Freitag, 21. Januar 2005

Unter Generalverdacht

Seit dem Mord an Rudolph Moshammer haben sich Politik und Medien gleichermaßen auf ein Thema gestürzt: Die Wichtigkeit von DNS-Tests zur Kriminalitätsbekämpfung. Nur nebenbei sei hier angemerkt, dass man sich wieder einmal mit Vehemenz auf ein Folge-Problem stürzt: Die komplette aktuelle Diskussion dreht sich einzig und allein darum, bereits begangene Verbrechen effizienter (oder: überhaupt) aufklären zu können. Nicht eine Sekunde wird darüber nachgedacht, wie sich Kriminalität von vorn herein verhindern oder zumindest deutlich senken lässt - es scheint, als sei man daran nicht wirklich interessiert.

Wir haben es hier also erneut mit einer "Pseudo-Debatte" zu tun, in der dem Bürger vorgegeben wird, wie er sich zu entcheiden hat: Für oder gegen DNS-Tests. Etwas anderes steht nicht zur Diskussion. Dem entsprechend wird auch argumentiert: Pro und Contra. Der Schutz des Bürgers vor Gewalt und Terror einerseits, sowie die bürgerlichen Grundrechte und Datenschutz andererseits.
Ich persönlich glaube jedenfalls nicht, dass sich ein Mörder vor der Tat Gedanken darüber macht, dass seine DNS-Merkmale in einer Datenbank gespeichert sind: Wer einen Mord plant, der wird ihn auch durchführen. So oder so. Und ich glaube auch nicht, dass sich die Attentäter vom 11. September Gedanken über ihre DNS-Spuren gemacht haben, bevor sie die Flugzeuge in die Wolkenkratzer lenkten.

Also: Ver-hin-dert wird dadurch rein gar nichts. Selbst, wenn Vergewaltiger durch ihre DNS-Spuren überführt und vor Gericht gebracht werden, verhindert das nicht, dass solche Menschen nach ihrer Entlassung fünf Jahre später die nächste Frau überfallen. Logischerweise geht es deshalb eben ganz sicher nicht um den "Schutz des Bürgers" vor Gewalt und Terror. Das möge man sich klar vor Augen führen. Sondern es geht um etwas völlig anderes: Es geht nicht darum, jemanden zu "schützen", sondern es geht um... mehr Effizienz. Um nichts anderes.

Es ist blanke Naivität, wenn jemand "pro DNS-Tests" ist, weil "man ja nichts befürchten hat, wenn man sich an die Gesetze hält" und ein braver Bürger bleibt.Wer das meint, der wird schlagartig eines Besseren belehrt werden, sobald in seiner näheren Umgebung ein Mord geschieht, und alle (meistens) Männer zu einem "freiwlligen Massen-Gen- Test" eingeladen werden. Wer nämlich daran nicht teilnimmt, gerät automatisch in den Kreis der Verdächtigen, und es wird ermittelt: Im Freundes- und Bekanntenkreis und am Arbeitsplatz. Ein unbescholtener Bürger gerät auf diese Weise in polizeiliche Ermittlungen, weil er ein reines Gewissen hat! Und weil er ein Grundrecht wahrgenommen hat. Und er wird sich wundern, wenn ein Freund oder Arbeitskollege ihn darüber informiert: "Du, gestern war die Kripo bei mir und hat mich nach Dir befragt. Gegen Dich wird ermittelt?". Die Kripo fragt den Betroffenen nicht, ob er damit einverstanden ist. So viel zum Märchen der "Unschuldsvermutung".

Diese gewisse Naivität ist weiter verbreitet als man es eigentlich glauben will. Zum Beispiel fällt kaum jemandem auf, wie viele Kameras in unseren Innenstädten installiert sind, und wie es allmählich immer mehr werden. Dazu hört man Kommentare, wie: "Ich finde das gut, weil das meinem Schutz dient". Ein interessantes Argument. Natürlich kann man darüber diskutieren, inwieweit eine Kamera abschreckend auf potenzielle Gewalttäter (also: schützend) wirkt. Dann sollte man jedoch ebenfalls darüber diskutieren, dass ein Polizeibeamter dieselbe Wirkung entfaltet. Mit dem entscheidenden Unterschied: Ein Polizist kann im Fall der Fälle ... eingreifen. Eine Kamera dagegen nicht.
Dennoch werden deutlich mehr Kameras installiert als Polizeibeamte eingestellt. Was das wohl für einen Grund haben mag. Natürlich: Die Installations- und Wartungskosten sind auf lange Sicht sehr viel geringer als die Kosten, die ein Polizeibeamter verursacht (Gehalt, Sozialaufwendungen, Pension etc). Und damit sind wir wieder bei der ... Effizienz (siehe oben): Die Effizienz ist wichtiger als der Schutz des Bürgers und sein Leib und Leben. Es entscheiden Kosten und Kalkulation darüber, dass Kameras installiert werden, die ein Verbrechen nur beobachten und aufzeichnen können - statt Polizeibeamte einzustellen, die die selben Verbrechen womöglich durch sofortiges Eingreifen verhindern könnten.

Nun gut: Man stelle sich vor, es würden sich auf den Straßen ebenso viele Polizisten befinden, wie Kameras installiert sind. Das Erscheinungsbild unserer Städte würde einem Polizeistaat gleichen. Kleine Kameras, die in irgendwelchen Ecken und an irgendwelchen Masten installiert sind, sind da natürlich weit weniger auffällig. Eben. So soll es sein.
Nahezu unmerklich (und: unmerklich zunehmend) werden wir beobachtet und auf Band aufgezeichnet. Unauffällig und ungefragt: In Banken, Postämtern, an Tankstellen, auf Bahnhöfen und Parkplätzen. Unauffällig, unmerklich, überall, ungefragt.

Zudem: Seit Beginn dieses Jahres ist das Lkw-Maut-System von "Toll Collect" in Betrieb. Das war eine schwere Geburt. Und so manch einer hat sich gefragt, warum unser Verkehrsminister trotz aller Peinlichkeiten an genau diesem System festhielt.Manch einer hat sich gefragt, warum es unbedingt ein derart kompliziertes, elektronisches, satelliten-gestütztes System sein muss - und nicht ein bedeutend einfacheres und preiswerteres (z.B. Vignetten-)System wie in Österreich etwa. Nein: Es ging bei dieser Aktion nicht darum, mit einer "Innovation" die deutsche Ingenieurkunst unter Beweis zu stellen. Und es ging auch nicht darum, "umweltpolitische Akzente zu setzen", wie es auf der Homepage von "Toll Collect" heißt, indem die Zahl der Achsen von Lkw in die Berechnung einbezogen wird.

Die Maut-Brücken sind mit Infrarot-Kameras ausgestattet, die zunächst jedes einzelne Fahrzeug scannen und 3-dimensional erfassen, und anschließend das Kennzeichen jedes einzelnen Fahrzeuges ins Visier nehmen(!). Es dürfte einleuchten, dass die zu erfassende, zu transportierende und zu verarbeitende Datenmenge e-n-o-r-m ist. Und genau das war das Problem, das dieses System fast zum Scheitern gebracht hätte. Und genau das ist gleichzeitig der Grund, warum an diesem System trotz aller Peinlichkeiten bis zuletzt festgehalten wurde:
Die Möglichkeit, jedes einzelne Fahrzeug zu scannen und dessen Kennzeichen zu erfassen - ob Lkw oder Pkw.Stichwort: "Bewegungsprofil". Der Bürger wird an jeder zweiten Straßenecke von Kameras erfasst. Neuerdings auch auf der Autobahn, wo zusätzlich das Kennzeichen gescannt wird. Jeder Euro, den man sich am Automaten auszahlen lässt, wird datentechnisch erfasst: Wieviel Geld an welchem Automaten zu welcher Uhrzeit. Wer ein Mobiltelefon ("Handy") besitzt, der kann mit einer Genauigkeit von 50 bis 800 Metern jederzeit geortet werden, je nach Dichte der Sendeanlagen.

Natürlich, natürlich: Es gibt so etwas wie "Datenschutz", der vorschreibt, dass diverse Daten nicht oder nicht länger als im Einzelfall notwendig gespeichert werden dürfen. Jedes Telefonat, das Sie führen, wird von Ihrer Telefongesellschaft in eine zentrale Datenstelle nach Mannheim geleitet und dort 3 Monate lang gespeichert - ob Festnetz oder Mobil-Telefonat ist dabei unerheblich. Auf Anfrage werden Sie von Ihrer Telefongesellschaft die Auskunft bekommen, dass das gesetzliche Vorschrift sei. Jedoch geht es auch hierbei mitnichten um den "Schutz des Bürgers", respektive "Verbraucherschutz" - auch wenn gerne darauf hingewiesen wird, dass die 3-monatige Speicherung es ermöglicht, etwaige Reklamationen leichter zu bearbeiten. Sondern es geht darum, dass im Falle von Straftaten exact rekonstruiert werden kann, wer wann mit wem wie lange telefoniert hat. Der unbescholtene Bürger als "potenzieller Straftäter"(?) ... der (natürlich: "rein sicherheitshalber präventiv") an jeder zweiten Straßenecke gefilmt wird, dessen Bewegungsprofile und Telefonate gespeichert werden, der auf 50 bis 800 Meter genau lokalisiert werden kann ... der neuerdings (vorerst nur) auf dem Frankfurter Flughafen per Netzhaut-Scan(!) quasi "im Vorbeigehen" identifiziert werden kann ... der demnächst (vorerst nur) seine Fingerabdrücke abgeben darf, weil zukünftig jeder Personalausweis damit ausgestattet sein wird.

Der unbescholtene Bürger als "potenzieller Straftäter" ... das muss nicht in dieser aktuellen DNS-Debatte ausdiskutiert werden ... das ist bereits Realität. Insofern ist die Erfassung der genetischen und so genannten "biometrischen Daten" jedes(!) einzelnen(!) Bürgers eine Pseudo-Diskussion. Denn es ist zweitrangig, dafür einen Kompromiss zu finden - es wäre sinnvoller, diese Diskussion zu nutzen, um sich mit dem Gesamtproblem zu beschäftigen.

Dienstag, 11. Januar 2005

Die Tsunami-Welle

Der Begriff "Tsunami" stammt aus dem Japanischen und heißt zu Deutsch "Hafenwelle", wird aus Gründen der Dramatisierung allerdings auch gern "Monsterwelle" genannt. Der kürzliche, verheerende Tsunami in Ostasien hat dafür gesorgt, dass dieses Naturphänomen zurzeit im Mittelpunkt der Medienberichterstattung steht.
Wichtiger Hinweis vorab: Wie Sie wissen, denke ich "anders". Weshalb ich im Folgenden wieder einmal die "Gefahr" eingehe, gehörig missverstanden zu werden. Ich weise explizit darauf hin: Wer womöglich zu der Meinung gelangen sollte, mir wäre das Schicksal der Betroffenen "egal" (o.ä.), der kann sicher sein, mich missverstanden zu haben.

An Weihnachten hat also ein Seebeben eine Menge Wasser in Bewegung gebracht. Mit ein wenig Hintergrundwissen weiß man, dass ein Tsunami u.a. erst bei einem Beben der Mindeststärke 7 auf der Richterskala ausgelöst wird, eine Wellenhöhe von mehr als 100 Metern erzeugen und eine Geschwindigkeit von über 700 km/h erreichen kann, errechnet aus der Wurzel des Produktes von Wassertiefe mal Erdbeschleunigung. Der kürzliche Tsunami in Ostasien hat nach Medienberichten womöglich bis zu 150.000 Menschen das Leben gekostet und die Existenzgrundlage etlicher Überlebender zerstört, vor allem in Thailand, Indien, auf Sri Lanka und Sumatra.
Wie Sie sich womöglich erinnern, stieg die Angabe der Zahl von Toten nahezu stündlich: Zunächst waren es "mindestens 1.000 Menschen", dann 2.000, 4.000, 10.000, 26.000, am Ende des letzten Jahres 130.000, und inzwischen laut Schätzungen nunmehr "womöglich bis zu 150.000". Nun stelle ich mir die Frage: Im Gegensatz zu den ebenfalls von Tsunamis bedrohten Staaten USA und Japan, waren die nun betroffenen ostasiatischen Länder bisher nicht in der Lage, ein elektronisches Tsunami-Warnsystem aufzubauen...
...scheinen jedoch ein nahezu perfektes datentechnisches Einwohnermelde-Register zu besitzen(?).Wie sonst wäre es möglich, die Zahl der Toten so schnell zu ermitteln? Diese Frage ist natürlich rhetorisch. Denn weder besitzen diese Länder ein Einwohnermelderegister, wie wir es in Deutschland kennen, noch kennt man die Zahl der getöteten Menschen. Es handelt sich um reine Schätzungen. Und genau hier lohnt es sich bereits zum ersten Mal, die nun aus dem Eindruck der Katastrophe entstandene (natürlich: berechtigte) allgemeine, emotionale Aufregung und die sich überschlagenden Medien-Meldungen ein wenig rationeller zu hinterfragen.

Schauen wir also ein wenig genauer hin: Eine Meldung von "schätzungsweise bis zu 150.000 Toten" ist natürlich erschreckend. Und das s-o-l-l eine solche Meldung nun einmal auch sein: Mit derartigen Schlagzeilen und den dazugehörigen Bildern lassen sich nicht nur Zeitungen besser verkaufen. Wie sagte noch gestern Abend ein Journalist: "Bad News Are Good News".Und ein Verantwortlicher des US-Nachrichtensenders CNN war sogar "stolz" die "Wichtigkeit dieser Katastrophe vom ersten Moment an erkannt zu haben" und bezeichnete das Ganze auch noch als "großartigen Erfolg". Das ist eben das Business. Und wer sich bereits etwas intensiver mit Mr. Neil Postman beschäftigt hat, der weiß, dass auch Fernsehsender gerne zu Dramatisierungen aller Art greifen: Nachrichten- und Sonder- Sendungen brauchen gute Einschaltquoten. Nicht zuletzt deshalb sind die Reporter vor Ort auf der makaberen Jagd nach diversen Amateurvideos - je dramatischer die Meldungen und Bilder, desto "besser". Ich persönlich hege deshalb auch arge Zweifel an dieser(!) Zahl von getöteten Menschen. Ich halte es durchaus für möglich, dass die Zahl der Toten weitaus geringer ist, ohne (natürlich) damit irgendetwas "beschönigen" zu wollen.
Und kaum, dass ich das gerade in mein Tagebuch notiert habe, kommt folgende Meldung über die Ticker: "Auf Grund einer schlechten Funkverbindung soll es zu falschen Angaben über Opferzahlen in Indonesien gekommen sein. Zuerst wurde die Zahl um 20.000 erhöht, dann jedoch wieder zurückgenommen". Diese enorme Dramatik der Schreckensmeldungen durchzieht im Augenblick(!) (noch) sämtliche Medien und Kanäle, und wird auf diese Weise den Menschen in ihr Bewusstsein gehämmert. Auch das ist natürlich nicht "falsch". Doch auch das hat durchaus bemerkenswerte ( = "Wert, bemerkt zu werden") Nebeneffekte:

Konjunkturflaute, Arbeitslosenzahlen, Hartz IV und Lkw-Maut? Wen interessiert das noch? Die Aufmerksamkeit ist abgelenkt. Was sagte diese Frau, die irgendwo auf der Einkaufsstraße von einem Reporter zu der Tsunami-Katastrophe befragt wurde: "Wenn man solche Meldungen hört und die Bilder im Fernsehen sieht, merkt man erst, wie gut es uns in Deutschland geht". Aha? Sieh an. Abgesehen davon, wie recht diese Frau hat: Es bleibt abzuwarten, ob sich die Menschen daran erinnern werden, "wie gut es uns in Deutschland geht", wenn die nächsten Reformen und Einschnitte angekündigt werden. Denn schließlich: "PISA, Arbeitslose und Haushaltslöcher hin oder her: Seht, wie gut es uns doch geht". Ich stelle fest, dass - völlig unabhängig vom Leid und Elend im betroffenen Gebiet - zurzeit gerade eine allgemeine Verblendung stattfindet, die sich nicht zuletzt auch auf die Spendenbereitschaft der Deutschen auswirkt: Natürlich ist das alles andere als "falsch", die Betroffenen unterstützen zu wollen. Jedoch:
Leicht stutzig gemacht (wenn auch nicht wirklich gewundert) hat mich eine Äußerung des Sprechers des Deutschen Roten Kreuzes: "Nein, die Leute sollen bitte keine Sachspenden leisten, sondern nur Geld spenden". Aha. Auf die Frage, wie das Deutsche Rote Kreuz etwa in Thailand Hilfe leistet, antwortete der Sprecher: "Wir helfen dort vor allem erst einmal mit Decken und Zelten". Aha. Man soll also Geld spenden. Sonst nichts. Wenn ich alle meine Wolldecken und Zelte zur Verfügung stellen möchte: Nein, danke. Auch meine persönliche Arbeitskraft ist nicht gefragt.

Es wird der Eindruck vermittelt: "Geld hilft am besten". Und: "Je mehr Geld, desto besser". Aha.Irgendein Moderator irgendeines Dritten Fernsehprogrammes hat in einer der unzähligen Spendenshows doch tatsächlich gesagt: "Hier rufen Leute an, die danach fragen, ob es nicht auch die Möglichkeit gäbe, selbst vor Ort Hilfe zu leisten statt Geld zu spenden", und meinte darauf "Das ist natürlich Unsinn, weil man den Helfern dort nur im Weg stehen würde". Eine interessante Begründung. Ob man das den betroffenen Einwohnern, die ihr restliches Hab und Gut zusammensammeln und ihr Häuschen wieder aufbauen wollen, wohl auch sagt: "Leute, wir würden euch gern helfen, aber ihr steht uns nur im Weg"? Der Eindruck, der hier wie dort in aller Penetranz vermittelt wird, ist: "Geld hilft am besten" und "Je mehr Geld, desto besser".

Der Eindruck, der vermittelt wird, ist: "Mit (genügend) Geld sind alle Probleme lösbar".Dieser Eindruck ist natürlich falsch. Und dieser falsche Eindruck wird permanent über alle möglichen Kanäle erzeugt. Und dieser ohnehin bereits falsche Eindruck wird noch falscher, wenn sich unser Außenminister Joschka Fischer vor die Presse stellt, und verkündet: "Die deutsche Hilfe von 500 Millionen Euro soll nicht nur den Tsunami-Opfern helfen, sondern auch dazu beitragen, die dortigen Krisenregionen zu befrieden". Aha. Herr Fischer sprach von Sri Lanka und Sumatra, wo seit Jahrzehnten Bürgerkriege herrschen.
Siehe oben: "Mit genügend Geld sind alle Probleme lösbar". Und jetzt lassen sich offenbar sogar Kriege verhindern und/oder auflösen, indem man einige Millionen Euro überweist. So einfach ist das. Nein. So "einfach" ist das natürlich nicht. Das weiß im Grunde jeder. Aber wer will "im Angesicht dieser Katastrophe" schon kritisch nachfragen? Eben. Weshalb sich das allgemeine Bewusstsein auch auf die Spendenbereitschaft konzentriert und auf sonst nichts. Und das ist falsch. Mir ist bewusst, dass die Menschen helfen wollen. Und das ist auch gut so. Und ganz sicher ist jeder Euro hilfreich, um in den vom Tsunami betroffenen Gebieten Hilfe zu leisten. Es ist jedoch definitiv falsch zu meinen, dass "nur genügend Geld gesammelt" werden muss, um sämtliche Probleme lösen zu können.

Es wird noch etwas völlig anderes gebraucht als Geld, über das in den Medien kein Wort verloren wird, und an das kaum jemand überhaupt einen einzigen Gedanken zu verschwenden scheint: Ein Umdenken nämlich. Sagen wir einmal so: Was passiert eigentlich mit dem Geld?
Natürlich: Es wird immer wieder sehr schön betont, dass jeder gespendete Euro "auch ankommt" (eine Betonung, die bereits verdächtig genug ist). Doch eben: Was passiert eigentlich mit jedem Euro, der "auch ankommt"? Zunächst einmal werden die Touristen-Zentren und die dazugehörige Infrastruktur wieder aufgebaut. Jedoch:
Wer sich ein wenig auskennt, der weiß, dass um diese Touristen-Zentren herum gewaltige Armuts- und Elendsgebiete lagen: Menschen, die in Holz- und Lehmhütten lebten. Was wird hier nun passieren? Mit dem ganzen Geld? Was wird passieren? Bekommen die Menschen ihre Armutsgebiete zurück? Baut man ihnen die Holz- und Lehmhütten wieder auf? Oder nutzt man das Geld, um den Armen nun endlich ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen? Diese Frage ist rhetorisch. Denn das, was passieren wird, ist der Wiederaufbau der Touristen-Zentren, inklusive der Hotel- Anlagen. Die, die bisher arm waren und in Holz- und Lehmhütten hausen mussten, werden weiterhin arm bleiben und sich wieder neue Hütten bauen müssen. Und das ist extrem bedenklich. Anders formuliert: Das w-ä-r-e extrem bedenklich. Doch offenkundig ist es nicht erwünscht, darüber nachzudenken. Ansonsten sähen sowohl die Berichte in den Medien als auch die Politikeräußerungen anders aus. Und d-a-s-s das nicht erwünscht ist, sondern die Menschen mit dem Eindruck ge- und verblendet werden, "mit (genügend) Geld sind alle Probleme lösbar", ist noch weitaus bedenklicher.