Freitag, 20. März 2015

farblich versprochen

Wenn man sich nun seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Denken und Verhalten beschäftigt, kommt einem in dieser Zeit natürlich etliches vor die Augen, das fachlich damit zusammenhängt. So einiges davon ist grober Unfug. Doch gerade auf diesen Quatsch stößt man immer wieder, in Funk und Fernsehen, Büchern und Websites. Das sind die besten Voraussetzungen dafür, dass blanker Unsinn zur Allgemeinbildung wird.

Ein Paradebeispiel für dieses Phänomen ist der „rosa Elefant“. Mit fast schon mystischer Qualität wird man seit -zig Jahren aufgefordert „Denken Sie jetzt bitte nicht an einen rosa Elefanten“, mit der zwanghaft darauf folgenden Erklärung, man hätte „trotzdem“ doch prompt dieses farbige Rüsseltier vor Augen. Und das, obwohl man explizit gebeten wurde, nicht daran zu denken. Der Grund dafür sei – ganz trend- und zeitgemäß – natürlich „das Gehirn“, das das Wort „nicht“ unterschlagen würde.

Allerdings müsste es schon leicht verwundern, dass man dieses bildhafte Beispiel problemlos verstehen kann – obwohl es darin von „nicht“ nur so wimmelt. Das Ganze lebt schlicht von der Beeindruckung. Der Effekt scheint so spektakulär, dass man auch die Erklärung dazu glaubt. Tatsächlich kennt man dasselbe seit etlichen Jahren von David Copperfield, der – nur umgekehrt und wortlos, dafür gestenreich und mit Musik – nichts auftauchen, sondern verschwinden lässt, nämlich ganze Eisenbahnwaggons. Das Spektakuläre resultiert aus erfolgreicher Ablenkung.

Das mit dem fachlichen Spektakel begann in unseren Breitengraden vor etwas mehr als zwanzig Jahren mit dem holländischen Motivationstrainer Emil Ratelband, der barfüßige Menschen über zehn Meter glühende Kohlen jagte, abschließend ausrufend „Tsjakkaa!“ (sprich: „tschacka“). Heute fühlen sich Berater und Trainer gezwungen, ihr Haupthaar senkrecht in die Höhe zu toupieren oder ein breites, knalliges Stirnband zu tragen. Dem Spektakel wegen. Das ist irgendwie so wahnsinnig „anders“.

Im Falle des rosa Elefanten jedenfalls besteht die trickige Ablenkung darin, dass es eben nicht „das Gehirn“ ist, das irgendwelche Worte unterschlagen würde, sondern der Knackpunkt liegt in den Worten an sich, in der Sprache. Leider jedoch ist das nun einmal ein vergleichsweise ziemlich unspektakuläres Thema. Und so greift man zu der Binsenweisheit „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ und verweist auf das trendige Modethema Gehirn.

Tatsächlich jedoch verpufft das Ganze schon im Ansatz, wenn man dazu auffordert, bitte nicht an den Andromedanebel zu denken oder an das Hebb’sche Neuron. In der Regel passiert dann vor dem geistigen Auge relativ wenig bis gar nichts, trotz aktivem Gehirn. Es hängt eben (unter anderem) davon ab, was man in seinem Hinterkopf vorrätig hat, ob und wie man darauf angesprochen wird, und ob und wie jemand in der Lage ist, Zusammenhänge zu bilden.

Eine Reaktion ist niemals nur eine bloße Frage der vorherigen Aktion, keine simple Verbindung von Ursache und Wirkung, auch nicht im Falle von rosa Elefanten, und schon gar nicht, indem man mit wachsender Begeisterung ständig auf „das Gehirn“ verweist. Und wenn es das nicht ist, sind es wahlweise „die Psyche“ oder „die Gene“ oder alles das zusammen. Man kann es nicht mehr hören.