In unserer
Zeit sind offenbar Talkrunden im Fernsehen nötig, um die Weltlage schonungslos
öffentlich zu klären. Dabei scheint zur Dramaturgie unverzichtbar dazu zu
gehören, die Zuschauer in irgendein gedankliches Bedrohungsszenario zu
versetzen und am Ende verunsichert darin sitzen zu lassen.
Diese Kurve
muss man erst einmal kriegen: Im TV-Talk „Lanz“ im ZDF wurde über Donald Trump
im Allgemeinen geplaudert; und mittendrin unversehens auf das sehr spezielle
Thema „Big Data“ umgeschwenkt. Immerhin wurde einem dadurch klar, warum
eigentlich auch Ranga Yogeshwar in der Runde saß.
Trumps
Wahlkampf hätte sich schließlich durch eine enorme Sammlung und Auswertung von
Daten aller Art, also „Big Data“, ausgezeichnet – als ob das bei anderen
heutigen Wahlkämpfen und anderen Kandidaten wesentlich anders wäre. Doch das
war jedenfalls die thematische Kurve, die eigens für Yogeshwar gebogen wurde, um
ungebremst hinein zu brettern.
„Jeder von
uns bewegt sich in Sozialen Netzwerken, jeder von uns hinterlässt so seine
Spuren“, erklärte der TV-Wissenschaftler, etwa durch „Gefällt-mir“-Klicks, „und
jedes Mal, wenn man das tut“, so Yogeshwar, „offenbart man ein Stück von sich
selbst“ und „wenn man alle diese Daten miteinander verbindet“, entstehe „ein sehr
interessantes Profil einer Person“.
„Interessant“.
Natürlich. Mindestens so interessant wie der Gedanke, man könne anhand solcher
Profile auch die Aliens ausfindig machen, die unerkannt mitten unter uns leben.
Ungefähr aus solchen Sphären heraus erklärt Yogeshwar dann: „Man kommt, je mehr
Daten man sammelt, zu einem immer genaueren Bild […] Im nächsten Schritt kann
ich vorhersagen, was diese Person tut“.
Dummerweise wollte
der Experte an dieser Stelle unbedingt eine Parallele zur Erfindung der
„Schleyer-Fahndung“ in den 1970er Jahren ziehen. Im Erinnerungsverlust, dass die
damalige Aktion vollständig in die Hose ging. Ebenso wie die Terroranschläge in
Paris Ende 2015 nicht verhindert werden konnten, „trotz“ Unmengen zuvor
gesammelter Daten. Und ganz frisch im Kopf müssten eigentlich noch die beiden
Umfragedesaster vor dem „Brexit“ und der US-Wahl sein.
Der Punkt
ist: In einer Unmenge von Zahlen und Daten geht man ruckzuck des Überblicks
verlustig. Wissenschaftlich nennt man das „Unschärfe“. Und zumindest ein
Wissenschaftler wie Ranga Yogeshwar sollte das wissen und die Unschärferelation
kennen: „Mehr Information führt nicht zu mehr Klarheit, sondern im Gegenteil zu
mehr Unklarheit“.
Alternativ darf
man sich auch an Prof. Gerd Gigerenzer orientieren, der sich mit
Risikokompetenz beschäftigt: „„Je komplexer die Situation ist, desto einfacher
müssen die Vorhersagemethoden sein, weil man sonst irrelevante Informationen
heranzieht“. In der Statistik nennt man diese Unschärfe „overfitting“.
Doch solche
Relativierungen sind offenbar nicht erwünscht. Bei freier Wahl bevorzugt man doch
lieber, den Menschen nur die Hälfte zu erzählen und Horrorszenarien zu creieren
– mit tatkräftiger Hilfe eines Physikers, der inzwischen für nahezu sämtliche
Themen für kompetent gehalten wird.