Dienstag, 3. Dezember 2013

Türen zu! Es zieht!

Pünktlich seit dem ersten Dezember, der diesmal zufällig auch noch der erste Advent war, poltern reihenweise eMails in den Posteingang, in denen man über „Türchen“ informiert wird, die gefälligst zu öffnen sind, und zwar vorübergehend, bis auf weiteres, täglich ein anderes. Und alle meinen, sie hätten besondere Aufmerksamkeit verdient, begründen jedoch nicht, warum.

Da haben wir’s wieder: Die Digitalisierung führt nicht zu einer Informationsflut, sondern sie wird zur Überflutung genutzt; was mindestens zwei Paar Schuhe sind. Eine solche Inflation „virtueller Adventkalender“ war jedenfalls vor dem Internetzeitalter undenkbar. Welches Unternehmen hätte wohl an jedes Zielgruppenmitglied drei Wochen lang jeden Tag ein Briefchen verschickt? Per eMails und Websites ist das problemlos möglich, also wird es auch gemacht.

Zur Weihnachtszeit ein „virtueller Adventkalender“. Wie kommt man auf so etwas? Anders gefragt: Wenn das ohnehin bereits übermäßig praktiziert wird, wie kommt man darauf, sich freiwillig in dieses kreative Vakuum zu stürzen? Wahrscheinlich verhält es sich ähnlich, wie in dem recht gelungenen Banken-Werbespot: „Wir machen das mit den Fähnchen“ (>> YouTube)

Wenn man Neil Postman folgen will, führt so etwas zu einer „Entleerung der Symbole“. Das klingt ziemlich dramatisch. Doch dafür findet man ausreichend Anhaltspunkte: Wenn Symbole übermäßig verwendet werden, verlieren sie an Bedeutung, sie verlieren ihre symbolträchtige, inspirierende Wirkung, sie verkommen zur Gleichgültigkeit.

Ungefähr so, wie inzwischen in TV-Shows von Privatsendern das junge Publikum nicht mehr nur klatscht und kreischt, sondern angewiesen wird, sich für jede noch so mittelmäßig dargebotene künstlerische Leistung von den Sitzplätzen zu erheben. Eine Geste des Respekts, die früher einmal nur wirklich bedeutsamen Menschen des öffentlichen Lebens mit einer wirklich bemerkenswerten Lebensleistung vorbehalten war. So wird eine symbolische Geste auf das Niveau der Beliebigkeit gestampft, und hat für echte Persönlichkeiten plötzlich keine mehr übrig. Doch das nur nebenbei.

Dass inzwischen bereits Ende August die ersten Lebkuchen, Marzipanbrote und Spekulatius in weihnachtlicher Verpackung angeboten werden, kann als Mosaikstein einer solchen „Symbolentleerung“ gewertet werden. Auch der frühere Nikolaus musste so fast zwangsläufig zum „Weihnachtsmann“ mutieren, als Rechtfertigung dafür, dass man den gesamten Dezember hindurch permanent auf entsprechend gekleidete Statisten trifft: „Schon wieder einer“.
Und es gehört auch dazu, dass die typischen, rot-weißen Mützen, ggf. mit zeitgemäß blinkenden LED-Lämpchen ausgestattet, in den Fankurven der Fußballstadien auf jedem zweiten Kopf prangen, und es auch Ladenbesitzer immer noch für eine prima Idee halten, ihr Verkaufspersonal damit auszustatten: „Wir machen das mit den Fähnchen“.

Doch das ist eben das, was man „zeitgemäß“ nennt. Weihnachten ist nun einmal ein Wirtschaftsfaktor. Und wie alle Jahre wieder, werden wir auch diesmal ungefragt darüber informiert werden, wie zufrieden der Einzelhandel mit dem Weihnachtsgeschäft ist. Warum auch immer wir das wissen sollen.