Mittwoch, 3. Februar 2010

Tatort Bundesregierung.

Wenn Sie bislang dachten, Sie würden in einem demokratischen Rechtsstaat leben, der sich ganz selbstverständlich an genau die Regeln und Gesetze hält, die er seinen Bürgern auferlegt, dann haben Sie spätestens seit Freitag die Möglichkeit, ihre Überzeugung zu überprüfen und sich ggf. eine andere zuzulegen.
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Am Freitag nämlich wurde bekannt, dass der deutschen Bundesregierung das hochinteressante Angebot gemacht wurde, eine CD-ROM käuflich zu erwerben, auf der sich die Daten einiger Hundert mutmaßlicher Steuerhinterzieher befinden sollen. Nach diversen Expertenmeinungen, die sich auf eine vom Anbieter zur Verfügung gestellte Stichprobe von 5 Datensätzen stützen, ließen sich durch das Enttarnen und Aufdecken dieser Fälle um die 100 Millionen Euro für die deutsche Staatskasse einsammeln.
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Der kleine Haken an dieser Sache: der Anbieter, teilweise auch als "Informant" bezeichnet, und als Monsieur Hervé Falciani, ein 37-jähriger Angestellter der Genfer HSBC Private Bank sogar namentlich bekannt, möchte für seine CD-ROM mit 2,5 Millionen Euro entlohnt werden. Das ist zwar in Relation zum spekulierten Wert der brisanten Daten ein echter "Klacks", doch abgesehen von dieser Relation ist es vor allem eines: kriminell. Und man möchte meinen, dass die Bundesregierung einen solchen "Deal" deshalb empört zurückweisen würde. Jedoch: weit gefehlt.
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Dabei gibt es tatsächlich nicht nur Politiker, die dieses "Geschäft" ernsthaft in Erwägung ziehen und "prüfen" wollen. Sondern es gibt welche, die komplett bedenkenlos sogar darauf bestehen, wie etwa der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, mit der Begründung: "Es ist skandalös, dass hier jeder Parksünder verfolgt wird, aber nicht die Leute, die bis zu 200 Millionen Euro Steuern hinterziehen".
Abgesehen davon, dass eine "Parksünde" eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit Bußgeld geahndet wird, während Steuerhinterziehung dem gegenüber eine Straftat ist, auf die Gefängnis steht, bedient sich der Staat keiner Krimineller, um falschparkende Verkehrsteilnehmer aufzuspüren - es sei denn natürlich, das ist die eigentliche Überlegung hinter Gabriels Äußerung.
Also: einmal abgesehen davon war einer der Vorgänger im Amt des SPD-Vorsitzenden Helmut Schmidt, der in seiner Zeit als Bundeskanzler die Ermordung von Hanns Martin Schleyer durch die "Rote Armee Fraktion" (RAF) verantworten musste. Entweder die Zeiten haben sich derart geändert, dass der Staat inzwischen doch erpressbar ist. Oder die Erpessbarkeit hängt davon ab, ob es um ein Menschenleben geht oder um Geld..

Die "Grüne"-Faktionschefin Renate Künast wiederum meinte "Wer Krokodilstränen darüber vergießt, dass der Staat sich mit Kriminellen auf einen Handel einläßt, dem geht es in Wahrheit nur darum, Rücksicht auf seine Wählerklientel zu nehmen".
Das jedoch ist so nicht ganz korrekt, denn was mich persönlich angeht, habe ich keine Wählerklientel, auf die ich mit meiner Meinung Rücksicht nehmen müsste. Meine "Krokodilstränen" basieren eher auf der Überlegung, dass dieselben Politiker, die irgendwelchen Managern vorwerfen, sie würden für Geld jede Moral über Bord werfen, offenbar exact dasselbe Denken und Handeln an den Tag legen: diese Frage nach der Moral wird gar nicht erst gestellt, sondern es wird ausschließlich "geprüft", wie sich das Gesetz juristisch-clever so interpretieren lässt, dass das Ganze am Ende völlig legal über die Bühne geht.
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Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei wiederum sieht hier rein überhaupt keinerlei Bedenken irgendeiner Art und schließt jeden geringsten Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Angelegenheit aus: "An bestimmte Delikte ist ohne Mithilfe Krimineller kaum heranzukommen", verweist dabei u.a. auf die Kronzeugenregelung und Lockkäufe bei Drogengeschäften, und schlägt dem Otto Normalbürger damit ganz nebenbei das Werteverständnis um die Ohren, mit dem er versucht, seine Kinder zu guten Menschen zu erziehen. Also: die Kinder, die gerade eben mitbekommen, dass man als Krimineller sehr leicht zum Millionär werden kann, und das auch noch von der Kanzlerin bis zum Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei als völlig legitim abgesegnet wird.
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Wobei sich mir als unbedarftem Otto Normalbürger die Frage stellt: Wenn doch dieser "Informant" namentlich bekannt ist, und durchaus unstrittig scheint, dass dieser Mensch auf kriminelle Weise gegen das Gesetz verstößt... warum, bitte sehr, nimmt man ihn nicht per Haftbefehl fest und bringt sich per Durchsuchungsbeschluss in den Besitz der CD-ROM, auf ganz ordentliche, rechtmäßige Weise?

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