Freitag, 18. November 2011

energisch betrieben.



Was war denn das nun wieder. Da zappte ich irgendwann zu später Stunde durch das TV-Programm und blieb auf irgendeinem Kanal in irgendeiner Dokumentation hängen, in der es um die grandiose „Energiewende“ ging, die die Menschheit jetzt und in naher Zukunft vollführt. Ganz nach dem Motto „Jetzt wird endlich alles gut“. Wie so oft jedoch blieben in der Euphorie ein paar kleine Fragen nicht nur unbeantwortet; sie wurden gar nicht erst gestellt.

Da ging es zunächst erst einmal um das so genannte „Wüstenstrom-Projekt“ namens „Desertec“. In den nächsten 40 Jahren sollen rund 400 Milliarden Euro investiert werden, um im sonnig-heißen Wüstensand von Nordafrika sehr viele und sehr große Solarkraftwerke zu bauen. Der so gewonnene Strom soll per Fernleitung nach Europa fließen und mindestens 15 Prozent des europäischen Strombedarfs decken. Baubeginn bereits nächstes Jahr, 2012.

„Ein großer Schritt im Kampf gegen den Klimawandel“, wie es hieß. Der Planet wird wohl letztlich gerettet durch u.a. RWE, e.On, Siemens und die Deutsche Bank, die das Projekt finanzieren. Vorausgesetzt natürlich, die weltweiten „Occupy“-Aktivisten bleiben erfolglos, weil das Ganze ansonsten schlecht finanzierbar sein dürfte. Welch ein Dilemma.
Außerdem etwas dumm dabei: ausgerechnet Nordafrika, ausgerechnet dort, wo gerade mit dem „Arabischen Frühling“ eine Revolution nach der anderen stattgefunden hat, in Tunesien, Ägypten, Libyen und Marokko steht irgendwie noch auf der Macht-Kippe. Und ausgerechnet von diesen ganzen potenziellen Pulverfässern machen wir uns abhängig – weil dort so schön die Sonne scheint. Diplomaten nennen das eine „geostrategische Herausforderung“. Na, das kann man wohl sagen.

So ähnlich, wie die angeblich ernsthaft vorangetriebene Wende zur „Elektromobilität“: Weg von den Autos alter Generation mit Verbrennungsmotoren, weg von der Abhängigkeit vom Öl, weg vom klimafeindlichen CO2-Ausstoß, hin zu Elektromotoren, innovativ und umweltfreundlich; besonders in dem Fall, wenn der benötigte Strom nicht aus Atom-, sondern aus Solarkraftwerken in Nordafrika stammt.

Das hat zumindest schon einmal den Vorteil, dass die USA nicht mehr überall dort einmarschieren und/oder Krieg führen müssen, wo sie ihre Öl-Lieferungen bedroht sehen. Dafür jedoch vielleicht demnächst in Lateinamerika. Im so genannten „Lithium-Dreieck“, wo die weltweit größten Lithium-Vorkommen herumliegen, in Argentinien, Bolivien und Chile. Schließlich ist Lithium unverzichtbar für die Batterien von Elektroautos.
Je stärker die „Energiewende“ zur „Elektromobilität“, je abhängiger von Lithium. Von einer Abhängigkeit in die andere; dasselbe in grün, sozusagen. Nicht nur betrefflich der Rohstoffe. Eben auch politisch. Bolivien etwa, das momenten noch ärmste Land Südamerikas, wird nicht mehr lange arm sein, und Dank des Lithium wie Argentinien und Chile sehr, sehr reich werden, auch: einfluss-reich.

Hier verschieben sich mitsamt Abhängigkeiten also ganze globale Machtverhältnisse, nach Nordafrika und Lateinamerika. Man darf sich einigermaßen sicher sein, dass das von Politik und Konzernen sehr wohl einkalkuliert ist, in der vermeintlichen Gewissheit, das schon irgendwie geregelt zu bekommen. Dem Otto Normalbürger werden die kleinen Nebeneffekte der schönen neuen Welt dagegen nicht mitgeteilt. Es reicht voll und ganz, wenn er sich darüber freut, dass die Klima-Rettungsmaßnahmen angelaufen sind und endlich alles gut werden wird.
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Donnerstag, 17. November 2011

übermäßig informiert.



Huuuuuuh…. „Information“. Ein ganz, ganz sensibles Thema! Information und alles mögliche, was man damit heute in Verbindung bringt: das Internet, Daten und Datenschutz, „Big Brother“, Kontrolle, Überwachungsstaat, undsoweiter. Jedenfalls bekam ich nach einem Vortrag bisher selten einen so zögerlichen Applaus, wie vor ein paar Tagen, als ich über Information referierte – was ich als vollen Erfolg betrachte: das passiert eben, wenn Nachdenklichkeit die Hände lähmt.

Vor drei/vier Wochen wurde der auf vielen Websites anklickbare „Gefällt mir“-Button medial thematisiert und wie das Soziale Netzwerk „Facebook“ auf diese Weise Daten über den Nutzer sammelt. Jedenfalls in dem Fall, dass dieser Nutzer Mitglied bei „Facebook“ und gerade auch dort eingeloggt ist.
Und dann war da noch der Student aus Wien, der von „Facebook“ alle Daten anforderte, die man dort über ihn gespeichert hat – und bekam eine CD zugeschickt, darauf eine PDF-Datei mit über 1.200 Seiten persönlicher Daten.
„Facebook“ als angeprangerte „Datenkrake“ sammelt alle möglichen Informationen über seine Mitglieder, die es nur bekommen kann. Das wirkt allgemein erschreckend und beängstigend und provoziert den üblichen Ruf nach Datenschutz bzw. noch mehr Datenschutz. Denn schließlich: Man stelle sich vor, was „Facebook“ mit den Informationen alles anstellen kann!

Ja. nämlich? Das, was „Facebook“ (wie auch „Google“ & Co.) in erster Linie interessiert, ist der imaginäre Wert der Werbeanzeigen. Man stellt den werbungtreibenden Unternehmen in Aussicht, durch Datensammlung „noch gezielter“ werben zu können, indem die Anzeigen nur den Nutzern präsentiert werden, von denen man anhand der Datenprofile zu wissen glaubt, dass sie am ehesten darauf anspringen. Da muss man wirklich Angst haben! „Immer gezielter“ mit Werbung zugemüllt zu werden… das kommt fast einer Apokalypse gleich.

Wenn man mich fragt, hat das ungefähr die gleiche Bedrohungsqualität, wie das an jeder Supermarktkasse übliche Hinweisschild „Bitte legen Sie alle Waren auf das Band“. Wenn ein Mann, Ende Vierzig, nichts weiter als ein Sixpack Bier, eine Tiefkühlpizza und eine Tüte Kartoffelchips auf das Förderband legt, verrät er damit eventuell mehr über sich, als in seinem „Facebook“-Profil. Und zwar: öffentlich. Jenseits allen Datenschutzes. Und ohne das mit einer „Privatsphäre“-Einstellung verhindern zu können.

Aber natürlich: Der erwartungsgemäße Einwand lautet, dass die Gefahr nicht in vereinzelten Informationen besteht, die über Personen gesammelt werden, sondern in der Masse, wie etwa (siehe oben) satte 1.200 Seiten persönlicher Daten über einen einzigen „Facebook“ -Nutzer.
Dem gegenüber stelle man sich die gewaltige Informationsmenge von 24 Aktenordnern vor! Das ist die Masse an Informationen, die die thüringische Abteilung des Verfassungsschutzes innerhalb von 13 Jahren über die rechtsradikale „Zwickauer Zelle“ gesammelt hat, wie kürzlich bekannt wurde. Und? Was hat diese enorme Informationsmenge gebracht? Offenbar nur wenig bis gar nichts.

Und auf anderen Ebenen?
Wir haben sämtliche Informationen darüber, dass in Indien (übrigens: eine parlamentarische Bundesrepublik, eine Demokratie) noch immer ein ziemlich unmodernes und unsoziales Kastensystem und „Schuldknechtschaft“ herrscht, dass indische Bauern reihenweise in den Selbstmord getrieben werden und Kinderarbeit durchaus üblich ist. Und was machen wir mit diesen Informationen?
Wir haben auch sämtliche Informationen darüber, wie im größten Tagebau der Welt in Chile Kupfer abgebaut wird, das für unsere High-Tech-Elektronik unerlässlich ist. Wir wissen, dass dieser Kupferabbau schwerste Umweltschäden verursacht und die Minenarbeiter bei extremsten Arbeitsbedingungen schwer erkranken. Und wir wissen, dass unser Elektronikschrott nach Ghana verschifft wird, wo Kinder auf den Müllhalden das ganze Zeug in Brand setzen, um die übrig bleibenden Metalle zu verkaufen – und dabei hochgiftige Dämpfe einatmen. Und was machen wir mit diesen Informationen?
Wir haben auch die Information (siehe u.a. mein Blogeintrag unten: „mehrfach verdorben“), dass mitten in Deutschland rund 500.000 Kinder Hunger leiden. Und was machen wir mit dieser Information – außer, dass daraufhin kurz mal über das „Mindesthaltbarkeitsdatum“ diskutiert wurde?
Nur beispielsweise.

Und so müssen wir uns darauf vorbereiten, dass wir irgendwann von unseren Kindern berechtigterweise gefragt werden: „Ihr und Euer Zeitalter der totalen Information. Ihr habt doch alles gewusst. Warum habt Ihr nichts dagegen getan?“. Wahrscheinlich werden wir antworten müssen: „Wir lebten nun einmal in einer Wissensgesellschaft, steckten in Bildungsoffensiven fest und mussten uns um den Datenschutz kümmern“.
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