Freitag, 21. Oktober 2016

synaptisch verlaufen

Hach, was wird man in zwanzig/dreißig Jahren darüber lachen, wie man damals, Anfang des Jahrtausends, alles mögliche ursächlich irgendwo „im Gehirn“ gesucht und gefunden und mit Hirnfunktionen erklärt hat. Lachen darf man natürlich schon jetzt darüber. Ob man schon kann, ist eine andere Frage.

Etwa, wenn man sich wieder einmal verzweifelt durch etliche TV-Programme zappt und hofft, dass die Sendung „Puls“ eine kleine Insel im Informations- und Unterhaltungsbrei darstellen wird. Immerhin im Videotext beschrieben als „Sendung, die tiefer geht“. Und das auch noch im seriösen Bayerischen Rundfunk.

Um was ging’s? Um sogenannte „Handys“. Beziehungsweise: deren Nutzung, und zwar durch uns Menschen. Schließlich seien wir doch inzwischen „alle Handy-Junkies“. Das war schon einleitend die erste Fehlinformation. Ich bin persönlich der unbestreitbare Gegenbeweis und keineswegs der einzige.

„Wir wollten wissen“, hieß es dann, „wie unsere Handynutzung sich eigentlich auf unser Gehirn auswirkt“. Es geht offenbar nicht mehr anders: „Das Gehirn“ muss überall thematisch er- und dem unschuldigen Zuschauer aufgezwungen werden.

Und weiter in der Sendung: „Dazu besuchten wir den Psychologen XY“. Auch das wieder nahezu typisch. Kein Mensch scheint sich die Frage zu stellen, was ein Psychologe kompetenztechnisch überhaupt mit dem Gehirnorgan zu tun hat. Und weil das keiner hinterfragt, hat sich glatt die Hälfte der Psychologen mittlerweile prompt selbst zu Hirnforschern erklärt.

Dem voll entsprechend darf der jugendliche Moderator in Gegenwart des Psychologen ein paar enorm trickige Reaktionstests durchführen, deren Ergebnisse freihändig mit irgendwelchen Gehirnstimulationen erklärt werden. So ungefähr hat schon David Copperfield mit Eisenbahnwaggons beeindruckt.

Doch wie so oft: Wenn man meint, dümmlicher geht es nicht mehr, passiert etwas ähnliches auf einem anderen seriösen Kanal, im NDR, in einem Verbrauchermagazin(!), in dem es thematisch eigentlich um Haushaltsreiniger(!) ging, um angstgetränkte Vorurteile gegenüber Bakterien und deren übliche radikale chemische Bekämpfung.

Doch selbst hier, man möchte es kaum für möglich halten: „Woher kommt unsere große Angst vor Bakterien? Wir haben dazu einen Hirnforscher befragt“. Vielleicht sollte man einmal Hirnforscher danach befragen, warum Journalisten ständig auf die Idee kommen, Hirnforscher zu befragen.

Dienstag, 4. Oktober 2016

satirisch betreten

Ist Humor eigentlich ein Teil der Bildung? Wenn es nach den schulischen Lehrplänen geht, wohl nicht. Momentan zeigt sich jedenfalls, dass ein gewisses Humorverständnis notwendig ist, um eine kleine politische Staatsaffäre verstehen zu können. Und letztlich entscheidet darüber der Humor eines Richters.

Der noch immer aktuelle „Fall Böhmermann“ ist nur bedingt ein solcher. Allenfalls ein Fall für sich; ganz allein. Ich hatte schon nicht verstanden, mit welchem Trara das ZDF Herrn Böhmermann die Sendezeit für eine Late-Night-Show überließ. Da hätte man (auch ganz ohne Trara) lieber das „Nachtstudo“ mit Volker Panzer reaktivieren dürfen.

Wenn aber ein Herr Böhmermann öffentlich ein so genanntes „Schmähgedicht“ zelebriert, von dem er vorher einleitend ankündigt, dass es verboten ist, so etwas zu tun, übersteigt es mein Humorverständnis, eine willentlich vollzogene strafbare Handlung als Humor, nämlich als Satire zu bezeichnen – und mit diesem Argument nicht etwa nur um Milde zu bitten, sondern auch noch Forderungen zu stellen.

Da hilft es auch nicht, dass diese strafbare Handlung argumentativ mit dem „satirischen Umfeld“ gerechtfertigt werden soll, in dem sie stattfand. Gerade deshalb nicht, weil diese gesamte Show allenfalls auf dem Papier „Satire“ darstellt.

Genauso, wie die ebenfalls im ZDF versendete und als „Kult“ bezechnete „heute show“, die es gerade noch schafft, zwischen Klamauk und Polemik zu schwanken, aber die Qualität von Satire allenfalls zufällig streift.

Das ist adäquat zum heutigen humorellen Durcheinander, wo jeder Fernsehsender seine Comedy Show braucht, und reihenweise Nachwuchs-Spaßmacher auf die Bühnen geschubst werden, die sich für „Comedians“ halten dürfen, weil sie auf Bierzeltniveau ein paar Kalauer auswendig aufsagen können.

In diesen Quark passt wunderbar, dass sich Kabarettisten auf ihrer „Facebook“-Seite freiwillig als „Komiker“ bezeichnen, einfach weil dort nur diese Berufsbezeichnung zur Auswahl zur Verfügung steht. Ein etwaiger, vielleicht sogar qualitativer Unterschied ist offenbar allen Beteiligten schnurz.

Und so kommt es, dass in TV.-Shows selbst die flachesten Pointen ausnahmslos sämtlicher Möchtegernkomiker vom Publikum mit brüllendem Gelächter und begeistertem Schenkelklopfen belohnt werden.

Es sei denn, das ist alles nur gefakt und so zusammengeschnitten, während in Wirklichkeit neun Zehntel der Hilfskomiker von der Bühne gebuht wurden. Das wäre mindestens genau so schlimm wie beruhigend, wenn man annimmt, dass (siehe oben) Humor ein Teil der Bildung ist.