Freitag, 30. April 2010

Schlagloch oder Shanghai.

Vielleicht erinnern Sie sich noch grob: knapp drei Wochen ist die große Aufregung her, dass die ohnehin am Rande der Pleite stehenden Kommunen mit „gigantischem Kostenaufwand“ alte gegen neue Verkehrsschilder austauschen sollten. Ein paar Tage später wurde diese Diskussion recht unauffällig ausgeweitet auf Schlaglöcher. Inzwischen ist weder das eine noch das andere mehr ein Thema.
.
Wie war das also noch: vor knapp drei Wochen begannen die Kommunen Verkehrsschilder auszutauschen. Alte Schilder gegen neue Schilder. Wobei der Unterschied zwischen alt und neu nicht für jeden offen(-)sichtlich war. Zum Teil ging es um alte Schilder, auf denen scheinbar eindeutig männliche Figuren (mit Hut) und scheinbar eindeutig weibliche Figuren (mit Rock, mit Zopf) abgebildet sind.
.
Beispielsweise ist auf dem alten Verkehrsschild, das auf einen Zebrastreifen hinweist, ein stilisierter Mensch mit Hut abgebildet. Im Zeitalter der Gleichberechtigung birgt ein solches Schild natürlich die Gefahr des Missverständnisses, dass ein Überqueren der Straße nur Männern erlaubt sei, also eine potenzielle Verkehrsgefährdung. Das ist etwas weniger amüsant als es vielleicht klingt. Denn tatsächlich erklärte eine „Gleichstellungsbeauftragte“ gegenüber „SPIEGEL-TV“, das alte Schild „Vorsicht, Kinder!“, auf dem eine Person mit Zopf (also: augenscheinlich eine Frau) abgebildet ist, sei „in der heutigen Zeit nicht mehr tragbar. Es könne ja auch einmal ein Mann mit Kind unterwegs sein und nicht nur die Frau“. Auch bei diesem Schild besteht also akute Verkehrsgefährdung und Handlungsbedarf.
.
Das darauf folgende mediale Getöse um die unnötigen Kosten von einigen Millionen Euro, die der Schilderaustausch produziert, sorgte dafür, dass Bundesverkehrsminister Ramsauer die Aktion als doch nicht ganz so dringlich einstufte. Viel wichtiger sei es, dass die Kommunen dieses Geld für die Ausbesserung von Schlaglöchern verwenden könnten.
Man möge sich bei Gelegenheit einmal bewusst machen: So weit ist es schon gekommen, dass entweder Verkehrsschilder ausgetauscht oder Schlaglöcher ausgebessert werden können. Also: Entweder, Oder. Beides ist für Kommunen heute unmöglich finanzierbar.
.
Was das nun mit Shanghai zu tun hat? Ab dem 1. Mai bis zum 31. Oktober findet in Shanghai die „EXPO“ Weltausstellung statt. Der Stand, an dem sich Deutschland der Welt präsentiert, hat 50 Millionen Euro gekostet. Man muss eben Prioritäten setzen. Und um in Shanghai einen guten Eindruck zu machen, nimmt man doch gern schon einmal ein paar Schlaglöcher und Stoßdämpferschäden in Kauf. Oder?
.
P.S.: achso... und die staatliche Lottogesellschaft Rheinland-Pfalz will sich übrigens mit 3 Millionen Euro daran beteiligen, dass der Fußballer Miroslav Klose von Bayern München zum pfälzischen FC Kaiserslautern wechselt. Aber das lässt sich aufgrund der vergleichsweisen "Peanuts"-Summe wohl vernachlässigen. Das entspräche schließlich gerade einmal 20.000 Verkehrsschildern oder 20.000 ausgebesserten Schlaglöchern.
.


Donnerstag, 29. April 2010

Murmeltier-Tag.

Kaum scheint die globale Finanzkrise überwunden und alles wieder gut zu werden, breitet sich eine globale Finanzkrise aus, in der alles wieder schlechter wird. „Guten Morgen! Es ist Murmeltier-Tag“.
.
Einige Banken haben griechische Staatsanleihen gekauft und dem in die Staatspleite stolpernden Griechenland eine Menge frisches Geld in die Haushaltskasse gespült. Positiv formuliert. Derselbe Sachverhalt lässt sich auch negativ formulieren: Banken haben dafür gesorgt, dass sich Griechenland dadurch noch höher verschuldet, und noch höher und noch ein bisschen höher.
.
Die selben Banken, die Griechenland auf diese Weise dem Staatsruin entgegen schubsen, wetten an der Börse darauf, dass Griechenland über kurz oder lang Pleite sein wird. So etwas nennt man ein „todsicheres Geschäft“. Und damit das Ganze etwas schneller geht, streut man entsprechende Gerüchte über eine drohende Staatspleite Griechenlands, sodass immer mehr Spekulanten darauf wetten, Griechenland daraufhin den letzten Rest an Kreditvertrauen verliert, sich daraufhin auch die letzten paar Geldgeber zurückziehen und Hellas schließlich tatsächlich vor dem Ruin steht.
.
Eine kapitalistische Meisterleistung, die offenbar so wunderbar funktioniert hat, dass exact dasselbe nun mit Portugal und Spanien getrieben wird. Immerhin meint der Chef-Volkswirt der Commerzbank in diesem Zusammenhang: „Fair ist das nicht“.
.
Und nun?
Wo sich doch kürzlich noch die regierende Mehrheit im Bundestag freute, dass die globale Finanzkrise fast schon überwunden ist, dass der Aufschwung praktisch an der nächsten Ecke wartet und schon freundlich winkt, wird Deutschland zur wirtschaftlichen Rettung Griechenlands angeblich um die 25 Milliarden Euro beisteuern müssen. Jährlich. Mindestens.
.
Und dann?
Dann stellt sich die Frage, wie Deutschland eigentlich mit seiner noch vor kurzem lang und breit diskutierten Rekordverschuldung diese Milliarden auftreiben wird. Man könnte sich dieses Geld natürlich bei Banken leihen, die dann an der Börse wetten, wie schnell Deutschland in die Pleite schlittert, siehe oben.
.
Da wird man jedoch wohl eher (oder: zusätzlich) dem deutschen Steuerzahler auf irgendeine Weise plausibel erklären, warum er für die Rettung Griechenlands aufkommen muss, und wie bei der letzten Finanzkrise ein weiteres Mal für den Schaden zahlen wird, den Banken und Spekulanten angerichtet haben.
Eine Woche später, wenn dem deutschen Steuerzahler das plausibel erklärt wurde, stellt sich Guido Westerwelle vor die Presse und macht die „HartzIV“-Empfänger dafür verantwortlich, weil sie einen „anstrengungslosen Wohlstand“ genießen: „Guten Morgen! Es ist Murmeltier-Tag“.


Samstag, 24. April 2010

keine Rosen aus Kenia.

Nun hat sich das allgemeine Getöse um den Ausbruch des Eyjafjallajökull-Vulkans auf Island wieder beruhigt. Und so kann man mit beruhigendem Abstand feststellen, was hier eigentlich passiert ist, wie ein vergleichsweise kleines Vulkänchen für ein vergleichsweise ziemlich großes Durcheinander gesorgt hat – in hochtechnisierten Gesellschaften, die ansonsten meinen, alles unter Kontrolle zu haben.
.
Wie war das noch im August 2002, beim damaligen „Jahrhundert-Hochwasser“, als der damalige Kanzler Schröder die Ärmel und Hosenbeine hochkrempelte, und sich in Gummistiefeln stapfend die verwässerte Lage vor Ort ansah.
Die aktuelle Kanzlerin Merkel dagegen musste auf ihrem Rückflug aus den USA in Lissabon landen und per Zug und Auto quer durch Europa gondeln. Die Medien vergnügten sich an Merkels „Irrfahrt“: eine verirrte Regierungschefin mitten in der Katastrophenlage - tagelang gab es keine Rosen aus Kenia zu kaufen, keine Mangos aus Thailand, keine Ananas aus Costa Rica.
.
Aber nein. Diese Ironie ist unzulässig. Schließlich gibt es eminente Unterschiede zwischen einer Flutkatastrophe mitten im eigenen Land und einem Vulkanausbruch in Island, der uns lediglich insoweit und nur so lange interessiert, wie er unser gewohntes Leben durcheinander bringt: 5 Tage lang herrschte absolutes oder weitgehendes Flugverbot, weil der Wind die Aschewolken des Vulkans über halb Europa ziehen ließ.
.
Und was ist das einzige Thema? Die Kosten. Die Fluggesellschaften sprechen von einem Verlust von rund 1,5 Milliarden Euro durch die Flugverbotstage. Dabei wäre es nicht nur korrekter, von „entgangenem Gewinn“ statt „Verlust“ zu sprechen, sondern es würde auch einsichtiger machen, was abgesehen von irgendwelchen Kosten hier stattgefunden hat.
.
Die Fluggesellschaften nämlich haben weder betriebswirtschaftlich noch überhaupt damit kalkuliert, aus irgendwelchen Gründen 5 Tage lang keinen Gewinn zu machen. Natürlich: „Passieren kann immer etwas“, wie man so schön sagt, Unfälle, Unwetter, Katastrophen, Terroranschläge, alles mögliche, aber es rechnet(!) letztlich doch niemand damit – im doppelten Sinne des Wortes. Das ist eine hochinteressante Angelegenheit.
.
Und das betrifft auch den einzelnen Geschäftsreisenden und Urlauber, der nicht auf direktem Flugweg nach Deutschland zurückkehren konnte. Wie es heißt, musste jemand von Bangkok aus die Heimreise auf eigene Faust antreten, was ihn ungeplante € 3.000,- kostete – und der nun überlegt, wer ihm diese Kosten erstattet. Vielleicht sollte man einfach einmal nachsehen, wem dieser Vulkan eigentlich gehört, um so etwas wie „Besitzhaftung“ geltend zu machen. Mit einem guten Anwalt kann man dem Staat Island sicherlich zumindest eine Fahrlässigkeit und Mitschuld ankreiden.


Donnerstag, 1. April 2010

testweise im Bilde.

Wir haben uns alle daran gewöhnt: ein Fernsehprogramm rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche und 365 Tagen im Jahr, pausenlos auf unzähligen Kanälen. Das ZDF jedoch will ab heute (im wahrsten Sinne) ein Zeichen setzen und sendet ab sofort jeweils ab Mitternacht wieder das traditionelle Testbild, unterlegt mit Waldgeräuschen.
.
Als öffentlich-rechtlicher Fernsehsender, der schließlich auch einen Bildungsauftrag und eine sozial-gesellschaftliche Verantwortung habe, will man beim ZDF das Nachtprogramm komplett streichen, statt mit TV-Seifenopern und Wiederholungen zwanghaft ein Rund-um-die-Uhr-Fernsehen zu füllen - und das gute, alte Testbild wieder aufleben zu lassen. Der in früheren Jahren parallel ausgesendete Dauer-Piepton soll dagegen "zeitgemäß" durch Waldgeräusche ersetzt werden.
.
Das ZDF sieht hierin auch ein neues Alleinstellungsmerkmal gegenüber Konkurrenzsendern: der nächtliche Fernsehkonsument könne sich nun der Dauerberieselung auf anderen Kanälen gezielt entziehen, und die vom ZDF angebotene Entspannungsmöglichkeit nutzen, heißt es in einer Pressemitteilung.
.
Dabei soll es sich allerdings zunächst um eine 6-monatige Testphase handeln, in der die Einschaltquoten darüber Ausschlag geben, ob nicht nur  das Nachtprogramm dem Testbild dauerhaft weichen soll: Das ZDF denkt darüber nach, ggf. dann auch das Vormittagsprogramm zu streichen, was gegenüber nächtlichen Sendungen erhebliche Einsparungen ermöglichen würde.
.

bezahlte Katastrophen.

Erst gestern (siehe gestrigen Blog-Eintrag) einigte sich das deutsche Bundeskabinett auf die Einführung der Zwangsabgabe für Banken. Das scheint Bundesinnenminister Thomas de Maiziere nun zu der grandiosen Idee animiert zu haben, einige ähnliche Zwangsabgaben auch für den Bürger einzuführen: zugunsten eines „Katastrophenfonds“.
.
Laut de Maiziere sei es „nicht nur für den Kapitalmarkt und die Finanzwirtschaft sinnvoll, für den Krisenfall einen vorsorglichen Topf gebildet zu haben, aus dem Folgekosten finanziert werden“, sondern es müsse „darüber nachgedacht werden, inwieweit sich dieses Konzept eignet, auch auf andere Krisen- und Bedrohungslagen angewendet zu werden“, wie zum Beispiel bei Kernschmelzen in Atomkraftwerken, Flutkatastrophen oder Terroranschlägen.
.
Ein passendes Beispiel hat de Maiziere dafür auch zu bieten: der Fall der Schweinegrippe hätte gezeigt, wie unvermittelt es zu einer akuten Bedrohung kommen könne, die eine schnelle Reaktion erfordern würde, nämlich zum damaligen Zeitpunkt die Entwicklung eines Impfstoffes für jeden einzelnen Bürger. Die Kosten in mehrfacher Millionenhöhe seien zwar noch aus Steuermitteln finanzierbar gewesen, man müsse jedoch immer damit rechnen, dass im Laufe eines Jahres mehrere Bedrohungen für die innere Sicherheit entstehen könnten; und für die sei er nun einmal zuständig.
.
In Zeiten leerer Staatskassen müsse deshalb nachgedacht werden, solche Kosten aus einem „Katastrophenfonds“ finanzieren zu können, in den jeder Bundesbürger vorsorglich einzahlt, einkommensabhängig zwischen € 50,- und € 350,- monatlich.
So muss dann der Bürger demnächst wohl auf zahlreiche Katastrophen hoffen, damit sich seine vorsorglichen Einzahlungen auch „lohnen“. Ob man sich dadurch auch das Recht erkauft, entsprechend (z.B. als Opfer an einem Terroranschlag) beteiligt zu werden, ist noch nicht geklärt.
.