabel früh ausgeschieden wie nie zuvor. Wie so oft bei solchen Gelegenheiten wurde prompt ein Sündenbock gesucht. Der Trainer kam diesmal jedoch nicht dafür in Frage und der Zeugwart eignete sich ebenfalls kaum.

Optimal geeignet schien zunächst der Fußballer Mesut Özil, an dessen Leistungen sich schon ewig die Geister scheiden: Einige sehen in Özil einen genialen Spielmacher, der extrem ästhetisch die spielstrategischen Fäden zieht. Einige andere sehen in ihm einen „körper- und schweißlos“ kickenden Mitläufer.

Doch nicht nur damit hatte Özil für die Rolle des Sündenbocks die besten Voraussetzungen. Dazu hinzu kam noch ein ziemlich fragwürdiger, politisch pikanter PR-Auftritt. Özil sparte sich zunächst wochenlang jeden Kommentar zu dem Ganzen, um dann doch irgendwann „die Rassismus-Karte zu ziehen“, wie es hieß:

Der Fußballer, in Gelsenkirchen geboren, und nicht einmal mit doppelter, sondern einfacher deutscher Staatsbürgerschaft, verwies auf seine türkischen Eltern; weshalb alle Kritik an ihm rassistisch sei. Prompt haben wir eine neu entflammte mediale Debatte über Rassismus, Integration, etc. Allerdings ohne Özil, denn der ist gleich wieder medial abgetaucht.

Abgetaucht mit den Schlussworten: „Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren“ Man könnte das auch anders sagen: Özil hält sich selbst für deutsch, wenn er bejubelt wird, und für rassistisch verfolgt, wenn man ihn kritisiert.

Denn bemerkenswerterweise spielte Özil seit fast 10 Jahren in der Nationalmannschaft, …offenbar rassistisch völlig unbehelligt. Ebenso bemerkenswert, dass kein anderer Spieler mit „Migrationshintergrund“, kein Boateng, Khedira, Rüdiger, nicht einmal Gündogan, ähnliches beklagt – wo es doch nun kaum eine bessere Gelegenheit gäbe.

Dumpfbacken, die von den Tribünen strohdumme, mitunter rassistische Sprüche gröhlen, sich im Schutz der großen Masse wähnend, hat es ebenso schon immer gegeben, wie Beleidigungen in Richtung Schiedsrichter. Beides hat in den letzten Jahren bedenklich zugenommen. Doch man sollte vielleicht nicht genauso dumpf darauf reagieren.

Sonntag, 22. Juli 2018

leserlich gedacht

Unsere Kultur ist auf dem besten Weg, den Planeten für Menschen unbewohnbar zu machen. Und unsere Kultur ist hochgradig technologieversessen. Man darf das beides durchaus in einem Zusammenhang sehen. Doch leider hat man uns beigebracht, dass HighTech der ultimative Problemlöser ist.

Es war einmal… ein gewisser Bill Gates, der die Vision formulierte „a computer on every desk and in every home“. Zu dieser Zeit hatte man dafür nur ein amüsiertes Lächeln übrig: Was soll Otto Normalbürger denn bitteschön mit einem Computer?
Das Lachen kann einem inzwischen nicht nur längst vergangen sein, vielmehr erfolgt es heute bei der umgekehrten Frage: Wie, bitteschön, sollte unser Lebensalltag ohne den ganzen Digitalkram überhaupt noch funktionieren?

Der Siegeszug des Computers ist also vor allem eines: ein glänzender Verkaufserfolg. Man hat uns äußerst erfolgreich die Idee und Überzeugung verkauft, wie wahnsinnig nützlich und hilfreich Computertechnologie doch ist.
Auf dieser Grundlage kann man uns inzwischen nahezu alles unterjubeln, vor allem: als „Fortschritt“. Zumindest rein technologisch, versteht sich. Die Frage, was das eigentlich alles soll, wird in diesem HighTech-Trubel weiterhin nicht gestellt.

Ein Paradebeispiel war kürzlich in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ zu sehen. Als Gästin geladen und erschienen war unter anderen Frau Miriam Meckel, offenbar auf Werbe-Tour für ihr Buch „Brainhacking“.

Moderator Markus Lanz stellte Miriam Meckel vor: „Sie sagen, wir sind heute so weit, wir können Gedanken lesen!“. Frau Meckel nickt, „Das geht sogar relativ einfach“, und beschreibt prompt einen Selbsttest in einem Versuchslabor an der Uni Tübingen. Ganz so, wie das ohnehin jeder schon kennt, ein Proband vor einem Monitor hockend, eine Elektrodenhaube über den Kopf gezogen, undsoweiter.

Auf dem Monitor, so Frau Meckel, seien die Buchstaben des Alphabets in einer bestimmten Anordnung dargestellt: „Ich muss mich dann darauf konzentrieren… nachdem sich die Software auf mich eingestellt hat, wie mein Gehirn tickt sozusagen, wie es reagiert, wenn ich ein A denke oder ein D denke, oder so. […] Und jetzt muss ich mich konzentrieren, auf den Buchstaben, den ich schreiben möchte. Das hat ein paar Minuten gedauert, aber: es geht!“ Toll. Wenn man die Zeit und Geduld hat.

Und weiter: „Ich hab einfach durch Konzentration auf die Buchstaben, ich will ein A schreiben oder ich will ein I schreiben, habe ich diesen Buchstaben auf den Bildschirm befordern können“ […] „Und das ist wirklich eine hohe Konzentrationsleistung. Irgendwann ging die Tür auf, jemand guckte hinein, sagte ‚Entschuldigung‘ und machte die Tür wieder zu, da war Ende mit Schreiben, bestimmt für eine Viertelstunde. Keine Konzentration, eine Störung, dann geht nichts mehr.“ Offenbar dieTücken hochsensibler HighTech.

An der Zukunft würden „Google“, „Facebook“ und Co. natürlich schon arbeiten, sodass man irgendwann, so Frau Meckel, „Texte denken kann, eMails denken, SMS denken […].Sie liegen auf einem Sofa mit einem Glas Rotwein in der Hand und denken ihre eMails an ihre Kolleginnen und Kollegen“.

Aber natürlich. Mit einer Elektrodenhaube auf dem Kopf und in Jogi-Löw-Manier mit „högschter Konzentration“, gaaaanz langsam, Buchstabe für Buchstabe. Wer das unbedingt als revolutionäres, technisches „Gedankenlesen“ verstehen möchte, der scheint seine Gedanken wohl üblicherweise einzeln zu buchstabieren.

Vor lauter blinder Begeisterung gegenüber dem scheinbar technisch Machbaren und Möglichen schmilzt jede annähernd kritische Haltung dahin. Nicht nur in Bezug darauf, was uns da wieder einmal völlig sinnfrei als „Fortschritt“ untergejubelt werden soll – sondern auch. verkauft.