Dienstag, 20. Mai 2014

verhaltensauffällig beobachtet

Als Vater eines Erstklässlers kommt man u.a. in Freizeitparks, Stadtparks und auf Spielplätzen unausweichlich mit anderen Knirpsen ähnlichen Alters in Kontakt. Das kann aus mehreren Gründen erheblich interessant sein, aus elterlichen, pädagogischen, sozialen, manchmal sogar aus beruflichen Gründen.

So, wie kürzlich, als unser Sohn bei einer solchen Gelegenheit von einem Circa-Gleichaltrigen zum Spielen gebeten wurde, mit den Worten: „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben! Ich habe mein Verhalten geändert“. Wow. Das war mal ein Satz! Aus dem Mund eines ungefähr Sechsjährigen! Er hat sein Verhalten geändert. Sieh an. Als Sachverständiger in diesem erweiterten Fachbereich fragt man sich unweigerlich, ob der Kleine annähernd weiß, was er da eigentlich spricht.

Jedenfalls steckt in diesem unscheinbaren Satz mehr Information als wohl die meisten Eltern über ihren Nachwuchs freiwillig preisgeben würden. Der fremde Junge war offenbar eine Zeit lang aggressiv „verhaltensauffällig“ und wurde therapiert; Abschlussdiagnose: „Ihr Junge ist jetzt friedlicher. Er hat sein Verhalten geändert“. Und sehr sicher wurde der Kleine auch von Therapeuten öfter ermahnt: „Du musst dein Verhalten ändern!“. So schlittert eine solche Phrase in den Sprachschatz eines Erstklässlers.

Der arme Junge. In mehrfacher Hinsicht; noch ganz abgesehen von etwaigen Problemen mit Gleichaltrigen, mit Lehrern und Eltern, die ein Nachwuchsrüpel zwangsläufig haben muss. Sondern ihm wurde so auch noch frühzeitig ein Bildungsproblem eingehämmert, das alle anderen Kinder zwar auch noch bekommen werden, allerdings erst deutlich später und erheblich subtiler:

Irgendein Verhalten nämlich, welches auch immer, ist nichts, was ein Mensch per se und an sich „hat“. Ein bestimmtes Verhalten, irgendeines, welches auch immer, ist nichts. was „in der Persönlichkeit“ oder „im Charakter“ eines Menschen verankert wäre. Sondern zunächst einmal ist Verhalten …eine Beobachtung. Und sonst: gar nichts.

Falls Sie jemals allein auf einer einsamen Insel stranden, nach einem Unterschlupf suchen, Beeren sammeln, Sandburgen bauen und Selbstgespräche führen, dann ist nichts davon Ihr „Verhalten“. Sicherlich werden Sie andauernd irgendetwas machen, sich betätigen, tun und lassen, aber: Sie verhalten sich nicht! Nur jemand, der Sie bei all dem beobachtet, kann das, was er da sieht, Ihr Verhalten nennen.

Wenn einem Sechsjährigen erzählt wird „Toll, Du hast Dein Verhalten geändert“, dann hat er also mitnichten gelernt, sich „anders zu verhalten“, denn das ist völlig unmöglich. Er hat allenfalls gelernt, etwas zu tun oder zu lassen, was man jetzt anders an ihm beobachten kann. Und das sind mindestens zwei Paar Schuhe.

Freitag, 9. Mai 2014

unendlich theoretisch

Eine ganz erhebliche Menge Unfug wird verbreitet, weil sich Wissenschaften als Wissenschaften bezeichnen, die mit Wissenschaft herzlich wenig zu tun haben. Dass das für den Laien kaum zu durchschauen ist, gehört zu diesem Zirkus mit dazu. Und auch ein paar von den „richtigen“ Wissenschaften leben eher von Glaubens- als Beweiskraft. Zum Beispiel die Sternengucker.

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Planeten, ferne Galaxien und Schwarze Löcher, Raumsonden, irgendwann Siedlungen auf dem Mars, eventuelle außerirdische Lebensformen, theoretisch mögliche Zeitreisen… was hat diese Gesamtthematik nicht alles Aufregendes zu bieten. Das Ganze ist perfekt geeignet, um die Marke „Wissenschaft“ zu verkaufen.

Die Astronomie quasi stellvertretend für das, was Wissenschaft und Wissenschaftler ganz generell an atemberaubenden Erkenntnissen und Fortschritten zu liefern imstande sind. Da senkt man gern ehrfurchtsvoll das Haupt und glaubt auch sonst alles, was „wissenschaftlich erwiesen“ ist; oder widerlegt, je nach dem – bis hin zu Zahnbürsten und Faltencremes, die in Werbespots von Statisten in weißen Kitteln inmitten von Labor-Kulissen angepriesen werden

Aber zurück in die unendlichen Weiten des Universums, die laut Astronomen gar nicht unendlich sind, sondern im Gegenteil. Dass es nämlich auf unserem Planeten überhaupt nachts dunkel ist, das liegt nicht etwa an der Erdrotation und nächtlich abwesender Sonneneinstrahlung, sondern ist vielmehr der Beweis dafür, dass das Universum endlich sein muss. Sagen Wissenschaftler.

Wenn man will, gelangt man thematisch damit gleich zum „Urknall“, quasi dem Anfang von allem, und wohl auch des wissenschaftlichen Glaubens daran. Wie man uns erklärt, ist dieser Urknall eine enorm verzwickte Angelegenheit. Außer für den Physik-Nobelpreisträger Robert B. Laughlin, der das in einem einzigen Satz allgemeinverständlich erläutern kann: „Die Urknalltheorie ist nichts weiter als Marketing für die Wissenschaft“.

Ansonsten stellt sich üblicherweise die müßige Frage, was denn eigentlich „vorher“ war; vor dem Urknall(?). Da helfen dann auch Rechenkünste und Computersimulationen nicht mehr weiter, sondern muss – wissenschaftlich – spekuliert werden.

Jedenfalls hätte den Urknall ohnehin niemand beobachten können, auch wenn gerade irgendjemand zufällig in der Nähe gewesen wäre, denn vor dem Urknall gab es schließlich noch kein Licht. Es gab auch keinen Raum, weder ein „Innen“, noch ein „Außen“; wo hätte sich da ein Beobachter aufhalten sollen? Und es gab auch noch keine Zeit, kein „vorher“ und kein „nachher“, womit sich prompt auch die Frage erledigt, was „vor“ dem Urknall war. Wie praktisch.

Wer sich als Laie für besonders clever hält, fragt an dieser Stelle vielleicht: Wenn zum Zeitpunkt des Urknalls also noch kein Raum existierte, wohin ist er dann eigentlich explodiert, der Knall? Denn schließlich: „explosio“ ist lateinisch und bedeutet „herausklatschen“. Wo heraus und wo hin denn, so ganz ohne Raum?

Doch von wegen. Wissenschaft ist eben auch über Cleverness weit erhaben. Explodiert ist eben nichts in einem Raum, sondern explodiert ist erst einmal die Zeit. Und die hat den Raum gleich mitgenommen. Denn schließlich: Nach Einstein sind Zeit und Raum untrennbar. Wenigstens an dieser Stelle hat man Newton überwunden; wahrscheinlich aus Praktikabilitätsgründen.

Und wie so oft kann man (muss man nicht, aber kann man) die Frage stellen: Was soll das alles eigentlich? Diese Urknalltheorie über den Anfang von allem gehört außer zur Schulbildung auch zur Allgemeinbildung eines zivilisierten Mitteleuropäers. Aber: Warum? Wozu brauchen wir das im Kopf?