Freitag, 14. Juni 2019

ernsthaft bedenklich

Jugendliche möchten bitte ernst genommen werden. Das ist verständlich. Es scheint jedoch, als sei genau das der eigentliche Hauptgrund für den aktuell verbreiteten Aktionismus: Es geht weniger um die – jeweilige – Sache, sondern viel(-)mehr um das jugendliche Ego.

Zunächst entwickelte sich eine aktivistische Welle kind- und jugendlichen Engagements rund um den „Klimaschutz“ und „Klimawandel“. Es verbreitete sich unter Schülern, an Freitagen demonstrativ die Schule zu schwänzen, um auf diese Weise passiv „für mehr Klimaschutz“ zu demonstrieren. Wie bei allem anderen auch, gab es auch hiergegen Vorbehalte und negative Reaktionen.

Kurz vor der Europawahl wiederum verbreitete sich (sozial-)medial millionenfach die persönliche Meinungsäußerung eines Jugendlichen, der dem Zeitgeist entsprechend gern Videos von sich ins Internet stellt, und sich ausnahmsweise aus einer Laune heraus politisch äußerte, vor allem gegen etablierte Parteien. Wie bei allem anderen auch, gab es auch hiergegen Vorbehalte und negative Reaktionen.

Dass aus Beidem ein Heiden-Trara gemacht wurde, lag nicht zuletzt daran, dass es sich in allen Fällen um Kinder und Jugendliche handelt, die Vorbehalte und negative Reaktionen sehr persönlich nahmen und nehmen: Die Heranwachsenden fühlen sich nicht ernstgenommen. So, wie jede Generation von Heranwachsenden: Die Alten haben schließlich keine Ahnung. Das war schon immer so.

Was Kinder und Jugendliche den Alten vorwerfen, müss(t)en sie allerdings auch für sich selbst in Erwägung ziehen: Sicherlich haben „die Alten“ mitunter leichte Probleme, sich in „die Jugend“ hineinzuversetzen – umgekehrt aber exact genauso. Die Heranwachsenden haben keinerlei Ahnung, was Lebenserfahrung – tatsächlich – ausmacht; außer, dass „die Alten“ sich ständig darauf berufen.

In der TV-Sendung „Ihre Meinung“ im WDR-Fernsehen sollte diese Gesamtproblematik der Generationen pendelnd zwischen Klima und Politik grob besprochen werden. Ein Jugendlicher (wie heute nahezu üblich: ein „YouTuber“) forderte nachdrücklich ins Mikrofon: „Es ist ganz einfach: die Jugendlichen wollen wie Erwachsene behandelt werden“; bei tosendem Applaus der anwesenden Jugendlichen, die alle wie Erwachsene behandelt werden wollen.

Leider wurde im Anschluss daran nicht geklärt, ob es dabei vielleicht doch irgendwelche Grenzen geben sollte und wo die denn eventuell liegen würden. Ob etwa die Altersgrenze für den Kauf und Konsum von Alkohol und Tabakwaren aufgehoben werden soll, um Jugendliche wie Erwachsene zu behandeln". Oder ob es nicht irgendeinen tieferen Sinn haben könnte, dass so etwas wie ein Jugendschutz" mit entsprechenden Gesetzen eingerichtet wurde, weil es direkte Zusammenhänge mit dem Lebensalter gibt.

Eher im Gegenteil ist man zurzeit medial auf dem Jugend-Trip (wie man als Alter" weiß: wieder einmal, denn auch das ist nichts Neues). Und sicherlich mögen Jugendliche sich gegenüber der Weisheit des Alters" besserwissend wähnen, etwa im Thema um den Klimawandel": Die Fakten sprechen schließlich für sich, was braucht man da schon Lebenserfahrung(?). Man braucht sie, um (im Gegensatz zum Glauben an Fakten) scheinbare Fakten mit etwas mehr Gelassenheit abwägen und beurteilen zu können. Doch das erkennt man eben erst... ab einem gewissen Alter.

Nun ließe sich prinzipiell über alles reden. Vielleicht können „die Jungen“ ein wenig Einsehen entwickeln, dass sich „die Alten“ damit etwas schwertun, wenn sich Heranwachsende – hauptsächlich – damit beschäftigen, Videos von sich ins Internet zu stellen, in denen sie kommentieren, wie sie Spielkonsolenspiele spielen, Einkaufstüten voller Klamotten auspacken, Kosmetika testen, wie sie als „Influencer“ reihenweise völlig belanglose Fotos von sich veröffentlichen, usw, usw… also hauptsächlich: sich selbst präsentieren und inszenieren, nur mit unterschiedlichen Themen und Aufhängern. 

Das ist als Grundlage nur bedingt geeignet, um ernstgenommen und „als Erwachsene behandelt“ zu werden, wenn diese Heranwachsenden in dieser Hauptbeschäftigung zwischendurch dann doch einmal ausnahmsweise etwas (vor allem: für sie selbst) Wichtiges ansprechen wollen. Das passt – für „die Alten“ nicht ganz zusammen. Außer, dass dieses Zeitalter der Selbstinszenierung womöglich den Drang verstärkt, sich selbst und seine persönliche Weltsicht etwas wichtiger zu nehmen als es sozialverträglich ist – gerade, wenn man auf diese Weise von „den Alten“ irgendetwas erwartet.

Da wäre es auch hier umgekehrt angebracht, dass „die Jugend“, die in ihren digitalen Nischen in „YouTubern“, „Bloggern“ und „Influencern“ ihre eigenen „Stars“ in ihrer digitalen Welt hat, ein wenig Einsehen aufbringt, dass „die Alten“ ihre ganz eigenen, anderen „Stars“ haben: eventuell Descartes, Kant, Voltaire, u.a. Wenn „die Jugend“ das jedoch eher laaaaaangweilig findet, weil sie in eine Welt der totalen Vollgas-Unterhaltung und der 2-Minuten-Fast-Food-Informations-Häppchen hineingeboren wurde, dann ist das durchaus nachvollziehbar – aber sicher nicht „der“ Maßstab, an dem sich alles und jeder „Alte“ gleichfalls zu orientieren und zu messen lassen hätte.