Donnerstag, 17. Januar 2008

"connecting people"

Der geneigte Leser, der meinen Kommentar zu den Vorgängen in Bochum erwartet, soll natürlich nicht enttäuscht werden. So wenig, wie das Unternehmen Nokia die Öffentlichkeit enttäuschen möchte, und zu seinem Slogan steht: "connecting people" - "Wir verbinden Menschen". Das kann man wohl sagen. Zurzeit verbindet Nokia Politik, Medien, Mitarbeiter und Kunden offenbar gleichermaßen höchst erfolgreich, indem es ein Werk in Bochum schließen wird und dadurch mindestens 2.300 Menschen ihren Job verlieren.
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Doch: Was wirft man Nokia eigentlich vor? Buchhaltung? Wirtschaftliches Denken? Kostenbewusste Entscheidung? Also: das, was eben nun einmal "Wirtschaft" ist? Der Arbeits- und Sozialminister des Landes NRW, Harald Schartau wirft Nokia "eine ganz Rüde Form von Steinzeitkapitalismus" vor. Und, so Schartau: "So geht das ja nicht mehr". Aha.
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Vielleicht hat Herr Schartau als Sozialminister auch eine ähnlich Meinung dazu, dass Kinder, die in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen müssen, von Staatswegen gerade einmal 208 Euro monatlich zugestanden werden. Darin enthalten satte 1,76 Euro für Schulmaterial, für Spielzeug 86 Cent - wohlgemerkt: pro Monat! - sowie maximal 3,42 Euro pro Tag für Lebensmittel. Wie nennt man das? Etwa "eine ganz Rüde Form von Steinzeitkapitalismus"? Oder kann es sein, dass auch der Staat - exact genauso wie Nokia - wirtschaftlich rechnet?

Donnerstag, 10. Januar 2008

gewaltige Meinungsbildung

"Sollen jugendliche Gewalttäter härter bestraft werden?". Das Thema ist noch immer eines. Von all denen, die hierzu etwas zu sagen haben, sagt leider niemand, wo eigentlich die Gewalt genau beginnt, die härter bestraft werden soll. Wie relativ das nämlich ist, war am Mittwochabend im ersten Fernsehprogramm in "Hart aber fair" zu sehen:
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In einem der beliebten "Praxistests" des Investigativjournalismus sollten zwei jugendliche Schauspielschüler mehrmals in verschiedenen U-Bahnen etwas Radau machen. Die Reaktionen der Mitfahrenden wurden mit versteckter Kamera gefilmt. Dieser Radau übrigens bestand darin, dass diese beiden Jugendlichen sich überdurchschnittlich laut unterhalten, über ihr Mobiltelefon etwas lautere Musik abspielen und zwischendurch die Füße auf einem Sitz abstellen.
Wobei nicht geklärt wurde, ob das nun bereits als "Gewalt" verstanden werden soll, die "härter bestraft" werden müsse(?). Jedenfalls lautete ein Begleitkommentar: "Unsere beiden Jugendlichen terrorisieren die Menschen" und "In 8 (Anm.: von 10) Fällen haben die Menschen den Terror kommentarlos über sich ergehen lassen". Demnach war der Radau nicht nur Gewaltausübung, sondern sogar Terror. Es sei denn, man nimmt es nicht so genau, wenn es um Straftaten und Bestrafungen geht.
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Einige der betroffenen Mitfahrenden wurden im Anschluss an den Praxistest persönlich befragt. Zwei ältere Damen etwa mit der Frage "Hatten Sie Angst?". Deren Antwort: "Ein bisschen schon". Gegenfrage: "Warum haben Sie denn nichts gesagt?". Antwort: "Na, warum wohl nicht? Da hätte ich ja auf jeden Fall eine mitgekriegt".
Ein anderer, älterer Mitfahrender wurde gefragt: "Wie war das denn gerade für Sie?". Seine Antwort: "Nicht gerade angenehm. Aber man sagt ja nichts mehr. Man sieht das ja Fernsehen. Und um da nichts auf die Nase zu kriegen, da ist man lieber still".
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Eben: "Man sieht das ja im Fernsehen". Nicht wahr. Zum Beispiel in Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie "Hart aber fair", die einen Bildungsauftrag haben, und Radau mehrfach als "Terror" bezeichnen. Es lebe die freie, unabhängige Meinungsbildung und der gut informierte Bürger. Mit Ausnahme natürlich der Jugendlichen, die in Zukunft aufpassen müssen, wie laut sie sich unterhalten, um nicht als Terroristen eingesperrt zu werden.

(Aus-)Geliefertes.

Seit dem ersten Tag dieses noch frischen Jahres gilt der Mindestlohn von 9euro80 (pro Stunde übrigens) für Briefzusteller. Was macht nun ein privates Postunternehmen, das seinen Mitarbeitern diesen Mindestlohn nicht zahlen möchte? Es erklärt die Briefzustellung zur "Mehrwertdienstleistung", umgeht dadurch ganz elegant das Mindestlohngesetz und zahlt statt der 9euro80 lediglich 7euro50 (im Westen) bzw. 6euro50 (im Osten).
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So clever ist man beim Lieferservice "TNT" - und deshalb auch bei der "Citypost Bremen", an der "TNT" zu knapp 25% beteiligt ist. Deren Angestellte nämlich bekamen eine "Ergänzung zum Arbeitsvertrag", durch die die bisherigen "Mitarbeiter in der Postzustellung" nun zu "Mitarbeitern im Bereich der Mehrwertdienstleistung" deklariert wurden.
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Ich schätze, die Bezahlung unterhalb des Mindestlohnes geschieht zum Wohle der Mitarbeiter. Erstens, weil nur auf diese Weise ein Unternehmen konkurrenzfähig bleiben und die Arbeitsplätze sichern kann. Und zweitens, weil "TNT" schließlich in Mitarbeiter investiert und dafür das zertifizierte Gütesiegel "Investors in People" bekommen hat, wie auf der "TNT"-Website stolz erklärt wird.
Es liegen mir jedoch noch keine Informationen darüber vor, ob diese Cleverness ein Ergebnis der Kampagne "Deutschland - Land der Ideen" der Bundesregierung ist. Ich bin jedenfalls gespannt, ob die Bundesregierung eine Idee für die Überarbeitung des Gesetzes hat.

Mittwoch, 2. Januar 2008

Ein "Cheese" in die Kamera

Nahezu täglich dürfen wir von neuen "gewalttägigen Übergriffen" in U-Bahnhöfen erfahren: Jugendgruppen, die aus nichtig scheinendem Anlass gnadenlos auf ältere Mitmenschen einschlagen, in einem Fall sogar auf einen Rentner. Was ist da los? Haben sich diese Übergriffe in den letzten Tagen tatsächlich dermaßen bis zur Täglichkeit gehäuft? Oder wird jetzt zur täglichen Meldung gemacht, was vorher als Alltäglichkeit keine Meldung wert war? Oder haben Jugendgruppen verstanden, dass sie auf diese Weise in die Presse kommen?
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Eines jedenfalls ist bemerkenswert ( = wert, bemerkt zu werden): Zumindest die U-Bahn in München, wo sich gleich mehrere solcher Fälle zugetragen haben, ist mittels zahlreicher installierter Kameras in bester "Big Brother"-Manier komplett video-überwacht. Es scheint nicht gerade abschreckend zu wirken. Vielleicht mag sogar das Gegenteil der Fall sein: Wer einmal für zwei Minuten "berühmt" sein und in den Fernseh-Nachrichten auftauchen möchte, kann das eben auch auf diese Weise tun, indem er sich bei Gewaltausübung filmen lässt. Er muss halt dafür sorgen, dass es "brutal genug" ist, um gesendet zu werden.
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Andererseits: Es hat uns natürlich auch niemand versprochen, dass durch flächendeckende Überwachung Gewalttaten verhindert werden. Man hat lediglich in Aussicht gestellt, dass sich diverse Straftaten besser aufklären lassen. Eine erstaunliche Interpretation dessen, was mit dem Slogan "mehr Sicherheit" verkauft wird.