Samstag, 16. Februar 2013

SKANDAL! Pferde in der Tiefkühlabteilung


Na, endlich. Da sind wir (bis jetzt) in diesem Winter der schon gewohnten Pandemiepanik irgendeiner gemeingefährlichen exotischen Grippe entronnen und mussten uns mit einer lächerlichen Plagiatsaffäre der Bildungsministerin begnügen. Doch nun haben wir endlich einen handfesten Skandal mit dem man uns ausgiebig beschäftigen kann: Pferdefleisch in Lasagne. Köstlich.

Alles begann mit der Nachricht, dass auf zwei Schlachthöfen in England Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne verarbeitet wurde. Prompt weitete sich dieser Skandal auf andere Länder aus, unfassbarerweise sogar bis in das so penibel kontrollwütige Deutschland. Es lebe die Globalisierung.
Doch: Was genau ist eigentlich das Problem? Angeblich schmeckt Pferdefleisch nicht nur prima, sondern ist sogar richtig gesund. Also: Was ist das Problem?

Natürlich: Pferde genießen in unserem Kulturkreis einen etwas anderen Status gegenüber beispielsweise Rindern, Schweinen und Hühnern. Pferde können eine echte Wertanlage sein, sind zum Dressur- und Springreiten nahezu unverzichtbar und in Form von Ponys gerade für Kinder besonders goldig. Aber sonst? Was ist das Problem? Oder darf man Fleisch erst ruhigen Gewissens verspeisen, nachdem man den dazugehörigen Tieren durch Massenproduktion ihren Status als Mitgeschöpf geraubt hat?

Was ist das Problem? Ist das Problem der Etikettenschwindel? Rinderhack möge bitte aus Rindfleisch bestehen, nicht aus Pferd? Etwa so, wie dem Verbraucher Formfleisch als Schinken untergejubelt wird und Analogkäse, der mit Käse nicht viel zu tun hat?
Was ist das Problem? Ist das Problem der Kontrollverlust? Rindfleisch wird lückenlos deklariert, von der Geburt des Rindes über die Aufzucht bis zur Schlachtung. Das will die EU schon länger auf anderes Fleisch ausweiten, nun vielleicht auch auf Pferde, damit wir alle beruhigt sind. Und bis jemand auf die Idee kommt, in Lasagne auch einmal nach Känguruh- oder Kamelfleisch zu suchen.
Was ist das Problem? Etwa, dass über Pferdefleisch auch Spuren von Phenylbutazon in die Nahrungskette gelangt sein sollen, ein Schmerzmittel, das Pferden gern verabreicht wird? So ähnlich, wie sich Spuren von Schlafmitteln, Psychopharmaka und Anti-Baby-Pillen (u.v.a.) in unser aller Trinkwasser befinden, mit dem wir tagtäglich unsere Mahlzeiten kochen?

Je nach dem, was nun das Problem ist, ist Verbraucherministerin Ilse Aiger dazu berufen, sich darum zu kümmern. Die Frau Aigner, die vor einem Jahr die Diskussion hochelegant auf das Mindesthaltbarkeitsdatum lenkte, als es eigentlich darum ging, dass in Deutschland 500.000 Kinder Hunger leiden. Die Frau Aigner, die kürzlich Bauernproteste gegen EU-Subventionskürzungen von 3,5 Milliarden Euro mit dem Hinweis entschärfte, die Bauern hätten doch nun schließlich Planungssicherheit.
Das wird noch spannend. Vielleicht diskutieren wir bald darüber, ob Lasagne mit Phenylbutazon-Zusatz nur mit Beipackzettel in Apotheken verkauft werden sollte und wie kompetent man in Apotheken beraten wird.

Samstag, 2. Februar 2013

Diagnose ADHS: „Gestört“ sind nicht die Kinder


Innerhalb von 5 Jahren (2006-2011) ist angeblich die Menge der Kinder und Jugendlichen mit diagnostizierter Aufmerksamkeitsstörung „ADHS“ um 42 Prozent gestiegen. Wenn das so weiter geht, gehören Kinder ohne ADHS bald zu den Außenseitern. Man unterschlägt dabei, dass nicht nur die Kinder als „psychisch gestört“ stigmatisiert werden, sondern gleichzeitig immer auch die Eltern – mehrfach – mitbetroffen sind.

Wann ist eine Aufmerksamkeit eigentlich gestört? Was man versucht zu pathologisieren, sind natürlich nicht die permanent „von außen einwirkenden“ Aufmerksamkeitsstörungen, etwa durch Radio, Werbung, Telefonklingeln, etc, sondern ist eine etwaige persönliche „Störung der Aufmerksamkeitsfähigkeit“. 
Man sollte das tatsächlich so genau nehmen. Im ersten Fall nämlich lässt sich die jeweilige Störung problemlos identifizieren, in letzterem Fall soll sie zwar äußerlich erahnbar, jedoch ursächlich irgendwo „im“ Menschen, im Kopf oder sonstwo versteckt liegen. 

Bei dieser Sichtweise lässt sich daraus kurzerhand eine Krankheit machen, die man „ADHS“ getauft hat, erklärt medizinisches Fachpersonal für zuständig, entwickelt technische und methodische Verfahren zur Diagnose, sowie Therapien und Psychopharmaka zur Behandlung.
Bei dieser Sichtweise eine scheinbar zwangsläufige, weil scheinbar logische Folge- und Ablaufkette von Konsequenzen.

Einmal abgesehen davon, dass man u.a. in Italien eine andere Sichtweise hat: Dort gibt es ADHS (noch) nicht, weil man Defizite in der kindlichen Aufmerksamkeit schlicht und einfach nicht als Krankheit betrachtet, also auch nicht medizinisch, sondern als Herausforderung an Eltern und Lehrer, also pädagogisch.
Und einmal abgesehen davon, dass kritische Ärzte ADHS als „Modediagnose“ bezeichnen, dass also nicht etwa die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen explodiert, sondern lediglich die Zahl der Diagnosen; was zwei Paar Schuhe sind.

Doch es gäbe da auch noch eine völlig andere Möglichkeit: Was als ein „Defizit“ in der Konzentrationsfähigkeit missverstanden wird, ist eventuell vielmehr eine Auswirkung des „Telematischen Zeitalters“. 
Der Medienforscher Vilém Flusser prophezeite, dass wir uns aus der alten Schriftkultur des Buchdruck-Zeitalters heraus-entwickeln, mitten hinein in eine „telematische Gesellschaft“, geprägt von Computerisierung, Medialisierung und Digitalisierung. Die Dominanz von „Technobildern“ (Piktogramme, Icons, etc) würde das Alphabet als vorherrschenden Kommunikationscode ablösen. Damit würde sich so einiges verändern, was nur in einer von Schrift und Text dominierten Welt als „selbstverständlich“ gilt.

Angenommen, Flusser hatte recht. Dann wäre u.a. das, was man als (psychische/soziale) Defizite und als pathologische Symptome (u.a. als „ADHS“) deuten will, nichts weiter als ein eklatantes Fehlverständnis. Die Unfähigkeit zu erkennen, dass Kinder nicht nur biologische Nachkömmlinge sind, sondern in einer anderen Welt aufwachsen, von der sie anders geprägt werden, als jede frühere Generation. Eventuell völlig anders, als das, was die alten Maßstäbe und Kriterien hergeben, und die alten Experten alter Prägung verstehen können.