Freitag, 5. Februar 2016

manierlich ungebildet

Kürzlich verkündete der Gründer von „Facebook“, Marc Zuckerberg, 99% seiner Firmenanteile im Wert von derzeit 45 Miliarden Dollar wohltätig spenden zu wollen, hauptsächlich für den Bildungsbereich. Genauer gesagt: für das, was ein Zuckerberg unter Bildung versteht.

Der „Microsoft“-Gründer Bill Gates und der Großinvestor Warren Buffet riefen im Jahr  2010 die Initiative „Giving Pledge“ ins Leben. Wer hier eintreten möchte, verpflichtet sich, den größten Teil seines Vermögens  wohltätig zu spenden. Mitglied sind inzwischen über 130 Milliardäre weltweit. Und nun auch Marc Zuckerberg.

Natürlich klingt das großartig. Doch dahinter steckt vor allem der fragwürdige Glaube, mit Geld könne man Probleme lösen. Und mit mehr Geld: mehr Probleme. Wie irrig dieser Glaube sein kann, offenbart sich aktuell gerade in der vorgeplanten Wohltat des „Facebook“-Gründers.

Ein Großteil der 45 Milliarden des Mr Zuckerberg soll „in Bildung“ fließen: Mit den Worten „Wir müssen die Technologie stärken, um den Wandel voranzutreiben“ will der junge Mann das Lernen durch Technologie optimieren, mittels personalisierter Lernprogramme zugeschnitten auf die Bedürfnisse, Stärken und Schwächen von Schülern. Welch wohlig warme Worte.

Das ist der andere Mythos: HighTech als der ultimative Problemlöser. Dabei zeigt allein schon jeder simple Leergutautomat im Supermarkt das Gegenteil. Und das noch ganz abgesehen von der ständig ignorierten Frage, welches Lernen eigentlich optimiert werden soll, um welche Bildung zu optimieren?

Andeutungsweise war das kürzlich im Spartenkanal „BR alpha“ zu erahnen. Eine Lehrerin, die sich um Schulabgänger kümmert, erklärte: „Ein Schüler mit schlechten Noten aber guten Umgangsformen wird eher eingestellt, als ein Schüler mit guten Noten, aber schlechtem Benehmen“.

Die Rede ist hier von – vermeintlich – einfachsten „Benimmregeln“, angefangen bei „Bitte“ und „Danke“, „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“, angemessene und saubere Kleidung, Pünkltichkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, etc, etc… alles ganz enorm wichtige Qualitäten u.a. für Teamarbeit und im Kundenkontakt.

Das sind in der Arbeitswelt unter Managern, Personalchefs, in der Berufs- und Karriereberatung heute nicht nur völlig selbstverständliche Anforderungen, sondern (siehe oben) wichtiger als nur gute Noten – also auch wichtiger als jedes noch so optimierte digitale, personalisiert-individualisierte HighTech-Lernen.

Leider jedoch werden „gutes Benehmen“ und Manieren an Schulen in der Regel nicht gelehrt. Es muss vor allem im Elternhaus vorgelebt und praktiziert werden, in der Erziehung, im familiären Miteinander. Das passiert heute immer weniger. Doch da helfen weder Milliardensummen noch digitale HighTech.

Montag, 1. Februar 2016

flüchtig betrachtet (2)

Es wird einfach nicht ruhiger um das Flüchtlingsdauerthema. Am Ende muss man sich noch bei Donald Trump dafür bedanken, dass er sich penetrant in die Schlagzeilen quetscht - und möglicherweise noch ins Weiße Haus. Dennoch gibt es noch immer Bemerkenswertes zu bemerken.

Da kommt mir irgendwo ein Leserbrief unter die Augen, der von einem scheinbar durchaus intelligenten Otto Normalbürger formuliert ist, schwankend zwischen Ironie und Sarkasmus. Das Dumme daran ist jedoch genau dieser Anschein von Intelligenz.

Die erste Aufforderung in diesem Schrieb lautet: „Gehen Sie illegal nach Pakistan, Afghanistan, Irak, Marokko oder die Türkei. […] Wenn Sie dort angekommen sind, fordern Sie umgehend von der lokalen Behörde eine kostenlose medizinische Versorgung für sich und Ihre ganze Familie“.

Was hier ironisch angeprangert wird, dürfte klar sein. Derselbe Autor würde es allerdings exact genauso anprangern, wenn Flüchtlinge nicht untersucht werden würden, und dadurch eine ansteckende Krankheit verbreiten. Hierbei geht es eben längst nicht nur um einen wohltätig kostenlosen Service.

Nebenbei bemerkt weiß man nur durch die sofortige Erstuntersuchung, dass der Anteil der an TBC erkrankten Zuwanderer nicht größer ist als unter deutschen Staatsbürgern. Immerhin: Offenbar wurden ein paar Erkrankte identifiziert. Irgendwie gut, dass man das in Erstuntersuchungen entdeckt hat, oder?

Und weiter in diesem Leserbrief: „Bestehen Sie darauf, dass alle Formulare, Anfragen und Dokumente in Ihre Sprache übersetzt werden“. Das soll ironische Kritik an der Praxis sein, alles mögliche – angefangen bei Hinweisschildern und Laufzetteln – mehrsprachig, sogar auf Arabisch zu verfassen. Mitten in Deutschland. Also wirklich. Unfassbar.

Derselbe Autor wird sich kaum über die gepflegte Mehrsprachigkeit u.a. bei Beschilderungen an Flughäfen und Bahnhöfen stören. Mitten in Deutschland. Im Falle von Zuwanderern wiederum dürfte diese Praxis sämtliche – typisch deutschen – bürokratischen Akte erheblich beschleunigen, …was doch eigentlich gut ist, oder?

Und dann steht in diesem Schrieb u.a. noch: „Behalten Sie unbedingt Ihre ursprüngliche Identität […] Sprechen Sie sowohl zu Hause als auch anderswo nur deutsch“. Der Autor dürfte zugestehen, dass Menschen, die zwanzig, dreißig, vierzig Jahre in einer anderen Kultur gelebt haben, diese Prägung nicht einmal nach einem erfolgreichen Deutsch-Sprachkurs komplett abschütteln können.

Andererseits gibt es sehr wohl Deutsche, die sich anderswo ein neues Leben aufbauen wollen („Wirtschaftsflüchtlinge“), die ihre Auswanderung monatelang planen und vorbereiten… nur einen Sprachkurs halten sie für verzichtbar, und angekommen vor Ort wird erst einmal nach einer deutschen Bäckerei gesucht. Man hält sich weiterhin für Deutsche mitsamt ihrer deutschen Kultur, die nur lediglich anderswo leben.

Man möge sich bitte bewusst machen: Der Ausgangspunkt der ganzen Thematik ist, dass Menschen irgendwo wegflüchten und anderswo – zwangsläufig – Hilfe brauchen. Und Menschen, die Hilfe benötigen, sollte man helfen. Punkt. Alles andere sind (zahlreiche) Folgeprobleme - unter anderem die Meinungsbildung.