Freitag, 17. November 2017

undefiniert unterrichtet

Wenn Sie irgendetwas dachten, von dem Sie dachten, dass Sie es wüssten, könnten Sie eventuell ziemlich falsch gedacht haben. So einiges ist nämlich vor allem eine Definitionsfrage. Und da muss man sich schon einmal – wenn nicht eines besseren – mindestens eines anderen belehren lassen, um anschließend noch dümmer dazustehen als vorher.

Wir kennen das seit Jahrzehnten etwa von der Arbeitslosenstatistik. Wer nun genau in welchem Fall tatsächlich als „arbeitslos“ gilt oder nicht, hat längst nur noch in Ausnahmefällen damit zu tun, ob derjenige tatsächlich arbeitslos ist. Die Definition wurde über Jahrzehnte permanent immer wieder so weichgespült, dass inzwischen fast Vollbeschäftigung herrscht.

Dasselbe u.v.a. auch in der Kriminalitätsstatistik. Wie viele Straftäter in Deutschland ihr Unwesen treiben, wie viele Straftaten begangen werden, und wie hoch die Aufklärungsrate ist, hängt vor allem davon ab, wie man das jeweils überhaupt definiert. Wenn beispielsweise für eine Serie von 64 Wohnungseinbrüchen 1(!) Verdächtiger ermittelt wird, dann gilt hier nicht 1(!) Fall als aufgeklärt, sondern gleich 64(!) auf einen Schlag. Und das sogar in dem Fall, dass sich der Verdächtige am Ende als völlig unschuldig herausstellt.

Ganz aktuell findet so etwas jetzt gerade im Bildungsbereich statt. Und zwar in Nordrhein-Westfalen. Da hatte vor kurzem die FDP im Wahlkampf nichts Geringeres als „die beste Bildung der Welt“ für NRW versprochen. Also: nicht Deutschlands, nicht Europas, sondern „die beste Bildung der Welt“. Das war mal eine Ansage. Doch Sie ahnen es… auch das ist natürlich eine Definitionsfrage. Das fängt schon bei Detailfragen an…

So meinte kürzlich die neue NRW-Schul- und Bildungsministerin, Yvonne Gebauer, von der FDP, zum Problem des Lehrermangels und Unterrichtsausfalls: „Ja, wir müssen natürlich schauen: Was definieren wir unter Unterrichtsausfall? Also, ähm, ist es Unterrichtsausfall nur dann, wenn wir die Schülerinnen und Schüler tatsächlich sich selbst überlassen, wenn da fachfremd unterrichtet wird, ähm, oder dann nur, wenn entsprechend die Kinder nach Hause geschickt werden, all das, ähm, ist jetzt in der Bearbeitung, tatsächlich wie definieren wir den Unterrichtsausfall, um dann nachher auch gezielt und, ähm, konkret dagegen vorgehen zu können.

Tja. Da wird einem von der Politik demonstriert, wie dumm und naiv man selbst eigentlich ist. Da dachte man doch tatsächlich, ein Unterrichtsausfall ist, wenn Unterricht ausfällt. Und das dachte man einfach so. Seit Wilhelm von Humboldt und seinem „Königsberger Schulpan“, seit 1810. Doch Gott sei Dank hat die FDP das Problem endlich erkannt und ist laut Frau Gebauer nun „in Bearbeitung“.

Das lässt einiges erwarten. Schon in wenigen Monaten wird es in NRW kaum noch Unterrichtsausfälle geben. Schlicht und einfach: wegdefiniert. Das ist zumindest eines: zeitgemäß. Probleme müssen heute nicht mehr aufwändig gelöst werden, man kann sie einfach wegdefinieren.