Freitag, 15. Oktober 2010

massenweise Systemfehler.

Heute ist der „Welternährungstag“. Die Welthungerhilfe hat passend dazu darauf aufmerksam gemacht, dass u.a. in Deutschland jedes Jahr 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Hausmüll landen, während 1 Milliarde Menschen auf unserem Planeten Hunger leiden. Doch das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht in knallig-bunten Farben zu lesen: „2 kaufen, nur 1 zahlen“.
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Es ist nicht zuletzt die Nahrungsmittelindustrie ( ein Begriff, den ich schon an sich für abscheulich halte ), die dafür sorgt und sorgen muss, dass die Leute kaufen, kaufen, kaufen, und zwar so viel wie möglich, selbst wenn von dem Gekauften die Hälfte im Müll landet. Den Herstellern geht es genau so wie dem Handel um Absatz und Umsatz, nicht um langweilige moralische Fragen. Das ist Betriebswirtschaft. Und: das ist Volkswirtschaft ( siehe auch meinen letzten Blog-Eintrag ), zum Wohle des Wirtschaftswachstums, zum Erhalt von Arbeitsplätzen, „für unser aller Wohlstand“.
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Eine glasklare Macke der Massenproduktion, die Nahrungsmittelindustrie davon natürlich nicht ausgenommen; warum sollte sie. Um das an einem trivialen Beispiel zu sagen: Alleine bei „Haribo“ werden täglich(!) 100 Millionen(!) Gummibärchen produziert. Eine horrende Menge, die nicht etwa produziert wird, weil sie der Nachfrage entspricht, sondern weil die Produktion es ermöglicht und es ineffizient wäre, weniger zu produzieren. Eine horrende Menge, die abgesetzt und verkauft werden muss; wie auch immer. Und es ist ein- und dasselbe bei sämtlichen Herstellern, die irgendetwas in Massen produzieren; was auch immer.
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Damit das funktioniert, wird – beispielsweise – Rotkohl in einer kleinen Dose mit sinnvoller Inhaltsmenge zum Preis von 1Euro19 verkauft, ein übergroßes Glas Rotkohl dagegen mit der dreifachen Inhaltsmenge dagegen für schlappe 49 Cent. Die sparsamen Konsumenten greifen zum preiswerten Rotkohl, auch wenn sie wissen, dass sie zwei Drittel davon in den Müll werfen werden: „Warum mehr bezahlen als nötig?“. Und genau so ist das auch gedacht: die Produzenten müssen schließlich ihre Unmengen an Rotkohl irgendwie loswerden.
In die gleiche Richtung gehen „Verkaufsförderungsaktionen“ wie „2 kaufen, nur 1 bezahlen“, was inzwischen bis zu einem „5 kaufen, nur 4 bezahlen“ ausgeufert ist, bei allem möglichen Produkten.
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Da greifen nicht nur „Sparfüchse“ zu, sondern erst recht Menschen in finanziellen Engpässen, Rentner, Arbeitslose, „HartzIV“-Empfänger, die schlicht und einfach dazu gezwungen sind, die billigeren Großmengen zu kaufen und eine ganze Menge davon in die Mülltonne zu werfen. Das Ganze hat System.
Doch diesen Menschen, denen gern vorgeworfen wird, sie würden „zu viel Geld vom Staat kassieren“, auch noch eine Mitschuld am Hunger in der Welt attestieren zu müssen, ist zynisch, wenn die Welthungerhilfe fordert „Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen“ und „bewusster damit umzugehen“.
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Angebracht wäre das dagegen sicherlich bei so genannten „XXL“-Speisen: von „XXL-Hamburgern“ mit einem Durchmesser von 30cm bis „XXL-Schnitzeln“ von mehr als 2 Kilo, genau so, wie bei einem Preis von gerade einmal 1 Euro für einen Standard-Fast-Food-Hamburger. Wenn eine „Ökosteuer“ angebracht ist, dann hier: als Aufschlag auf Produkte, für die Tiere glatt verramscht werden.
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