Montag, 31. Mai 2010

gedanklich auf Sparflamme.

Finanzminister Schäuble sieht angesichts der prekären Bundeshaushaltslage „Belastungen auf alle Bürger zukommen“, wie es heißt, und meinte kürzlich: „Von der Sanierung der Staatsfinanzen profitieren alle, wenn wir das vernünftig machen. Deshalb werden auch alle Bürger in einem für sie zumutbaren Maße dazu beitragen müssen“. Aha. Wenn also alle Bürger belastet werden, dann hat jeder etwas davon. Eine Feststellung, die die Logik der aktuellen Politik nahezu perfekt widerspiegelt.
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Schäuble ist auf der Suche nach Einsparpotenzial und hat welches gefunden: wie üblich und kaum anders zu erwarten bei Bevölkerungsgruppen mit wenig oder gar keiner Lobby, bei Rentnern und „Hartz IV“-Empfängern. Wo auch sonst?
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„Sonst“ könnte man beispielsweise irgendwo in den eigenen Reihen danach suchen – und finden. Vor der Bundestagswahl nämlich sprachen Unionsparteien und FDP nicht nur von Steuersenkungen, sondern auch von einem Bürokratieabbau (die FDP in ihrem „liberalen Sparbuch“), um unnötige Kosten einzusparen. Wie auch bei den Steuersenkungen passierte allerdings auch hierbei das glatte Gegenteil:
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Zunächst einmal hat Guido Westerwelle die Budget-Position „Bezüge des Bundesministers und der Staatssekretäre“ in seinem Auswärtigen Amt um € 32.000,- angehoben. Im gleichen Handstreich haben die Regierungsparteien etliche neue Abteilungen und Referate eingerichtet: Der Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel etwa sah die zwingende Notwendigkeit, eine neue „Stabsstelle für die Reform der Entwicklungsorganisation“ einzurichten. Arbeitsministerien Ursula von der Leyen veredelte ein paar so genannte „Leitungsstäbe“ zu „Leitungsabteilungen“, wodurch die darin tätigen Beamten eine Besoldungsstufe aufsteigen und richtete dazu noch eine Unterabteilung „Kollektives Arbeitsrecht“ ein. Auch Umweltminister Röttgen hat in zwei neuen Leitungsstäben ein paar neue Stellen geschaffen, Verkehrsminister Ramsauer schuf 9 Abteilungen, erhöhte die Zahl der Unterabteilungen auf 23 und erfand 9 zusätzliche Referate, von denen eines, nämlich das „Referat für ländliche Infrastruktur“, völlig überflüssig ist, weil die Zuständigkeit dafür komplett bei den Kommunen liegt.
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Laut dem Bund für Steuerzahler läge übrigens das Einsparpotenzial des Bundes in den Verwaltungskosten bei rund 1,7 Milliarden Euro. Dafür sollte eine Sparvorschrift sorgen, die im Jahr 1998 von der damaligen Regierung erlassen wurde, und wonach die Personal- und Verwaltungskosten jedes Jahr um 0,6% gesenkt werden sollten. Doch diese Sparvorschrift wurde von der aktuellen Regierung kurzerhand außer Kraft gesetzt.
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Wie meinte Schäuble: zur Sanierung der Staatsfinanzen werden „alle Bürger in einem für sie zumutbaren Maße beitragen müssen“. Alle Bürger. In einem zumutbarem Maße. Angefangen wird allerdings erst einmal bei Rentnern und Empfängern des Existenzminimums und dann wird –für alle – der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7% abgeschafft und werden rund 50 Produktgruppen demnächst – für alle – um 12% teurer. Über Leitungsabteilungen, Unterabteilungen, Stabsstellen und Referate wird dann später irgendwann gesprochen. Laut Schäuble: nächstes Jahr.
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Donnerstag, 20. Mai 2010

verkochte Verhältnisse.

Roland Koch. Mit diesen beiden Worten ist eigentlich schon alles gesagt. Was jedoch nicht ausschließt, dass es sich nicht noch erweitern ließe. Der eigentlich-abgewählte-und-dann-doch-wieder-Ministerpräsident von Hessen lässt dafür jedenfalls kaum eine Gelegenheit aus.
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Angesichts der bekannten Finanzlöcher im Bundeshaushalt müsse laut Koch noch ein bisschen mehr gespart werden. Zum Beispiel beim Ausbau von Kinderkrippen und bei Investitionen in Hochschulen und in der Forschung. Sogleich wurde er von seiner Parteichefin Merkel gerüffelt und zurechtgewiesen, die Bildungspolitik sei dafür zu wichtig, um auch hier noch zu sparen.
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Roland Koch jedoch fühlte sich unverstanden und legte deshalb noch ein wenig nach. Womöglich, weil er aus persönlicher Erfahrung weiß, wie man auch mit etwas weniger Bildung im Leben etwas erreichen kann. Und so forderte Koch in einem „SPIEGEL“-Interview „Sparmaßnahmen in gewaltiger Größenordnung“, denn „Wir leben in dramatischer Weise über unsere Verhältnisse“.
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Aha. „Wir“ also. Wer genau „Wir“ ist, bleibt in einer solchen Feststellung und in einem solchen Interview meist ebenso ungeklärt, wie die Frage, was genau eigentlich „die Verhältnisse“ sind(?), geschweige, was und wo dieses „Darüber“ ist.
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Womöglich meinte Roland Koch mit „unseren Verhältnissen“ auch den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, der von zwei Dritteln unserer Bundestagsabgeordneten beschlossen und für den Baukosten in Höhe von 480 Millionen Euro aus der Staatskasse bewilligt wurden.
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Dummerweise wird dieses Projekt nun etwas teurer. Die zwingend notwendige Kuppel auf dem Schloss wird mit zusätzlichen 15 Millionen veranschlagt, weitere 25 Millionen für Portale und Treppenhäuser. Bundesbauminister Ramsauer will deshalb nun eventuell „vorerst“ gänzlich auf die Fassade verzichten, die man schließlich irgendwann später stückchenweise nacharbeiten könne, je nach Finanzlage. So lange hätte man eben mitten in Berlin einen „Betonklotz“ stehen, wie das vom CDU-Bundestagsabgeordneten Dirk Fischer genannt wurde.
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Ein Betonklotz für 480 Millionen Euro, der irgendwann ein neues Berliner Stadtschloss werden soll. So viel zu der Frage, was „die Verhältnisse“ sind, in denen „wir“ leben. Dafür muss man eben in anderen Bereichen „Sparmaßnahmen in gewaltigen Größenordnungen“ treffen. Bei Kinderkrippenplätzen, bei Hochschulen und in der Forschung. In jedem Fall: dadurch schafft man andere Verhältnisse. Ganz sicher, Herr Koch.
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Dienstag, 11. Mai 2010

politisch verdrossen, Erster Akt

Rein pädagogisch kann man zwischen Lern-Unfähigkeit und Lern-Unwilligkeit unterscheiden. Rein politisch dagegen muss man langsam Zweifel haben, welches von beiden unter erwachsenen Politikern dominiert, oder ob wir es hier eventuell mit einem völlig anderen Phänomen zu tun haben.
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41% der Wahlberechtigten blieben bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am letzten Sonntag lieber zu Hause. Mit welcher Begründung? „Ist doch egal, wer regiert. Es ändert sich doch sowieso nichts“. So oder ähnlich klangen ein paar Kommentare bei einer kleinen Umfrage in der Duisburger Innenstadt. Das nennt man wohl „Politikverdrossenheit“. Wie sie zustande gekommen ist, und warum sie weiterhin herrschen wird, lässt sich nun auch im Rahmen dieser Landtagswahl beispielhaft erfahren.
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Noch am Abend des Wahlsonntags meinte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der gegenüber 2005 satte 10% weniger Stimmen bekam: „Ich trage die Verantwortung. Und ich will sie auch tragen“. Aha. Und wie sieht das genau aus? Rüttgers tritt von allen Ämtern zurück. So wurde das jedenfalls allgemein interpretiert. Jedoch: im Gegenteil.„Seit gestern Abend wissen wir, dass die CDU die stärkste politische Partei im Land ist. Auch wenn es nur 6200 Stimmen sind, auch das ist eine Mehrheit. Ich werde mich dieser Verantwortung stellen sowohl als Ministerpräsident und als Landesvorsitzender“.
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So sieht das aus, wenn ein Politiker davon spricht, Verantwortung zu tragen. Einem 10%-igen Stimmenverlust und dem schlechtesten Wahlergebnis, das er für seine Partei bislang in Nordrhein-Westfalen eingefahren hat, zum Trotz.
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Und die SPD? Auch diese Partei ihrerseits mit dem historisch schlechtesten Ergebnis, dass sie jemals in Nordrhein-Westfalen erreicht hat. Jedoch: es wurde gejubelt! „SPD außer Rand und Band“ hieß es in einer Überschrift. Mehr noch: auch Hannelore Kraft, die hierfür verantwortlich ist, pocht auf dem Führungsanspruch und will nun bitte die Ministerpräsidentin werden. Wie es scheint: egal wie, irgendwie wird sich das schon machen lassen, auch wenn der amtliche Wahlsieger die CDU ist.
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Und die FDP? Fünf Jahre als Juniorpartner an der Seite der CDU signalisiert man heute, gerade zwei Tage nach der Wahl, die Bereitschaft zur Teilnahme an einer SPD-geführten „Ampel“-Koalition. Zu einem solch wendigen Umdenken sind Politiker offenbar nur kurz nach Wahlen in der Lage. Und da wird die FDP, die fünf Jahre lang die Politik einer CDU mitgeführt hat, und bei entsprechendem Wahlausgang auch weitere fünf Jahre die Politik einer CDU mitgetragen hätte, nun eben eine andere Politik neben SPD und Grünen mitführen. Was soll’s? Es sei denn: das ist tatsächlich im Grunde schnurz, weil die Unterschiede unerheblich sind.
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Man fühlt sich unweigerlich in possenhafte Zeiten von Schröder und Ypsilanti zurückversetzt. Unter Politikern scheint man daraus nichts gelernt zu haben. Der politikverdrossene Bürger dagegen lernt jedes Mal aufs Neue, warum er mit seiner Politikverdrossenheit völlig richtig liegt.
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politisch verdrossen, Zweiter Akt

Gestern, am Montag nach dem „Wahldebakel“ der CDU in Nordrhein-Westfalen, erklärte Kanzlerin Merkel im Rahmen einer CDU-Präsidiumssitzung, Steuersenkungen seien „auf absehbare Zeit nicht umzusetzen“. Auf Nachfrage meinte Merkel, Steuererleichterungen sind zumindest für zwei Jahre, „für die Haushalte 2011 und 2012“ nicht machbar. Und, so Merkel weiter:„Das, was ich gesagt habe, weiß auch Herr Westerwelle. Wir haben darüber gesprochen, wie ich die Dinge sehe“. Einigkeit darüber herrsche auch mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer.
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So, so.
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Medienmeldung vom 26.10.2009
FDP pocht auf Einhaltung des Koalitionsvertrags
"Das ist keine Wunschliste. Es ist ein Vertrag", sagte die neue Fraktionschefin Birgit Homburger zu der Kritik an den Steuersenkungsplänen. "Wir werden das genauso umsetzen."

Medienmeldungen vom 22.09.2009
Seehofer: Keine Koalition ohne Steuersenkung
Der Chef der bayrischen CSU, Horst Seehofer, hat eine Senkung der Einkommensteuer schon im Jahr 2011 angekündigt. Über das Volumen werde noch diskutiert, sagte Seehofer am Montag in München. Dennoch stehe bereits fest: "Eine Senkung der Einkommensteuer wird stattfinden.".
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CSU-Chef Seehofer nennt "verbindliche Steuersenkungen" als Bedingung für Schwarz-Gelb.
"Ich werde keine Koalitionsvereinbarung unterschreiben, die keine Steuersenkung beinhaltet. Als Termine dafür stehen 2011 und 2012“.
Auf Nachfragen fügte der bayerische Ministerpräsident nach einer CSU-Vorstandssitzung hinzu, "dass das Jahr 2011 in jedem Fall mit einer Steuerentlastung dabei ist. Es wird kein Wortbruch stattfinden", betonte Seehofer.
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Dienstag, 4. Mai 2010

elektrisch aufs Eis gelegt.

Bis zum Jahr 2020 sollen etwa 1 Million Elektroautos in Deutschland herumfahren. Das ist nicht nur das enorm ehrgeizige Ziel der „Initiative Elektromobilität“ der Bundesregierung, sondern das beschwörte Kanzlerin Angela Merkel auch noch einmal am Wochenende beim ersten so genannten „E-Mobil-Gipfel“ in Berlin.
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Etwas dumm allerdings, dass man auch bei noch so angestrengter Vision nicht in die Zukunft sehen kann. Hätte unsere Regierung schon etwas früher gewusst, dass sie die nächsten paar Jahre um die 25 Milliarden Euro jährlich nach Athen überweisen müssen wird, hätte man die „Initiative Elektromobilität“ vielleicht gar nicht erst gestartet und auch diesen „Ersten E-Mobil-Gipfel“ noch rechtzeitig absagen können.
So jedoch waren die hochkarätigen Vertreter der Automobilindustrie, die Vorstandsvorsitzenden von BMW, Daimler und Volkswagen plus zahlreicher Vorstandsmitglieder, sowie Lobby-Vertreter der Industrie bereits eingeladen und ZDF-Nachrichtensprecher Steffen Seibert bereits als Moderator der Veranstaltung engagiert, und außerdem wollte wahrscheinlich niemand auf das Festbankett am Ende des Abends in elitärer Runde verzichten.
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Ansonsten nämlich sieht es fast so aus, als ob dieser erste „E-Mobil-Gipfel“ auch der letzte gewesen sein könnte. Ansonsten nämlich – außer dass einige wichtige Menschen öffentlichkeitswirksam nett miteinander plauderten – wurde (von Merkel am Rande erwähnt) so einiges eingestampft. Zum Beispiel staatliche Fördermittel für die Autobauer in Höhe von 500 Millionen Euro und eine Kaufprämie von je 5.000 Euro für jeden Bürger, der sich ein Elektroauto zulegt. Beides auf Eis gelegt, weil das Geld dafür nach Griechenland fließt.
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Ein ganz anderes Problem, das der vorgeplanten Vision etwas im Weg stehen könnte, dürften die zwangsläufigen Verwicklungen im Straßenverkehr sein, wenn eine Million Elektroautos durch die Städte fahren, und jedes sein Verlängerungskabel hinter sich her zieht. Denn so innovativ der (Fort-?) Schritt vom Ottomotor zum Elektromobil vielleicht auch scheinen mag, das Kernproblem verlagert sich nur und das Folgeproblem ist dasselbe: Geht in den nächsten paar Jahren das Erdöl als Rohstoff für Benzin zur Neige, so wird für die Batterien von Elektromotoren Lithium benötigt, ein ebenfalls endlicher Rohstoff. Vom Erdöl zum Lithium, vom Regen in die Traufe.
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Eine noch ganz andere Idee ist, dass das Ganze ohnehin nur zum Schein stattfindet und niemals tatsächlich wirklich beabsichtigt war, verbrennungsmotorisierte Fahrzeuge jemals durch Elektroautos zu ersetzen, weil in Fachkreisen längst bekannt ist, dass das gar nicht nötig ist, weil in Fachkreisen längst bekannt ist, dass uns das Erdöl gar nicht ausgehen wird, weder in zwanzig Jahren noch in fünfzig oder einhundert.
Wenn das so wäre, dann bliebe von der ganzen elektromobilen Diskussion nur noch der Klimaschutz als Argument für eine neue Antriebstechnologie übrig. Andererseits werden schließlich auch die Zweifel an der gängigen „Klimawandel“-Theorie immer lauter.
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