Dienstag, 30. Dezember 2008

Auf geht's in Zwo-Neun.

Noch hat es sich nicht dermaßen verbreitet wie andere Amerikanismen: die Formulierung "in" statt "im Jahr", etwa momentan "Wir wünschen viel Erfolg auch in 2009" oder in diversen Medien die rhetorische Frage "Was ändert sich in 2009?".
.
Immerhin: man verzichtet (ebenfalls: noch) nicht auf die beiden Nullen, wie in manchen Intellektuellenkreisen in den letzten Jahren leicht zunehmend: "In Zwo-Neun wird sich manches ändern, manches nicht". Intellektuell ist das tatsächlich, denn schließlich drückt die Null ein "Nichts" aus, kann demnach guten Gewissens weggelassen werden und spart obendrein wertvolle Sekunden ein; man muss eben sparen, wo man kann, gerade in Zwo-Neun, im Angesicht der Wirtschaftskrise, die hier und da auch Finanzkrise genannt wird.
.
.
Wie bei jedem Jahreswechsel lässt es sich kaum jemand entgehen, das ablaufende Jahr Revue passieren zu lassen. Es ist Teil der rituellen Vorbereitung auf die paar Sekunden, in denen die rituellen Sektkorken knallen (obwohl es sicherlich weltweit keinen einzigen Korken gibt, der tatsächlich knallt). Und irgendwie überstrahlt wird Zwo-Acht dann doch von den Präsidentschaftswahlen in den USA - vielmehr von allem, das mit deren Sieger Barack Obama zusammenhängt.
.
Oder kürzer und prägnanter mit dem Slogan der Kampagne gesagt: "Yes, we can". Wobei neben der sicherlich rein soziologisch-politisch sehr interessanten Inszenierung des Obama'schen Wahlkampfes noch viel interessanter zu beobachten war, wie Ökonomen, Politologen und Journalisten dessen Wahlsieg kommentierten: "Obama ist kein Messias". Eine zwar wahrheitsgemäße, jedoch ziemlich seltsame Feststellung. Offenbar sind die Experten, die nach ihrer "objektiven" Einschätzung befragt wurden, reihenweise einem ziemlich subjektivem Eindruck erlegen, der aus der Inszenierung zu resultieren scheint. Anders ist die Wortwahl kaum zu erklären, einen Politiker mit einem Messias in Verbindung zu bringen.
.
Noch viel interessanter könnte es werden, wenn dieser Wahlkampf diverse Nachahmer findet (was auf Grund des Erfolges durchaus zu erwarten ist). Zumindest das bereitet einige Vorfreude auf das Jahr Zwo-Neun und auf die Kampagnen des Bundestagswahlkampfes: in den Hinterzimmern wird längst ausgelotet, wie sich das "Yes, we can" auf die "deutschen Verhältnisse" übertragen lässt. Besser gesagt: Wie bereit man hierzulande dafür bereits ist. Denn das Hochhalten diverser rot-grüner Pappschilder mit eingängigen Floskeln wie "Go Gerd" und "Mach et, Gerd", das in Neun-Acht erstmals vom damaligen SPD-Kampagnenleiter installiert und noch im selben Wahlkampf ruckzuck von der CDU übernommen wurde, hatte damals kaum jemand überhaupt bemerkt. Im Grunde: bis heute nicht. Ich für meinen Teil habe das jedenfalls bereits voll übernommen: "Wir wollen. Wir können. Wir-kung.", siehe oben. Wobei Sie selbst frei entscheiden können, was Sie unter "-kung" verstehen wollen, womit dieser Spruch dann sogar einen Sinn ergibt.
.
War sonst noch etwas? Im Januar sollten noch jugendliche Gewalttäter härter bestraft werden, vor allem solche, die in U-Bahnhöfen auf ihre Mitmenschen einschlagen, im März stellte sich heraus, dass verschiedene Supermarkt- und Kaufhausketten ihre Mitarbeiter "bespitzeln", im April wurde veröffentlicht, dass die Klima-Schutz-Maßnahmen den Klimawandel beschleunigen, im Mai wurde durch den so genannten "Armutsbericht" der Bundesregierung bekannt, dass ein sattes Drittel der Bevölkerung keinerlei Ersparnisse hat und/oder überschuldet ist und/oder das Leben am Rande der Armut oder mittendrin fristet, während im Juni der herrschende Schönheitswahn das Top-Thema neben der Fußball-EM war, und im sommerlöchrigen Juli die Ölpreis-, Benzinpreis-, Strompreis- und Heizkosten-"Explosion" die Schlagzeilen beherrschte, im August hingegen ganz weit weg woanders, nämlich in Südossetien und Abchasien der "Kaukasus"-Konflikt ausbrach, der laut unserem Außenminister "für ganz Europa extrem gefährlich" werden könne, im Oktober jedoch in der Höhe der Gefahrenstufe vom Ausbruch der Finanzkrise noch weit übertroffen wurde, während im November ein erster Hoffnungsschimmer für grundlegend andere Prioritätensetzungen aufkeimte, indem Barack Obama zum künftigen US-Präsidenten gewählt wurde, auch wenn im Dezember trotz aller Krisenbeschwörungen die Weihnachts-"Kauflaune" der Deutschen angeblich ungebrochen war, wenn auch mit dem kleinen Beigeschmack eskalierter Straßenschlachten in Griechenland, einer drohenden militärischen Auseinandersetzung zwischen den Atommächten Pakistan und Indien, sowie einer weiteren in Israel, die dagegen - "bis zum bitteren Ende" - voll im Gange ist.
.
Aber... sonst? Sonst jedenfalls wünsche ich den geneigten Lesern einen richtig gut gelungenen Rutsch und Danke für die bisherige Aufmerksamkeit.