Mittwoch, 11. Oktober 2017

öffentlich gegängelt

Der mündige Bürger wird zuweilen – sprichwörtlich – behandelt wie ein kleines Schulkind, das man an der Hand über den Zebrastreifen geleiten müsste. Und das auch noch: öffentlich. Doch das natürlich mit den besten Absichten.

Da nutzt man in München stressmindernd und umweltfreundlich ein öffentliches Verkehrsmittel, einfach so, grob fahrlässig, ohne zu ahnen, wie man sich als ausgesprochen „lieber Fahrgast“ gefälligst korrekt zu verhalten hat.

Doch das: nicht lange. Denn bereits wenige Sekunden nach dem Einstieg erteiltt eine weibliche Stimme klare Anweisungen durch die Lautsprecher, freundlich, aber bestimmt an die Allgemeinheit gerichtet: „Liebe Fahrgäste. Bitte treten Sie von den Türen zurück und halten Sie die Lichtschranken frei“.

Eine typische Ingenieursleistung: Einfach einmal voraussetzend, dass jeder weiß, was eine Lichtschranke ist, wie sie funktioniert und wie man sie frei hält – aber gleichzeitig zu dumm, um sich sitzend oder stehend passiv befördern zu lassen.

Es kann schließlich nicht schaden, die „lieben Fahrgäste“ zurechtzuweisen, nicht wahr. Wenige Sekunden später etwa mit der Durchsage „Liebe Fahrgäste. Bitte nutzen Sie für Kinderwagen und Sperrgut die dafür vorgesehenen Stellplätze“.

Auch im Münchener Hauptbahnhof darf man sich über Lautsprecher zurechtweisen lassen, dass „aus Gründen der Sauberkeit und Rücksichtnahme“ Raucher bitte nur in den markierten Raucherzonen rauchen mögen – offenbar zu dumm, um die etlichen Hinweisschilder lesen zu können.

Der mündige Bürger wird damit zunehmend für potenziell unmündig erklärt. Ungefähr so, wie er als potenzieller Terrorist an jeder Ecke per Kameras zwangsbeobachtet wird. Sowohl das eine wie auch das andere wird von der Allgemeinheit bedenklich klag- und sorglos hingenommen.

Wir alle müssen offenbar rein sicherheitshalber beobachtet und sicherheitshalber zurechtgewiesen werden. Konsequenterweise sollte man dieser potenziell verbrecherischen und potenziell verdummten Allgemeinheit auch das Wahlrecht entziehen. Rein sicherheitshalber, versteht sich.

Mittwoch, 4. Oktober 2017

tendenziell gespalten

„Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb“. Eine rosa Liebhab-Welt voller Marshmallows wird uns alljährlich auf den Bildschirmen präsentiert, wenn der „Eurovision Song Contest“ stattfindet. Doch offenbar ist das nur reine Showkulisse.

Wie war das noch vor ein paar Jahren, als eine Reihe von Terroranschlägen die Welt erschütterte: „Je suis Paris“, „We are London“, „Wir sind Brüssel“ tönte es voller Empathie durch die sozialen Medien: „Wir stehen zusammen, wir fühlen mit“.

Mag sein. Aber doch lieber jeder für sich. Erst waren es die Briten, die sich aus der EU volksabstimmten, prompt wollte sich Schottland aus dem Vereinigten Königreich abmelden, und aktuell eskaliert der Streit in Spanien um Katalonien.

Außerdem will Korsika nicht mehr zu Frankreich gehören, Flamen und Wallonen wollen keine Belgier mehr sein, und sogar Grönland und Färöer mit gerade je 50.000 noch-Dänen wollen lieber eigene Briefmarken haben und eigene Fähnchen hissen.

Im Zeitalter zwanghafter Political Correctness muss man auch mit Ironie und Satire vorsichtig sein, aber nun doch mal bitte… die Lombardei!!! Grönland!!! Färöer!!! Was soll das? Und das, wo der französische Präsident Macron kürzlich noch „Europa neu gründen“ wollte.

Womöglich war und ist es genau das Problem, dass den Menschen eine Europäische Union mitsamt gemeinsamer Währung aufgezwungen wurde, und zwar aus rein wirtschaftlichen Gründen - ebenso, wie die Zwangsglobalisierung die Menschen zu einer glatten Gegenbewegung treibt.

Als ob die Menschheit, inklusive der Europäer, keine anderen Probleme hätte. Der Planet überhitzt, die Polkappen schmelzen weg, doch jeder will rechtzeitig zum Weltuntergang sein eigenes Fähnchen schwenken können.