Mittwoch, 18. August 2010

grundsätzlich ungebildet.

Und noch eine weitere Plastikkarte, die unsere digital-verchipte Welt bereichert: Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen lässt sich nicht davon abbringen, im kommenden Jahr eine elektronische „Bildungskarte“ einzuführen, zunächst ausschließlich für Kinder von Eltern, die „HartzIV“-Sozialleistungen beziehen.
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Wie meinte von der Leyen wörtlich: „Wir wollen mittelfristig bedürftigen Kindern eine elektronische Bildungs-Card mit einem persönlichen Bildungsguthaben geben“. Das heißt nicht nur durch die Blume, sondern (für eine Politikerin) ziemlich direkt: So, wie im Überwachungszeitalter jeder Bürger als potenzieller Krimineller dasteht, sind Kinder von Eltern, die Sozialleistungen beziehen, allesamt grundsätzlich potenziell ungebildet – ansonsten bedürften schließlich nicht allesamt grundsätzlich und ungeprüft eines „persönlichen Bildungsguthabens“.
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In einem so genannten „Bildungspaket“ sollen Kinder, deren Eltern „HartzIV“ beziehen, dann kostenfrei Lernförderung, Schulmaterial und Mittagessen in Schulkantinen bekommen, sowie die Möglichkeit, kostenfrei Musikschulen oder Sportvereine zu besuchen. Das geht dann alles „auf Karte“. Man könnte den Kindern natürlich auch gleich ein Schild um den Hals hängen: „Meine Eltern sind ‚HartzIV’-Bezieher und ich bin – deshalb – ungebildet“.
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Genau so dürfte das auch gedacht sein: Statt nämlich den Eltern etwas mehr Geld zu überweisen, wird den Kindern eine Chipkarte in die Hand gedrückt, und damit gleichzeitig eine Hemmschwelle installiert, die den Sozialetat nicht be-, sondern entlastet. Fraglos nämlich dürften sowohl Eltern wie auch Kinder ein gewisses Hemmnis haben, sich durch das Vorzeigen einer Karte als bedürftig, sogar als „bildungsbedürftig“ zu outen. Das „Bildungsguthaben“ wird also kaum von allen, denen man es zur Verfügung stellt, tatsächlich genutzt werden – und das wird dem Staat eine ganze Menge Geld sparen. Rein ökonomisch eine glänzende Idee.
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Der nächste Schritt ist gedanklich nicht weit entfernt: nachdem das „Bildungsguthaben“ auf der Karte aufgebraucht ist, muss der Chip schließlich wieder aufgeladen werden. Das soll durch die Sachbearbeiter in den Ämtern erfolgen, die ohnehin nichts anderes zu tun haben und sich über den Zulauf freuen werden. Dadurch wird allerdings überprüfbar, ob und wie oft ein Kind das gesetzlich verordnete Bildungsangebot in Anspruch nimmt – schließlich spricht Ursula von der Leyen von einem „persönlichen(!) Bildungsguthaben“. Und so könnte man den Eltern ganz persönlich eine Vernachlässigung vorwerfen, wenn zwei/drei Monate lang keine Aufladung des Kartenchips beantragt wird. Doch das ist natürlich nur blanke Theorie.
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Und wenn wir das weitergedacht haben, können wir uns der Frage zuwenden, warum eigentlich die Arbeitsministerin eine „Bildungs-Card“ mitsamt eines „Bildungspaketes“ einführt, und von der für Bildung zuständigen Bundesministerin Annette Schavan kein Sterbenswörtchen zu hören ist.
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