Freitag, 4. Oktober 2013

Handwerklicher Bildungsengpass

Der Chef einer Handwerkskammer beklagt den Mangel an Nachwuchs: Einem üppigen Angebot von Lehrstellen stünden nur vergleichsweise wenige Interessenten gegenüber. Kurz gesagt: Etliche Lehrstellen im Handwerk bleiben unbesetzt. Die Jugend hat anderes im Sinn, die Eltern für ihre Kinder sowieso. Der Erfolg einer pathologischen Bildungspolitik.

Die so genannten „PISA“-Studien offenbaren regelmäßig angeblich die Defizite der 15-jährigen Schüler an deutschen Schulen, und zwar in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Leseverständnis. Eben das, was man wohl unter „Bildung“ hauptsächlich und vor allem anderen versteht. Deshalb wird ebenso regelmäßig der „Bildungsnot“ eine „Bildungsoffensive“ entgegen gesetzt. Motto: „Bildungsrepublik“ Deutschland. Na, warum nicht. Andererseits: warum eigentlich?

Wir brauchen Ingenieure! Genauer gesagt: Deutschland braucht Ingenieure. Jede Menge. Bauingenieure, Informatiker, Experten für die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, für unser aller Zukunft, für Deutschland als Exportnation. Prima.

Preisfrage: Wer denkt in dem ganzen Bildungswahn ernsthaft an Handwerksberufe? Werden alle Nase lang mehr Ganztagsschulen gefordert, wird Kindern inzwischen schon als 3-jährigen Englisch beigebracht und werden „schulvorbereitend“ reihenweise in Ergotherapien und zu Logopäden geschickt, um aus ihnen Bäcker, Schreiner, Maurer und Klempner zu machen? Die allseits forcierte Jagd auf den überdurchschnittlichen Notendurchschnitt führt irgendwann wahrscheinlich dazu, dass es auf dem Bau folgendermaßen zugeht. „Könnten Sie mir bitte die Schaufel reichen, Herr Doktor?“ – „Aber gern doch, Herr Doktor“.

Und auch Eltern haben mit ihren Kindern anderes im Sinn. Zwangsläufig. Quasi von Geburt ihres Kindes an dermaßen darauf getrimmt, dass es bloß nicht „hinterher hinkt“, hellwach jeden Entwicklungsschritt mit Argusaugen zu überwachen, besser ein Mal zu oft zum Arzt und zu früh zum Logopäden, als zu spät oder gar nicht. „Eltern unter Druck“ heißt es. Was tut man nicht alles dafür, dass der Nachwuchs auch „mitkommt“. Doch wohl kaum dafür, dass das Kind am Ende Fliesenleger wird.

Erst recht den Kindern wird mit einem millionenschweren Aufwand etwas anderes präsentiert. Wie öde und mühsam ist alles mögliche, was als Bildung deklariert wird, im Vergleich dazu, als „Supertalent“ einfach seine „große Chance“ zu nutzen: Dazu muss man nichts weiter als „an sich glauben“, als „Gesamtpaket“ überzeugen, vor einer Jury einigermaßen vorsingen oder unfallfrei zehn Meter geradeaus gehen zu können. Die „Superstars“ unserer Zeit bestechen selten durch ihren Bildungsgrad.

Wie war das noch mit dem 17-jährigen Mädel, das die Schule abgebrochen hat, weil sie „unbedingt singen“ will. Damit meinte sie allerdings natürlich nicht, statt der Schule eine mühsame Gesangsausbildung zu machen, sondern sich bei einer Castingshow vorzustellen: Mit einer dreiminütigen Sangesdarbietung prompt schon einmal ein kleiner Medienstar zu sein, bei RTL, in der „Bravo“, mit weiteren zwei Liedchen zum Plattenvertrag, berühmt, reich und schön. Man muss nur daran glauben – in unserem Zeitalter des Wissens jedenfalls keine leichte Aufgabe.

Vielleicht fehlt es dem Handwerk dabei nicht einmal am Image. Vielleicht fehlt es unserer Zeit nur an Romantik.

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