Mittwoch, 17. Februar 2010

symptomatisch verarmt.

11 Millionen Deutsche leben unter der finanziellen Armutsschwelle. Also: nicht knapp darüber und nicht irgendwie an dieser Schwelle entlang, sondern definitiv darunter. Das jedenfalls ist das Resultat einer heute vom Wirtschaftsinstitut „DIW“ veröffentlichten Studie zur Einkommensverteilung in Deutschland.
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Etwas plastischer ausgedrückt sind es 11 Millionen Deutsche, die als Alleinstehende mit weniger als € 925,- pro Monat auskommen müssen, oder beispielsweise Ehepaare mit einem Kind, die weniger als € 1.665,- monatlich zur Verfügung haben – das sind insgesamt 14% der Gesamtbevölkerung und über 30% mehr Menschen als noch vor 10 Jahren.
Oder um es in Guido Westerwelles Worten zu sagen, der sich in den letzten Tagen über „HartzIV“-Empfänger ereiferte: 11 Millionen „Sozialfälle“, die sich es in ihrem „anstrengungslosen Wohlstand“ auf Kosten des Steuerzahlers gutgehen lassen.
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In der Tat – Armut hin oder her – rät auch Joachim R. Frick, Co-Autor der „Armutsstudie“ und mutmaßlicher Westerwelle-Sympathisant, von einer etwaigen Erhöhung der „HartzIV“-Regelsätze als (wörtlich) „Symptombekämpfung und keine echte Lösung“ ab. Sehr viel nützlicher seien dagegen laut Frick „Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen und in die Verbesserung der Erwerbschancen für alleinerziehende Mütter“.
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So müssen nun mindestens 11 Millionen Deutsche inklusive deren Kinder erfahren, dass sie sich bitte weiterhin finanziell irgendwie über die Runden schleppen und am Monatsende ggf. ans Ende der Schlange der örtlichen „Tafel“ stellen sollen, weil ein paar Euro mehr schließlich „keine Lösung“, sondern nur „Symptombekämpfung“ sei.
Und so ziemlich jeder dieser 11 Millionen betroffenen Erwachsenen und Kinder wird einsehen, dass groß angelegte Investitionsmaßnahmen da weitaus „nützlicher“ sind – natürlich auf längere und lange Sicht gesehen, vorausgesetzt, dass das in Berlin ausdiskutiert, verkonsenst, beschlossen und umgesetzt wird. Irgendwann. Man muss eben etwas Geduld haben.
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Und, so Frick weiter: „Transferleistungen sind wirkungsvoller, wenn sie zielgerichtet und nicht breit gestreut sind“. Natürlich: 11 Millionen Deutsche unterhalb der „Armutsschwelle“, 14% der Bevölkerung, da sollte kein einziger Euro unwirksam „breit gestreut“ werden. Warten wir vielleicht noch ein paar Jahre ab, bis nicht nur breit, sondern flächendeckend „gestreut“ werden muss.
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In jedem Fall zu spät kommen wird sowohl jede unnütze „Symptombekämpfung“ als auch jede „nützlichere“ Großinvestition für 14 obdachlose Menschen, die unterhalb der „Armutsschelle“ bislang in diesem Winter erfroren sind. So viele, wie seit 10 Jahren nicht mehr. Mitten in Deutschland, Herr Frick. Mitten im „anstrengungslosen Wohlstand“, Herr Westerwelle.
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siehe auch: http://wirkung.blogspot.com/search?q=irgendwie+%C3%A4rmlich
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Montag, 15. Februar 2010

noch viel Platz nach oben.

Guido Westerwelle hat mit seinem Ablenkungsmanöver der "HartzIV"-Thematik am Wochenende noch einen drauf gesetzt. Das ist keine große Kunst, denn nach oben ist eben immer viel, viel Platz. Außerdem erspart es einem, in die Tiefe gehen zu müssen.
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Wie war das also diesmal wieder im westerwellschen Originalton: "Wir dürfen nicht zulassen, dass der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt". Das stimmt natürlich. Dem arbeitenden Menschen bleibt immer weniger, weil u.a. die Kommunen flächendeckend zahlungsunfähig sind und alle möglichen Gebühren anheben müssen, vom Kindergartenplatz über Schwimmbad und Stadtbibliothek bis zu Müllgebühren und Grundsteuer. Aber das hat Westerwelle offenbar nicht gemeint, denn das hat er nicht angesprochen - ansonsten müsste er dazu am Ende noch Stellung nehmen und erklären, wie er die Finanzlage der Kommunen zu ändern gedenkt.
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Gemeint hat Westerwelle vielmehr nun zum wiederholten Mal "die Sozialausgaben" des Staates: "45 Prozent des Bundeshaushaltes würden für Soziales ausgegeben, zusammen mit Zinsen für Schulden sogar 60 Prozent". Und das müsse ein Ende haben, weil - so Westerwelle - ansonsten "bald der Steuerzahler zum Sozialfall wird".
Sieht man sich "das Soziale" und "die Sozialausgaben" einmal etwas näher an - also: die Menschen, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen und deshalb nach der Definition des Vize-Bundeskanzlers ein "Sozialfall" sind, dann fallen darunter u.a. auch knapp 1 Million Studenten, die BAFöG beziehen, rund 1,5 Millionen Pensionäre, rund 1,8 Millionen Menschen, die Leistungen aus einer Unfallversicherung beziehen, weil sie aufgrund eines schweren Unfalls erwerbsunfähig sind, rund 1,8 Millionen Pflegebedürftige und rund 20 Millionen Rentner.
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Und laut Westerwelle ist der Steuerzahler "der Dumme", der alle diese "Sozialfälle" mit seinen Steuerzahlungen mitfinanzieren muss.
Dazu gehören übrigens auch Kosten für "Kinder- und Jugendhilfe", u.a. für Kinder, die zum Opfer von elterlicher Vernachlässigung wurden, von Misshandlung oder sexuellem Missbrauch wurden. Kosten für Fälle, die allein von 2007 bis 2008, also innerhalb eines(!) Jahres, um 23% (!) gestiegen sind, mitsamt der dazugehörigen Steigerung der Folgekosten um 118 Millionen Euro, auf insgesamt 24,6 Milliarden Euro - wohlgemerkt: allein für solche... "Sozialfälle".
Jedoch: auch das hat Westerwelle natürlich nicht gemeint. Am Ende müsste er auch dazu noch Stellung nehmen und auch hierzu erklären, wie er das zu ändern gedenkt.
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Nein, Westerwelle erklärt(e) schließlich: "Wir wollen den Bedürftigen helfen, aber nicht den Findigen". Neben den Fragen, welche "Sozialausgaben" und welche "Sozialfälle" er eigentlich genau meint, stellt sich hier gleich die nächste: was ist "bedürftig" und was ist "findig"? Ist ein jugendlicher Ausreißer, der das Leben auf der Straße dem Leben im Elternhaus vorzieht, nun bedürftig oder nur findig? Jedoch: siehe oben, das hat Westerwelle natürlich nicht gemeint, denn Kinder haben eine Lobby - selbst wenn die Beantwortung dieser Frage womöglich einige Millionen Euro für "Kinder- und Jugendhilfe" einsparen und den arbeitenden Steuerzahler - wenn auch nicht moralisch, doch zumindest finanziell - "entlasten" würde.
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Übermorgen, am 17. Februar, wird die "Arbeitsgruppe Finanzen" der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa" (OECD) in Abu Dhabi einen Bericht veröffentlichen, wonach Deutschland ein "großes Geldwäsche-Land" sei, das "zu wenig gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug vorgeht". Bei insgesamt 49 Prüfkriterien fällt Deutschland in 22 Punkten durch, 17-mal mit der Beurteilung "teilweise ungenügend", 5-mal mit "ungenügend".
Doch auch das... hat Westerwelle nicht gemeint, selbst wenn dem deutschen Staat hierdurch über 100 Milliarden (!) Euro jährlich verloren gehen. Denn es geht ja gerade darum, dass "der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt" - und so wird manch einer von diesen Dummen eben geradezu gezwungen und genötigt, das Bisschen, das ihm bleibt, sehr findig auf einem Konto in der Schweiz in Sicherheit zu bringen - in Sicherheit vor "HartzIV"-Empfängern, vor Rentnern, Pensionären, Pflegebedürftigen, Studenten und Kindern. Zum Beispiel.
Und so wissen wir inzwischen eine ganze Menge von dem, was Westerwelle nicht meint. Womöglich erfahren wir irgendwann etwas von dem, was er denn eigentlich meint.
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Freitag, 12. Februar 2010

verhaderthauerte Fortsetzung.

Da hat Guido Westerwelle aber Aufmerksamkeit erregt (siehe gestriger Blog-Eintrag) und von einigen Seiten einigen Gegenwind bekommen. Dennoch will Westerwelle davon "keine Silbe zurücknehmen". Das kann man nun konsequent nennen. Oder uneinsichtig. Wie so oft jedoch, kann man auch diesem Trauerspiel etwas Positives abgewinnen: Guido Westerwelle informiert uns gerade, wie er - wohlgemerkt: nicht nur als gewählter Volksvertreter, sondern zudem als Vize-Kanzler - über eine Vielzahl von Menschen denkt, die er mitregiert.
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Guido Westerwelle also heute in Reaktion auf die Kritik, die er losgetreten hat: "Wenn man in Deutschland schon dafür angegriffen wird, wenn man sagt, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus". Vielleicht mag das nach liberaler Einschätzung tatsächlich so sein, doch vor allem ist es eines: das Recht auf freie Meinungsäußerung, das auch Westerwelle genießen darf. Und wenn er dieses Recht für verbale Angriffe auf Teile des Volkes nutzt, das er vertritt, dann darf er das sogar tun. Er lebt in einem Land, in dem das erlaubt ist.
Allerdings ist es eben gleichfalls "erlaubt", dass Menschen, die kein eigenes finanzielles Einkommen (mehr) haben, zum Beispiel, weil sie zu den Opfern der Rekordpleitewelle des Jahres 2009 zählen, vom Staat ein Existenzminimum in Anspruch nehmen dürfen. Das ist: "soziale Marktwirtschaft". Das ist das Land, in dem wir leben. Guido Westerwelle noch immer eingeschlossen.
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Frau Christine Haderthauer hat es heute geschafft, auf diesem Niveau ihren eigenen Blindflug zu starten. Frau Haderthauer nämlich regte zum Nachdenken an: "Wir sollten nun auch überlegen, ob für das zweite und dritte Kind der gleiche Bedarf besteht, wie für das erste Kind". Denn: "Es gibt Kosten, die nicht für jedes weitere Kind in vollem Umfang neu entstehen, wie Fläschchenwärmer, Kinderwagen oder Autositz. Die Kleidung der größeren Kinder kann durchaus weitergegeben werden, so wie es in Familien üblich ist.". Aha. 
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Doch leider: "Thema verfehlt. Note: 6. Setzen". Weder Fläschchenwärmer noch Kinderwagen oder Autositze sind Anschaffungen, auf die "HartzIV"-Empfänger auch nur den Hauch eines Anspruches hätten. Kein "HartzIV"-Empfänger kann zum Amt gehen und um zusätzliches Geld für einen Fläschchenwärmer bitten. Weder in Erwartung des ersten Kindes, noch wenn dieses Gerät im Laufe der Jahre, beim zweiten oder dritten Kind sein technisches Leben aushaucht. Solche Anschaffungen hat ein "HartzIV"-Empfänger von dem einheitlichen Regelsatz zu finanzieren, also - wie auch immer - ...anzusparen - allerdings jedenfalls nicht in Verwendung des Kindergeldes, denn das wird mit dem Regelsatz "verrechnet". Man könnte auch sagen: "ersatzlos gestrichen".
Es gibt allerdings einen interessanten Unterschied zum liberalen Westerwelle: Frau Haderthauer ist Sozialministerin des Freistaates Bayern, also jemand, der sich eigentlich auskennen sollte. Und: Frau Haderthauer ist keine "Liberale", sondern Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU). Keine weiteren Fragen.
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Kleine Anmerkung zum Abschluss: wie der "Bund der Steuerzahler" kürzlich anprangerte, haben sich im November letzten Jahres 115 Bundestagsabgeordnete für insgesamt € 68.800,- vergoldete Füllfederhalter der Marke "montblanc" zugelegt - auf Kosten des Steuerzahlers. Es war hier offenbar nicht möglich, handelsübliche Kugelschreiber aus Plastik von einem Großhandel zu besorgen und zu verwenden. Abgesehen davon, ob vergoldete Füllfederhalter nicht doch ein wenig dekadent sein könnten, müssen finanzschwache Familien da einfach Verständnis haben, wenn aus dem selben Steueraufkommen nicht auch noch Fläschchenwärmer finanziert werden können.

Donnerstag, 11. Februar 2010

westergewellte Dekadenz.

Nachdem unser neuer Außenminister Guido Westerwelle in seinen ersten 100 Tagen in Amt und Würden viel gereist ist, in die Vereinigten Staaten, nach Polen, Israel, Saudi-Arabien, China, Japan, Russland, Tschechien, Afghanistan, in die Türkei, die Niederlande und die Schweiz, nach Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden, werfen ihm Parteifreunde inzwischen vor, sich kaum noch um das politische Tagesgeschäft zu kümmern. Doch zumindest das hat Westerwelle jetzt beendet.
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In einem Gastbeitrag für "Die Welt" ließ sich Westerwelle u.a. mit dem Satz "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein" dazu hinreißen, die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zu verurteilen, wonach die "HartzIV"-Regelsätze bis zum Ende dieses Jahre neu (bzw. für Kinder: überhaupt erst einmal) berechnet werden müssten.
Nach Westerwelles Ansicht - schriftlich in der "Welt" geäußert zwischen zwei Staatsbanketten - ist also das zugestandene Existenzminimum ein "anstrengungsloser Wohlstand", in dem es sich auch die betroffenen Kinder auf dekadente Weise bequem machen.
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Kurzer Rückblick auf den 27. September 2009, auf den Abend der Bundestagswahl, auf Guido Westerwelle als Wahlsieger und designierter Vize-Kanzler: "Wir sind bereit, diese Verantwortung zu übernehmen", erklärte er der Öffentlichkeit. Allerdings erklärte er - zugegeben - nicht mit dazu, ab wann das geschehen soll. Es wird allmählich Zeit.
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Apropos: Am selben Abend der Bundestagswahl, am 27.09.2009, sprach die alte und neue Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ich möchte die Bundeskanzlerin aller Deutschen sein". Da dürfen wir gespannt sein, wann sie ihren Stellvertreter und Außenminister ordentlich vor's Schienbein treten und sich öffentlich schützend vor "HartzIV"-Empfänger stellen wird. Ganz sicher ist das nur noch nicht passiert, weil sie noch an der Formulierung feilt.
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Mittwoch, 3. Februar 2010

Tatort Bundesregierung.

Wenn Sie bislang dachten, Sie würden in einem demokratischen Rechtsstaat leben, der sich ganz selbstverständlich an genau die Regeln und Gesetze hält, die er seinen Bürgern auferlegt, dann haben Sie spätestens seit Freitag die Möglichkeit, ihre Überzeugung zu überprüfen und sich ggf. eine andere zuzulegen.
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Am Freitag nämlich wurde bekannt, dass der deutschen Bundesregierung das hochinteressante Angebot gemacht wurde, eine CD-ROM käuflich zu erwerben, auf der sich die Daten einiger Hundert mutmaßlicher Steuerhinterzieher befinden sollen. Nach diversen Expertenmeinungen, die sich auf eine vom Anbieter zur Verfügung gestellte Stichprobe von 5 Datensätzen stützen, ließen sich durch das Enttarnen und Aufdecken dieser Fälle um die 100 Millionen Euro für die deutsche Staatskasse einsammeln.
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Der kleine Haken an dieser Sache: der Anbieter, teilweise auch als "Informant" bezeichnet, und als Monsieur Hervé Falciani, ein 37-jähriger Angestellter der Genfer HSBC Private Bank sogar namentlich bekannt, möchte für seine CD-ROM mit 2,5 Millionen Euro entlohnt werden. Das ist zwar in Relation zum spekulierten Wert der brisanten Daten ein echter "Klacks", doch abgesehen von dieser Relation ist es vor allem eines: kriminell. Und man möchte meinen, dass die Bundesregierung einen solchen "Deal" deshalb empört zurückweisen würde. Jedoch: weit gefehlt.
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Dabei gibt es tatsächlich nicht nur Politiker, die dieses "Geschäft" ernsthaft in Erwägung ziehen und "prüfen" wollen. Sondern es gibt welche, die komplett bedenkenlos sogar darauf bestehen, wie etwa der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, mit der Begründung: "Es ist skandalös, dass hier jeder Parksünder verfolgt wird, aber nicht die Leute, die bis zu 200 Millionen Euro Steuern hinterziehen".
Abgesehen davon, dass eine "Parksünde" eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit Bußgeld geahndet wird, während Steuerhinterziehung dem gegenüber eine Straftat ist, auf die Gefängnis steht, bedient sich der Staat keiner Krimineller, um falschparkende Verkehrsteilnehmer aufzuspüren - es sei denn natürlich, das ist die eigentliche Überlegung hinter Gabriels Äußerung.
Also: einmal abgesehen davon war einer der Vorgänger im Amt des SPD-Vorsitzenden Helmut Schmidt, der in seiner Zeit als Bundeskanzler die Ermordung von Hanns Martin Schleyer durch die "Rote Armee Fraktion" (RAF) verantworten musste. Entweder die Zeiten haben sich derart geändert, dass der Staat inzwischen doch erpressbar ist. Oder die Erpessbarkeit hängt davon ab, ob es um ein Menschenleben geht oder um Geld..

Die "Grüne"-Faktionschefin Renate Künast wiederum meinte "Wer Krokodilstränen darüber vergießt, dass der Staat sich mit Kriminellen auf einen Handel einläßt, dem geht es in Wahrheit nur darum, Rücksicht auf seine Wählerklientel zu nehmen".
Das jedoch ist so nicht ganz korrekt, denn was mich persönlich angeht, habe ich keine Wählerklientel, auf die ich mit meiner Meinung Rücksicht nehmen müsste. Meine "Krokodilstränen" basieren eher auf der Überlegung, dass dieselben Politiker, die irgendwelchen Managern vorwerfen, sie würden für Geld jede Moral über Bord werfen, offenbar exact dasselbe Denken und Handeln an den Tag legen: diese Frage nach der Moral wird gar nicht erst gestellt, sondern es wird ausschließlich "geprüft", wie sich das Gesetz juristisch-clever so interpretieren lässt, dass das Ganze am Ende völlig legal über die Bühne geht.
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Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei wiederum sieht hier rein überhaupt keinerlei Bedenken irgendeiner Art und schließt jeden geringsten Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Angelegenheit aus: "An bestimmte Delikte ist ohne Mithilfe Krimineller kaum heranzukommen", verweist dabei u.a. auf die Kronzeugenregelung und Lockkäufe bei Drogengeschäften, und schlägt dem Otto Normalbürger damit ganz nebenbei das Werteverständnis um die Ohren, mit dem er versucht, seine Kinder zu guten Menschen zu erziehen. Also: die Kinder, die gerade eben mitbekommen, dass man als Krimineller sehr leicht zum Millionär werden kann, und das auch noch von der Kanzlerin bis zum Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei als völlig legitim abgesegnet wird.
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Wobei sich mir als unbedarftem Otto Normalbürger die Frage stellt: Wenn doch dieser "Informant" namentlich bekannt ist, und durchaus unstrittig scheint, dass dieser Mensch auf kriminelle Weise gegen das Gesetz verstößt... warum, bitte sehr, nimmt man ihn nicht per Haftbefehl fest und bringt sich per Durchsuchungsbeschluss in den Besitz der CD-ROM, auf ganz ordentliche, rechtmäßige Weise?