Mittwoch, 31. Oktober 2007

Stoiber Reloaded

An dieser Stelle möchte ich mich bei der Redaktion von "Frontal21" des ZDF ganz recht herzlich für den Ausschnitt aus der Rede von Kurt Beck auf dem kürzlichen Parteitag der SPD bedanken. Mit breitem Kreuz und aus ganz offensichtlich tiefster Überzeugung meinte der alte und neue Vorsitzende der ehemaligen Volkspartei folgendes (übrigens: wörtlich).
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"Einige verbale Bekundungen, die dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Realitäten des Arbeitens heute in der großen Koalition, und die Realitäten, wie sie eintreten, wären andere Mehrheiten zustandegekommen, in die, mit der Sozialdemokratie, dass diese Realitäten anders wären, als diese wohlmeinenden, das will ich unterstellen, und wohlklingenden, worden."
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Nicht wahr. Und da hatte man schon Befürchtungen, nach dem Abschied Edmund Stoibers müssten wir in Zukunft auf rhetorische Salti dieser Art verzichten. Da denke ich wieder einmal in einiger Wehmut zurück an Schröder'sche Fähigkeiten eines kurzen und bündigen "Wir machen das".

Freitag, 19. Oktober 2007

Es lebe der kleine Unterschied

Russlands Präsident Putin hat einige Gemüter erregt. Unter anderem durch seine Ankündigung, bis zum Jahr 2015 "eine Raketentechnologie zu entwickeln, einschließlich vollkommen neuer nuklearstrategischer Systeme, vollkommen neu". Eine Ankündigung, die als Drohung interpretiert wurde und wird. Unter anderem wegen Putins "eiskalter Miene" und seiner "martialischen Sprache". Das Ganze in den Medien deklariert als "Großmachtfantasie" und "Antiamerikanismus". Lassen wir das erst einmal so stehen.
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Sechs Tage vorher wurde berichtet, das Pentagon (also: der Sitz des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums) habe der dortigen Regierung empfohlen, in gewaltige Satelliten mit kilometergroßen Sonnensegeln zu investieren, die Sonnenlicht einfangen, in Energie umwandeln, und in Form von Mikrowellen oder als Laserstrahl auf die Erde schicken.
Diese Technik soll mehr Energie erzeugen können als mit fossilen Brennstoffen, Wind- und Atomkraft zusammen möglich wäre, und die Abhängigkeit vom Öl verringern. Das klingt nach ökologisch-sinnvollem Charakter.
Jedoch: Die Realisierung stieß nicht etwa das US-Umweltministerium an, sondern eben das Pentagon. Ganz nebenbei nämlich lassen sich auch Truppen in entlegenen Gebieten auf diese Weise wunderbar mit Energie versorgen, ohne von Nachschub abhängig zu sein. Und ganz nebenbei lassen sich Mikrowellen und gebündelte Laserstrahlen auch als Waffe einsetzen - per Knopfdruck, und ohne jeden klassischen Militäreinsatz, sozusagen: hocheffizient.
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Diese vom Pentagon nun zur Realisierung angestoßenen Pläne werden - im Gegensatz zu Putins Plänen - erstaunlicherweise als "Entwicklung", als "Projekt" und als "Möglichkeit" bezeichnet, und weder als "Drohung", noch als "antirussisch" oder als "Großmachtfantasie". Es lebe der kleine Unterschied. Manchmal besteht er lediglich darin, wie etwas verkauft wird.

Mittwoch, 17. Oktober 2007

Genau genommen: sinnlos.

Stellen Sie sich doch zwischendurch einmal vor, sie wären fünf Jahre alt. Oder sechs. Irgendetwas um diesen Dreh herum. Es klingelt das Mobiltelefon eines Familienangehörigen und man sagt Ihnen: "Nimm doch 'mal bitte (den Hörer) ab". Und falls es sich bei dem Anrufer wieder um diesen lästigen Börsenmakler handelt: "Leg' einfach auf". Vielleicht würden Sie sich heute als Fünf- oder Sechsjährige(r) ein paar Fragen stellen. Zum Beispiel: Auflegen? Worauf legt man ein mobiles Telefon? Ähnliche Fragen könnten auftauchen, wenn eine bestimmte Szene in einem Spielfilm auf DVD so gähnend langweilig ist, dass man sie getrost überspringen kann: "Spul' doch bitte einmal vor". Zurückspulen, vorspulen. Eine DVD? Das ist heute ebenso seltsam, wie das simple "Geld abheben". Beispielsweise am Geldautomaten, der eigentlich ein Geld-Auswurf-Automat ist. Noch simpler: "Schalt' doch 'mal das Licht ein". Woran erkennt man bloß, ob Licht eingeschaltet ist? Noch seltsamer: wenn Licht sogar brennt.

Montag, 15. Oktober 2007

"IM Lukas"

Was wurde und werden heute noch immer gern die Deutsche Demokratische Republik, die dortige Blockwart-Mentalität und deren "Informelle Mitarbeiter" ("IM") als Paradebeispiele für die Unterdrückung, den instrumentellen Missbrauch und die Unfreiheit eines ganzen Volkes angeprangert. Das ist Feststellung Nummer eins.
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Am Freitag wurde bekannt, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hätte einen Gesetzentwurf gebastelt, wonach Minderjährige demnächst als "Testkäufer" die Kontrollbehörden unterstützen können dürfen sollen, um den illegalen Verkauf von Alkohol, Zigaretten und Gewaltvideos effektiver aufdecken und ahnden zu können. Das ist Feststellung Nummer zwei.
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Ich persönlich sehe beim besten Willen nicht besonders viel Unterschied zwischen einem "IM" der DDR und dem kleinen Lukas, der von irgendwelchen Kontrollbehörden benutzt wird, um Gesetzesverstöße aufzudecken. Außer: Einem erwachsenen Bürger der DDR konnte man sehr wohl unterstellen, dass er sich bewusst war, was er tut. Minderjährige sind sich das nicht, weshalb sie vom Gesetz auch unter besonderem Schutz gestellt sind. Darf das dem "guten Zweck" zuliebe neuerdings unterschlagen werden? Von einer Ministerin? Von der Ministerin (u.a.) "für Jugend"? Heiligt der Zweck das Mittel? Es wäre nicht das erste Mal. Und was unterscheidet das Ganze wiederum von Kinderarbeit in Asien: Das Produkt? Der Arbeitgeber?
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So wird der kleine Lukas jedenfalls demnächst stolz sein, "im Regierungsauftrag verdeckt zu ermitteln". Wie ein Großer. Das kennt er aus dem Fernsehen. Und wenn er irgendwann erst einmal volljährig ist, wird er wissen, wie man seine Mitmenschen auf ihr Fehlverhalten aufmerksam macht. Nämlich: gar nicht. Sondern man spiegelt erst einmal falsche Tatsachen vor und bläst es dann hinterrücks zu einer Straftat auf. Und umgekehrt: Der kleine Lukas wird sich seinen Mitmenschen gegenüber entsprechend verhalten. Immer im Hinterkopf, er könnte es mit einem "IM" zu tun haben. Das prägt. Nicht nur den kleinen Lukas. Sondern eine ganze zukünftige Gesellschaft. Mit sofortiger Wirkung.

Freitag, 12. Oktober 2007

Beweis-Entwicklung

Ein Forschungsdurchbruch jagt den anderen. Ein anderes Forscher-Team - diesmal Erez Lieberman von der Harvard University und seine Kollegen - hat nicht nur entdeckt und herausgefunden und erklärt, sondern konnte sogar beweisen, dass in der Sprach-Entwicklung (also: in der Entwicklung der menschlichen Sprache) die gleichen Gesetze herrschen, wie in der Entwicklung der Organismen (also: in der Biologie). Auch das: kaum zu fassen. Sprache ist demnach also etwas biologisches. So lange das nicht schlussendlich bewiesen war, dachte ich immer, etwas zutiefst menschliches hätte ganz zwangsläufig irgendwie auch irgendetwas mit Biologie zu tun. Andererseits... was dachten diese Forscher eigentlich bisher, was Sprache ist, wenn nicht etwas biologisches? So etwas wie ein Dosenöffner, den man gefunden und aufgehoben und in der Westentasche deponiert hat? Vielleich beschäftigt sich momentan und parallel ein ganz anderes Forscher-Team damit herauszufinden und zu beweisen, wie eigentlich Beweise entwickelt werden. Am Ende stellt sich noch heraus und wird de facto bewiesen, dass der Mensch selbst sogar etwas mit Biologie zu tun hat. Das wäre wohl der wissenschaftliche Durchbruch schlechthin.

geräderte Anpassung

Na, endlich. Jetzt wissen wir es. Auch mir selbst hat es jahrzehntelang keine Ruhe gelassen, tagtäglich zermarterte ich mir das Hirn. Doch nun hat ein internationales Forscher-Team - Dirk Hincha vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam, gemeinsam mit Forschern aus Cambridge und Angers - endlich den Durchbruch geschafft und herausgefunden, wie sich Rädertierchen seit Millionen von Jahren trotz ungeschlechtlicher Vermehrung an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen. Nämlich dadurch, indem Varianten eines Gens unterschiedliche Entwicklungswege einschlagen. Ist das zu fassen. Nun gut... es scheint offenbar noch immer ungeklärt zu sein, warum Varianten eines Gens das tun (ansonsten hätte das internationale Forscher-Team diese Erklärung sehr sicher gleich mitgeliefert), und warum irgendwelche Gene überhaupt Varianten bilden. Wir können jedoch beruhigt sein. Die Forschung wird auch das noch erforschen und als nächsten Durchbruch feiern. Was immer wir mit diesen Erkenntnissen auch anfangen sollen - oder anfangen zu können glauben.

Montag, 8. Oktober 2007

Klimakuchen. Wohl bekomm´s.

Einer heutigen Meldung zufolge hat der Klimawandel auch etwas Positives. Nämlich immerhin für die deutsche Wirtschaft. Und damit also auch: für Sie und mich und uns alle. So heißt es in einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI): "...könnten die Märkte bis zum Jahr 2030 um durchschnittlich acht Prozent wachsen und damit doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft". Müssen offenbar nicht. Aber könnten.
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Der Chef des HWWI meinte dazu ergänzend laut der Meldung: "Um die negativen Folgen des Klimawandels zu verhindern, müssen Milliarden von Euro in neue Technologien, Prävention, Anpassung und Schutz investiert werden". Und: "Deutschland wird sich von diesem Kuchen ein ganz großes Stück abschneiden".
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Na, also! Da lohnt es sich endlich, auf die Bedrohung durch die Natur mit allem Nachdruck aufmerksam gemacht zu haben. Ein bisschen Weltuntergangsstimmung kann nicht schaden, sondern sorgt für eine florierende Wirtschaft. Ich denke, mit noch ein wenig mehr Bedrohung lassen sich noch viel bessere Geschäfte machen - warten wir einfach den nächsten Klimabericht des IPCC ab. Und irgendwann können wir ob des steigenden Meeresspiegels in den Supermärkten Schwimmwesten und Schlauchboote kaufen. Jedem Bürger sein Klima-Not-Paket. Vielleicht sollte ich mir das schnell patentieren lassen. Unserer Wirtschaft zuliebe.